Kapitel 20
Luana war noch immer überrascht, dass Amon eine Kutsche besorgt hatte und sie sogar mit Sienna zusammen darin mitfahren durfte. Wahrscheinlich lag das allerdings daran, dass Sienna ziemlich weggetreten war.
Amon hatte ihre Arme gelöst, damit er sie tragen konnte, ohne ihren Körper weiter zu verletzen. Er hatte darauf geachtet, dass sie aus dem Haus gekommen waren, ohne gesehen zu werden. Die Fenster der Kutsche waren verhangen und es war recht dunkel.
Sienna trug keine Kleider, nur ein leichtes Tuch. Mit dem, was von ihren Flügeln übrig war, war auch nicht mehr viel übrig. Diese mussten ihr heftige Schmerzen verursachen, weshalb sie diese wahrscheinlich auch die ganze Zeit eingezogen hatte.
"Du kannst lesen?", fragte Amon, der Sienna hielt und ihr sogar sanft durch die Haare strich.
Luana nickte leicht. "Ja, Meister Amon", antwortete sie, denn nachdem er Sienna gegenüber so sanft war, wollte sie ihn nicht irgendwie verärgern.
"Gut, dann kannst du im Notfall, falls du etwas vergisst, nachlesen", murmelte er gedankenverloren. "Und du weißt, wann du mich holen musst?", fragte er weiter, blickte sie dabei aber nicht an, sondern zu Sienna. Diese wirkte, als wäre sie gar nicht mehr an Leben.
"Ja, Meister Amon", murmelte Luana, die sich fragte, was eigentlich die Beziehung der beiden war. Sie hatte das Gefühl, dass er sich Sorgen um Sienna machte. Zudem erinnerte sie sich daran, dass er gemurmelt hatte, dass sie ihm nur Ärger machte und er eigentlich aus einem anderen Grund hier gewesen war.
Sienna stöhnte leise und wollte sich erheben, doch Amon drückte sie nach unten. "Dummes Mädchen", tadelte er. "Du solltest genau wissen, wie schlecht es ist, wenn du deine Flügel verletzt einziehst und nicht ausheilen lässt", sagte er ernst und noch immer tadeln. Es hatte etwas Belehrendes an sich, was Luana leicht schmunzeln ließ. Sie hörte auch leichte Sorge in seiner Stimme.
Die Itari murmelte etwas, was Luana nur sehr schwer verstand. "Zu gefährlich", brummelte sie. Ihre Stimme klang schwach, weshalb Luana auch nicht sicher war, ob sie richtig gehört hatte.
Amon schnaubte. "Du bist trotzdem wieder bei den Sklavnehändlern gelandet. Das achte Mal. Wie oft willst du noch fliehen?", fragte er belustigt, während er sie streichelte.
Luana fragte sich, ob er es einfach wusste, oder ob sie vor ihm geflohen war.
Sienna murmelte erneut etwas, doch dieses Mal verstand es Luana noch. Ihre Worte brachten Amon aber zum Lachen. Es war ein tiefes Lachen, das Luana irgendwie gefiel, was sie nicht verstehen konnte.
"Bei mir wirst du keine Gelegenheit bekommen", sagte er ernst.
Für Luana war das ein Hinweis darauf, dass Sienna bisher nicht bei ihm gewesen war. Sonst hätte er diese Worte anders formuliert.
"Das Schild", murmelte Sienna. Luana erinnerte sich sehr gut daran, dass die Itari ihr von diesem erzählt hatte.
Amon lachte noch einmal, dieses Mal jedoch nicht ganz so erheitert. "Der auch, aber nachdem ich weiß, wie oft du schon weggerannt bist, werde ich wohl noch andere Maßnahmen ergreifen müssen", sagte er, wobei er fast schon neckend klang. Als würde er mit ihr spielen und testen, ob sie es trotzdem schaffte. Das fand Luana sehr merkwürdig. Sie wusste noch immer nicht, was sie von dieser Beziehung handeln sollte.
"Du wirst mit Luana brav ein Kräuterbad nehmen", bemerkte Amon plötzlich und Luana bemerkte, dass die Kutsche langsamer wurde. Waren sie schon da? Das ging sehr schnell, was aber wohl an der Kutsche lag.
Sienna knurrte leise, was Amon aber nicht zu stören schien. "Wie soll ich mich denn so bewegen?", fragte sie, bevor sie sich ein wenig wand. Sie schien wirklich Probleme damit zu haben.
"Ich trage dich in die Badewanne, aber Luana wird dir die Kräuter ins Wasser machen und auch deinen rücken einreiben. Wehe dir, du machst Ärger", warnte Amon. Luana beobachtete die beiden und war überrascht, dass er sie vorwarnte. So langsam glaubte sie, dass beide sich irgendwie mochten.
Schließlich hielt die Kutsche und wie Amon angekündigt hatte, hob er Sienna hoch, bevor er sich diese förmlich über die Schulter warf. Etwas, was Luana zucken ließ. Es wirkte grob und sicherlich war es auch recht unbequem, für Sienna aber sicherlich angenehmer, als am Rücken berührte zu werden.
Vorsichtig schaffte es Amon Sienna aus der Kutsche zu bringen, ohne mit ihren Flügeln anzuecken.
Luana folgte ihnen langsam. Sie hätte vielleicht die Zeit nutzen können, um wegzurennen, doch sie wollte Sienna in diesem Zustand nicht allein lassen. Immerhin war sie für ihre Gesundheit zuständig. Sie musste ihr nicht nur die Kräuterbäder und Salben geben, sondern auch die Tränke vorbereiten. Diese Arbeit sprach irgendetwas in ihr an, was sie daran hinderte, sich über die Flucht Gedanken zu machen.
Wie Amon angekündigt hatte, schaffte er sie ins Badezimmer. Es war jedoch ein anderes und Luana war überrascht, als sie das wunderschöne, im Boden eingelassene Wasserbecken sah. Sofort ging sie auf die Vorrichtung zu, mit der Wasser durch Rohre geleitet wurde. Sie zog den Korken heraus und sah dann zu, wie das Wasser die Wanne füllte. Sie würde gleich noch einmal loslaufen, um warmes Wasser aus der Küche zu holen, doch Amon hielt sie auf. "Ich wärme es. Mach die Kräuter rein", wies er an. Luana wusste zwar nicht genau, wie er es erwärmen wollte, doch sie nahm den Beutel mit den Dingen, welche der Heiler ihr gegeben hatte. Er hatte ihr erklärt, was sie nutzen musste. Zur Sicherheit hatte Amon einen Zettel mit den Anweisungen.
Luana bereitete alles vor, während sie bemerkte, dass Sienna sich wieder wehrte. Allerdings so schwach, dass man es kaum wahrnahm. Was wohl noch an dem lag, was der Vampir ihr gegeben hatte. Ein Beruhigungsmittel, wenn sich Luana richtig erinnerte.
Amon streifte sich die Schuhe ab, bevor er sich mit Sienna zusammen ins Wasser begab. Er setzte sie in der Mitte ab, damit sie sitzen konnte. So würde ihr Rücken hoffentlich nicht schmerzen.
Luana fand es irgendwie süß, dass er sich diese Mühe machte. Gerade jetzt, wie Sienna sich kaum bewegen konnte.
Allerdings zischte die Itari leise. Wahrscheinlich war das Wasser kalt oder die Kräuter schmerzten. Luana konnte es nicht sagen. Sienna tat ihr so leid, doch sie glaubte, dass die Kräuter gut für sie waren. Daher sorgte sie auch dafür, dass die richtige Menge im Wasser war. Den Rest stellte sie zur Seite. Die Salbe würde sie ihr erst auftragen, nachdem sie Sienna gesäubert hatte.
"Wenn du sie nicht allein waschen kannst, ruf mich", sagte Amon an Luana gewandt, bevor er Sienna losließ und sich aus der Badewanne zurückzog. Er schien, als würde er sie allein lassen, damit beide Frauen ihre Ruhe hatten. Das kam Luana gerade recht.
Sie nickte, bevor sie begann, sich zu entkleiden, um mit zu Sienna in die Wanne zu gehen. Das würde es ihr einfacher machen, sich um ihre Flügel zu kümmern.

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Luana-Tochter des Mondes (Leseprobe)
WerewolfBEENDET Als die Werwölfin Luana im Dunkelwald einen fremden Mann findet, der ganz eindeutig nicht zu ihrem Rudel gehört, beginnt für sie eine Reise, die ihr einiges abverlangt. Sie deckt das Geheimnis ihres Rudels auf und alles, was sie kennt, brich...