Kapitel 29

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Kapitel 29

Die nächsten Tage vergingen für Luana sehr zäh. Sie machte viel mit ihrem Bruder und weil Amon nicht da war, hatte sie eine Menge Freizeit. Zudem war ihr aufgefallen, dass Sienna ebenfalls nicht da war, weshalb sie glaubte, diese hätte den Fürsten begleitet. Das war nicht unüblich, weshalb sie sich keine Gedanken machte.

Luana spazierte mit Seydon durch den Garten. Dieser hatte sich eingelebt, war zwar noch immer verschlossen, aber nicht mehr so schreckhaft. Zudem hatte er die Aufgabe erhalten, sich um den Garten zu kümmern. Etwas, was ihm sehr viel Spaß machte.

Generell schien er sich an das Leben hier irgendwie gewöhnt zu haben. "Wie geht es deinem Rücken?", wollte Luana wissen, während sie ihren Bruder von der Seite her musterte.

"Es wird besser. Die Wunden sind fast alle verheilt", sagte er und lächelte sanft. "Die Heilerin, die Lord Amon mir zur Seite gestellt hat, ist wirklich gut", lächelte er zufrieden. Luana musste schmunzeln. Er mochte die junge Frau, die auch eine Sklavin war. Allerdings hatte Lord Amon es ihr ermöglichst die Kunst der Kräuter zu lernen. Zudem besaß sie ein magisches Talent dafür, zu heilen. Sie hatte auch schon überlegt Amon zu fragen, ob sie diese Kunst auch lernen durfte, doch sie wusste nicht genau, ob die Idee gut war. Es war wohl besser, wenn sie vorher mit Sienna sprach. Diese konnte ihre Bitte weiterleiten. Irgendwie war sie in diesen Dingen sehr gut. Sie war viel mit den Sklaven in Kontakt und schaffte es irgendwie zwischen diesen und Amon zu vermitteln.

Luana brannte die Frage auf der Zunge, woher Seydon diese Wunden hatte, doch sie wollte ihn nicht drängen. Er würde darüber sprechen, sobald er bereit dazu war. Sie konnte sich immerhin vorstellen, dass diese von einer Strafe seines Meisters kam.

Noch immer konnte sich Luana nicht ganz mit dem Wort Meister abfinden. Für sie war Amon weniger ein Meister als mehr eine Art Familienoberhaupt. Allerdings wusste sie, dass viele andere nicht so dachten. Sie waren immerhin Sklaven und irgendwie gefangen, auch wenn Amon es ihnen leicht machte, das zu vergessen.

Nachdenklich strich Luana über das Halsband. Sie spürte es kaum und neigte dazu, es zu vergessen. Seydon hatte sie deshalb schon einmal angefahren. Er wollte wieder frei sein, auch wenn Amon sie gut behandelte. Ihr Bruder war der Meinung, dass das hier kein Leben war. Luana fühlte sich allerdings wohl. Vielleicht war sie nicht so frei wie auf Wolfsmond, doch gleichzeitig hatte sie hier auch Möglichkeiten, die sie zuhause nie gehabt hatte.

Auch die Beziehung zu Sienna wollte sie nicht mehr missen. Die junge Frau gab ihr ein so gutes Gefühl, dass sie dieser im Moment überall hin folgen würde.

"An was denkst du?", fragte Seydon, der sich hinhockte, um ein paar Kräuter mit einem kleinen Messer zu ernten.

Luana kamen plötzlich die Tränen. "Ich vermisse Ragnar", brachte sie mit belegerter Stimme hervor und war über sich selbst überrascht. Eigentlicht sollte sie gar nicht so extrem reagieren. Warum tat sie es trotzdem?

Seydon ließ das Messer fallen, erhob sich und nahm Luana in den Arm. "Warum?", fragte er, weil er sie wohl nicht verstand. Immerhin wusste er auch nicht sonderlich viel über sie und Ragnar.

Luana zuckte die Schultern. Sie wusste es selbst nicht. Warum kam das auf einmal?

Seydon seufzte leise, streichelte ihr noch einmal den Rücken, bevor er von ihr abließ. "Komm, hilf mir, die Kräuter zu sammeln", sagte er, wohl um sie abzulenken.

Luana wischte sich die Tränen weg, bevor sie sich hinabbeugte und einige Kräuter pflückte. Es lenkte sie nur bedingt ab, denn ihr fehlte nicht nur Ragnar, sondern auch Sienna. Diese hätte sicher eine Idee, was sie tun könnte, um sich zu beruhigen.

Als sie mit Seydon die Kräuter zur Heilerin brachte, fragte sie aus Neugierig, ob sie bei der Verarbeitung dabei sein durfte. Sie selbst kannte sich ein wenig aus, doch sie wollte mehr lernen. Vorrangig aber einfach nur auf andre Gedanken kommen.

Tatsächlich half ihr die Unterhaltung mit der Heilerin sehr. Es war sehr aufschlussreich und sie lernte sehr viel über Kräuter.

Die Zeit verging sehr schnell und als jemand die Tür zu dem kleinen Kräuterzimmer der Heilerin öffnete, schreckte Luana auf. Ihr Blick fiel auf Amon, der sich im Raum umsah. Luana knickste höflich. "Willkommen zurück", grüßte sie. Es war keine Pflicht, doch es fühlte sich richtig an.

Amons Augen richteten sich auf sie, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte. "Wo ist Sienna?", fragte er mit rauer Stimme.

Luana wusste, dass ihr Blick überrascht war. "War sie nicht mit Euch mit?", fragte sie, denn das war seltsam. "Ich habe sie seit Eurer Abreise nicht mehr gesehen", informierte sie ihn, weil sie sich irgendwie schuldig fühlte.

"Ich hoffe, sie macht nichts Dummes", murmelte Amon, der klang, als würde er sich wirklich Sorgen machen.

Amons Worte sorgten dafür, dass Luana das Herz kurz aussetzte. War sie vielleicht geflohen?

Luana spürte einen leichten Stich. Wenn Sienna wirklich geflohen war, warum hatte sie Luana dann nichts gesagt? Und wo war sie hin? Gab es denn überhaupt einen Ort, wo sie hingehen konnte? War sie nicht überall in Gefahr? Es wäre dumm wegzurennen, wo Amon doch so nett zu ihnen war.

Amon fuhr sich durch die Haare. "Es gibt Gerüchte über Sklavenaufstände", informierte er mit brummiger Stimme. "Es könnte sein, dass sie hier angreifen."

"Was heißt das?", fragte Luana zögerlich. Wie sollte sie seine Worte interpretieren? Was verlangte er von ihnen?

"Es kommt ab und an zu Sklavenaufständen", bemerkte die Heilerin, die eine sehr sanfte Stimme hatte. Durch die schwarzen, hochgesteckten Haare wirkte sie jedoch mehr wie ein Haremsmädchen. "Sie gehen von Anwesen zu Anwesen und versuchen Sklaven zu befreien. Die meisten sterben dabei und wenn sie es schaffen die Sklaven zu befreien, werden sie später wieder eingefangen", erklärte sie und ließ etwas die Schultern hängen.

Luana verstand durchaus, dass es keine sonderlich gute Idee war, sich einem Aufstand anzuschließen.

Es klopfte leise und dann öffnete sich die Tür. Sienna steckte den Kopf hinein und lächelte. "Willkommen zurück", grüßte sie und wirkte keinesfalls so, als wäre sie längere Zeit weggewesen. Allerdings waren ihre Haare ein wenig durcheinander und ihr Kleid an einigen Stellen dreckig.

Amon musterte sie eingängig. Luana schloss sich ihm an. Was hatte Sienna getan? War sie wirklich hier im Anwesen gewesen oder wo anders? Und wenn ja: Wie war sie durch den Schild gekommen?

Luana-Tochter des Mondes (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt