Himmelfahrtskommando

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Elida

Der Winter zeigte seine ersten Klauen. Der Frost überzog die Fenster und Wiesen mit Eisblumen. Es war nicht diese Art von Kälte, die dich am ganzen Körper zittern ließ. Es war eher die Art, die in deinem Gesicht brannte und deine Finger betäubten. Die Kälte, die du schmecken und riechen konntest. Bei der jeder Atem so lebendig wirkte.

Seit dem Abendessen im Glashaus, hatte Elida den König fast nie zu Gesicht bekommen. Bloß einmal, flüchtig, als er den Gang mit einigen anderen Personen in Rüstungen durchquerte. Sie stand abseits an der Wand. Sie diskutieren über Wesen, namens Bokkels, die den Wald heimsuchten. Sie planten einen Angriff. Ein besonders breit gebauter Mann schlug vor, die Azubis einzusetzen. Uns. Als der König ihre Anwesenheit bemerkte, brach er brach er seinen Satz ab und wies seine Begleiter stattdessen in einen leerstehenden Raum. Mit einem letzten kalten Blick in ihre Richtung verschloss er die Tür.

Das war zwei Wochen her und der Tag des Angriffes rückte immer näher. Sorin legte sich mächtig ins Zeug, sie auf die kommende Schlacht vorzubereiten. Lorcán war immer noch der Meinung sie hätte in seinen Reihen nichts verloren, doch angesichts des bevorstehenden Kampfes ließ er die Beleidigung bleiben. Vielleicht hoffte, wie jeder andere, auch auf ihren baldigen Tod.

Immer wieder versuchte sie sich die Bokkels mit bester Vorstellungskraft auszumalen. Manchmal dachte sie an dicke, krötenartige Wesen mit messerscharfen Zähnen. Ein anderes Mal wieder an, bis auf die Zähne bewaffnete Kobolde. Wenn sie Sorin oder Fyllo ihre Vermutungen erzählte, lachten sie sie meist nur aus und tätschelten mit gespielten Bedauern ihren Kopf. "Das wirst du dann schon sehen." Waren stets ihre Worte, die sie innerlich zur Weißglut trieben.

"Wie soll ich mich auf den Kampf vorbereiten, wenn ich nicht einmal weiß, wer mein Gegner ist?" fuhr sie Sorin eines Abends an, als er wieder Anstalten machte, ihr die übliche Laier abzuspielen. "Und warum zum Teufel, freut sich jeder hier so auf den Kampf? Hat niemand Angst?" Ihr war wohl aufgefallen, dass die Männer auf den bevorstehenden Tag hinschwärmten. Die Stimmung wurde von Tag zu Tag besser. Sorin stellte seinen Kelch ab und runzelte verlegen die Stirn. "Wenn ich dir das sagen würde, würde mir nicht nur der König den Kopf abreißen." Gedankenverloren Strich er mit seinen Fingern über den Kelchrand, wobei er eine dünne Spur von Beerenwein hinterließ.

„Du musst wissen, dass Menschen in unserem Reich nicht sehr beliebt sind. Besonders du hast nicht sehr hohes Ansehen." Seine Augen huschten nervös zwischen ihr und Fyllo, der gegenüber saß, hin und her. „Um es kurzzufassen -keiner hier kann dich leiden. Sie hoffen generell, einschließlich des Königs, dass du bei der kommenden Schlacht umkommst." Gelangweilt lehnte sie sich zurück. „Erzähl mir mal was Neues!"

Sie beobachtete die Soldaten um ihre Tische herum. Sie waren alle groß und muskulös und führten sich sichtlich wie Barbaren auf. Sie war tatsächlich der einzig, weibliche Soldat. Der König muss wirklich ein Himmelfahrtskommando gegen sie geplant haben. „Wie kommt es dazu, dass mich alle tot sehen wollen. Wenn sie mich nicht leiden können, könnten sie mich auch irgendwo aussetzen und verhungern lassen."


„Das reicht! Hör auf mir alles aus der Nase zu ziehen! Ich weiß genau worauf du hinaus willst und du wirst von mir sicher nichts erfahren!" bestimmt verschränkte Sorin seine Arme vor der Brust. Sie zog einen Schmollmund und blickte ihn aus treuherzigen Hundeaugen an. „Du brauchst gar nicht so zu schauen. Für das was ich dir alles erzählt habe, gehört mein Kopf schon längst abgeschlagen." Das war er. Der Schlussstrich. Den setze Sorin immer wenn er nicht mehr preisgeben wollte. Sie blickte bettelnd zu Fyllo, doch er wich ihren Blick gekonnt aus und stocherte sehr angestrengt in seinem Eintopf herum, dabei vergaß er nicht jedes einzelne Stück Kartoffel genauestens zu betrachten. Genervt stieß sie einen Seufzer aus. „Ich gehe schlafen." murmelte sie und ging. Ohne ihre Antwort abzuwarten.

Sobald sie den Speisesaal verließ, blies ihr ein eisiger Wind ins Gesicht. Der Winter in Eluria war um einiges kälter als in der Menschenwelt. Ihre Finger froren und sie versuchte sie in ihrem Umhang zu wärmen. Als eine erneute Windböe kam, zog sie sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Ihre Schritte knirschten im Schnee.
Knirsch, Knirsch, Kirsch...
Bald hatte sie den Hintereingang erreicht. Insgeheim freute sie sich schon auf die Wärme ihres Bettes.

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch, als sich das Geräusch ihrer Schritte vervielfachte. Ein zweites Paar Schuhe stapfte über die verschneite Wiese.
Verdammt.

Sie wagte es nicht sich umzudrehen, sondern beschleunigte die Schritte. Bald hatte sie es geschafft nur noch ein paar Meter. Kurz vor der Eichentür Packte sie jemand von hinten und zerrte sie in eine Ecke. Elida wurde grob mit dem Gesicht gegen die kalte Wand gedrückt. Der Frost biss ihr Gesicht und sie spürte wie die nasse Kälte durch ihren Umhang kroch. Ihre Finger tasteten nach einer Waffe, doch sie gingen ins Leere. Der warme Atem, der gegen ihren Nacken stieß war ein starker Kontrast zu den kalten Worten, die ihr entgegengebracht wurden. „Du weißt, dass du sterben wirst. Du weißt es!" zischte eine bekannte Stimme in ihr Ohr. „Und du wagst es trotzdem nicht vor Angst zu schlottern. Du wagst es so zu tun als wäre nichts!" Lorcáns Stimme zitterte vor Wut. Er musste sie im Speisesaal beobachtet haben und ihr dann draußen aufgelauert sein.

Ihr Lachen war bitter und keineswegs freundlich. „Denkt ihr wirklich, dass ihr mich durch so eine mickrige Schlacht loswerdet? Muss ich dich daran erinnern, dass du beim Duell fast gegen mich verloren hättest?" Sein Griff verfestigte sich und er drückte ihren Körper nochmals fester gegen die Wand. Knacks.

Eine warme Flüssigkeit floss über ihre Lippen. Es schmeckte mettallern. Blut. Ihre Nase war gebrochen. Ihr schossen die Tränen in die Augen, doch sie versuchte nicht zu wimmern. Diesen Triumph gönnte sie ihm nicht. Also biss sie fest die Zähne zusammen. Der Griff lockerte sich und sie drückte ihn mit aller Wucht von sich. Er sollte ihr tränenüberströmtes Gesicht nicht sehen. „Dreh dich um und ignorier mich nicht wie ein Feigling!" als sie sich nicht rührte, packte er sie and den Schultern und wirbelte sie zu sich herum.

Sie vermied seinen Blick. Wollte nicht dieses triumphierende Grinsen sehen. Die Hände fielen von ihrem Körper ab. „Ich....Ich...deine Nase..." Verwirrung machte sich breit. Sie runzelte die Stirn und sah zu ihm auf. Durch den Tränenschleier konnte man nur eine Silhouette von ihm erkennen. Doch konnte sie es spüren. Kein Triumph. Es war Schuldgefühl und Schock, die seinen Blick besaßen. Noch nie hatte sie ihn so gesehen „Ich...wollte nicht..." Er taumelte zurück. Schnell wirbelte er herum und stapfte mit eiligen Schritten davon.

Wollte er sich gerade entschuldigen? Was war bloß los mit ihm?

The Missing CrowWhere stories live. Discover now