Kapitel 6

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Die Luft war klar, der wolkenlose Himmel strahlte in einem unwirklichen Blau mit einer hochstehenden, schimmernden Sonne. Genau das Wetter, das man im Urlaub erwartete. Rebecca war eine tolle Gesellschaft, sie versuchte mich aufzumuntern, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und trotzdem fühlte ich mich fehl am Platz. Meine Gedanken waren Meilenweit von dieser Strandliege entfernt.

„Gehen wir ins Wasser?“ 

Rebecca war aufgestanden und sah an mir herab.

„Wieso nicht“, antwortete ich. 

Sie reichte mir ihre Hand und half mir hoch. 

„Irgendwas neues?“, fragte sie, während wir uns einen Weg zwischen all den anderen Urlauber bahnten.
„Außer, dass mein Vater mich umbringen will? Nein.“
„Und Berat?“

 Mein Schweigen war wohl Antwort genug.

„Der wird noch angekrochen kommen“, sprach sie weiter.

Ich lachte humorlos auf. Stück für Stück glitt ich ins angenehm kühle Wasser, ließ mich auf dem Rücken treiben und versuchte mein Gehirn auf Knopfdruck abzuschalten. Es gelang mir nicht.

Die Ereignisse der letzten Nacht schwirrten unaufhörlich in meinem Kopf herum. Ich lag unter dem Sonnenschirm und las. Zumindest versuchte ich das. Die Worte wollten einfach keinen Sinn ergeben. Meine Konzentrationsfähigkeit war im Eimer.
Ich legte das Buch weg und massierte mir die Schläfen. Jemand hatte vor unserem Sonnenschirm halt gemacht. Ich wollte die Person schon weiterwinken, da ich dachte, dass es einer dieser Strandverkäufer war, die sich unaufhörlich durch die Urlauber schlängelten. Aber dann ..

„Hey.“

Diese Stimme .. nein, das war kein Strandverkäufer.

„Was ..was machst du hier?“, stotterte ich.
„Wollte dir die zurückgeben. Hast du vergessen.“

Eine Tüte wurde mir hingehalten. Ein kurzer Blick in den Inhalt genügte, um rot anzulaufen – meine Klamotten. Der Mann verzog keine Miene. Er besaß sogar so viel Anstand und sah an mir vorbei, da er offensichtlich merkte, dass es mir peinlich war. Eine blaue Badehose hing ihm lässig an den Hüften. Meine Augen machten ganz unbewusst einen Spaziergang. Sie glitten über seine breite, leicht beharrte Brust, weiter zu seinen muskulösen Armen und blieben an seinen Bauch haften, wo sich ein leichtes Sixpack abzeichnete.

„Danke“, flüsterte ich.
„Geht es dir gut?“
„Ja.“
„Darf ich mich setzten?“

Er zeigte auf die leere Strandliege neben mir.

„Ich bin nicht allein -“
„Das hast du gestern Nacht bereits erwähnt.“

Gestern Nacht. Beim Gedanken daran, fühlte sich mein Bikini schlagartig viel zu knapp an. Ungeschickt versuchte ich mit den Händen meine nackte Haut zu verdecken und wich dabei seinem Blick aus. Er setzte sich mir gegenüber, ich spürte seinen prüfenden Blick. Ja, und jetzt?

„Geht es dir wirklich besser?“, fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit.
„Ja. Deine Sachen kann ich dir übrigens kurz bringen.“

Ich stand viel zu schnell auf. Schmerz durchzuckte mich. Es traf mich so unvorbereitet, dass ich nach Luft schnappen musste. Immer wieder vergaß ich, dass meine Rippe noch eine Weile brauchte.

„Alles okay?“

Nein, gar nichts ist okay, dachte ich mir. Ich hielt Ausschau nach Rebecca, die ins Hotel gegangen war um ihren Bikini zu wechseln. Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Er stand ebenfalls auf und räusperte sich, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.

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