Kapitel 51

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Ich wirbelte herum, die Hand schon in der Handtasche, um nach der Waffe zu greifen.

„Egzona, Liebes."

Frau Jansen - meine Vermieterin. Oh Gott, ich hörte mein Herz heftig in meiner Brust schlagen. Ich war auf alles vorbereitet gewesen! Meine Hand hatte sich schon um den Griff der Waffe gelegt gehabt. Frau Jansen umarmte mich herzlich und sagte, wie leid es ihr täte. Sah so aus, als habe Rinor ihr davon erzählt.

„Meine Liebe, Reinhard und ich werden morgen in den Urlaub fahren. Da die Familie Wagner uns leider auch verlassen musste, bist du vorübergehend die einzige Bewohnerin des Hauses. Ich wollte fragen, ob du so lieb bist und meine Pflanzen gießen würdest, solange wir weg sind."

Pflanzen gießen also. Ich wusste gerade nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Mein Leben war ein einziges Chaos und ich sollte mich um Pflanzen kümmern.

„Wenn du noch zu schwach dazu bist, dann würde dein lieber Bruder sicher helfen, oder?"

„Ganz bestimmt. Wir kümmern uns natürlich gerne um die Pflanzen."

„Super, ich danke dir meine Liebe."

Sie lächelte zufrieden und ich schaffte es zurück zu lächeln. Sie war alt, Gott allein wusste, wie lange sie noch zu leben hatte. Wieso sollte ich ihr also keine Freude bereiten, wenn ich es konnte? Gemeinsam betraten wir das Haus. Sie reichte mir ihren Ersatzschlüssel und bedankte sich abermals, bevor wir getrennte Wege gingen.

Ich ließ mir Zeit beim Treppen steigen. Meine Beine waren kaum in der Lage mich zu tragen. Endlich oben, atmete ich ein paar Mal ein und aus, drückte die Handtasche an meine Brust und öffnete vorsichtig die Tür. In der Wohnung war es still. Erst als ich mich konzentrierte, hörte ich Rinors leises Schnarchen aus dem Wohnzimmer. Erleichtert trat ich ein und wollte die Tür hinter mir schließen, als sich jemand räusperte. Ich fuhr zusammen.

„Scheiße, Marco! Was schleichst du dich so heran?", zischte ich leise.

Rinors Freund stand vor der Tür.

„Tut mir leid, wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte er sich.

„Rinor schläft gerade, ich -"

„Ist egal. Ich wollte eh mit dir reden."

Verwundert hob ich die Augenbraue.

„Genau genommen wollte ich dich um etwas bitten", fuhr er fort.

„Was gibt es?"

„Ein paar Freunde werden über Silvester nach Berlin fahren. Soll ein drei Tage Trip werden. Morgen geht es los, am 1. sind wir wieder da. Geplant war, dass wir zu fünft fahren. Rinor hat aber abgesagt, obwohl er derjenige war, der es vorgeschlagen hat."

„Du willst, dass ich ihn überrede mitzukommen?", fragte ich.

„Ja. Er sagt, dass er dich nicht allein lassen kann und das verstehe ich bis zu einem gewissen Punkt auch, aber ich weiß auch, wie sehr er sich darauf gefreut hat. Ist sogar schon seit Monaten alles geplant, reserviert und bezahlt worden. Ist halt dumm gelaufen die Sache mit eurem Vater -"

„Schon gut", unterbrach ich ihn. „Ihr könnt auf ihn zählen, er wird kommen."

„Echt jetzt? Schaffst du das?"

Ich nickte, woraufhin sich seine Miene erhellte. Er dankte mir gefühlt tausend Mal, bevor er schließlich ging. Ich hing meinen Mantel auf und lief in die Küche, warf vorher aber noch einen Blick ins Wohnzimmer, wo Rinor nach wie vor tief und fest schlief.

In der Küche öffnete ich die Handtasche, nahm die Waffe hervor und öffnete das rote Tuch. Sie war schwer, obwohl sie so klein war und sie glänzte, als wäre sie extra für mich poliert worden. Ich strich über die glänzende Oberfläche und nahm dann das Magazin heraus. Voll. Ich ging routiniert mit diesem tödlichen Gegenstand um, so, als wäre ich mein Leben lang auf diesen Moment vorbereitet worden. Sie fühlte sich gut an in meiner Hand, wie zu Hause.

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