Kapitel 48

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Ich nahm Rebecca das Handy aus der Hand und schaltete es aus.

„Warum gehst du nicht ran?", fragte sie.

„Wozu? Damit er mir unter die Nase reibt, dass er mich ausgenutzt hat?"
„Vielleicht lügt Alban nur!"

Ich schüttelte den Kopf. Das war keine Lüge gewesen. Mein Schädel dröhnte, als hätte in meiner unmittelbarer Nähe eine Gong geschlagen. Ich bat Rebecca um eine Kopfschmerztablette. Nachdem ich diese schluckte, wischte ich mir das Gesicht ab.

„Scheiß auf Männer", sagte ich mehr zu mir selbst.

Während ich mich ein wenig beruhigte, ging Rebecca in die Küche und kam nur wenige Minuten später mit zwei Tassen Tee und Keksen wieder.

„Ich hätte dir ja ein Glas Wein angeboten, aber na ja", sagte sie und deutete auf meinen Bauch.

„Der wäre jetzt wahrscheinlich wie Wasser heruntergegangen ..", antwortete ich fix und fertig.

Rebecca sah mich traurig an und nahm tröstend meine Hand.

„Mach dich nicht kaputt deswegen. Er ist es nicht wert."

„Ja, vielleicht."

„Was ist eigentlich mit Berat?", wechselte sie das Thema. "Weiß er schon, dass du schwanger bist?"

„Nein, er wird es früh genug erfahren."

„Spielst du eigentlich mit dem Gedanken .. also -"

„Wieder mit ihm zusammen zu kommen?Ja."

„Aber, Egi .."

Wir schwiegen kurz. Nur der Fernseher im Hintergrund war zu hören.

„Du darfst nicht vergessen, was er gemacht hat."

„Das tu ich nicht, Rebecca. Aber trotz der ganzen Sache mit Raif, der ohnehin nur mit mir gespielt hat.. Berat fehlt. Es spielt keine Rolle, wie oft ich mir die Haare schneiden lassen werde, oder ins Fitnesscenter gehe, oder wie viele Gläser Wein mit dir trinke. Ich gehe immer noch jede Nacht in mein Bett, und erinnere mich an jedes noch so kleine Detail unserer langjährigen Beziehung."

Tief atmete ich aus und nahm einen Schluck von meiner Tasse. Nicht weinen, nur nicht weinen, mahnte mich meine innere Stimme. Es tat weh an etwas zu denken, dass nun zur Vergangenheit gehörte.

„Manchmal sitze ich einfach stumm da, Rebecca. Ich starre an die Wand und frage mich, was ich falsch gemacht habe. Und dann verfluche ich mich, weil ich wirklich gedacht habe, ich könne glücklich werden. Ja, kleine Teile der Seele kommen wieder zurück. Und der Teil, all die Jahre, all die Erinnerungen, sie verblassen mit der Zeit, aber es wird immer etwas geben, das mich daran zurückdenken lässt. Mein Baby, in dem Fall."

„Soll das heißen, dass du ihm verzeihst?", fragte Rebecca enttäuscht.

„Nein. Das soll lediglich heißen, dass ich kurzzeitig wirklich mit dem Gedanken gespielt habe es zu tun. Ihm eine neue Chance zu geben. Aber nein, es reicht. Ich will und kann nicht mehr."

Im Endeffekt war es zwecklos gegen dieTränen zu kämpfen. Meine Hormone spielten verrückt. Zwar war ich schon immer nah am Wasser gebaut, aber durch die Schwangerschaft ließen sich meine Tränendrüsen noch viel schneller dazu hinreißen Tränen zu produzieren. Ich wollte und musste mich mal so richtig ausweinen, und insgeheim hoffte ich, dass ich mit den Tränen auch den Schmerz und die Erinnerungen hinfort spülen könnte.


Drei Wochen später ...


Es war ruhig um mich herum geworden in den letzten Wochen – fast schon zu ruhig. Keine Spur von meinem Vater. Da die Staatsanwaltschaft noch ermittelte, stand es noch nicht fest, wann die Verhandlung angesetzt werden würde. Natürlich hätte ich es lieber gehabt, wenn er in der Zwischenzeit in Untersuchungshaft sitzen würde, aber er schien mich auch so in Ruhe zu lassen. Auch Raif hatte nicht mehr angerufen, und von Berat kam ohnehin nichts. Umso besser.

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