Beerdigung / Kapitel 43

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Die nächsten Tage wurden hart. Ich konnte nicht schlafen, essen oder vernünftig denken. Zwischendrin sank ich vor Müdigkeit doch immer wieder in einen kurzen, aber wirren Schlaf in dem ich von Alpträumen gequält wurde. Andauernd tauchte Sirius letzter Gesichtsausdruck vor meinem inneren Auge auf. Seine ausgestreckte Hand die meine berühren wollte, doch es war zu spät. Zitternd wachte ich dann auf, griff nach einem Glas Wasser, was auf meinem Nachttisch stand, und leerte es in einem Zug. Versuchte damit meine Gedanken wegzuspülen, doch sie blieben. Nisteten sich nicht nur in meinem Kopf, sondern auch in meinem Herzen ein. Ich konnte nichts dagegen tun und driftete immer wieder ab. Ich war da, aber auch irgendwie nicht.
Ich hatte mich geweigert zurück zum Grimmauldplace zu gehen. Ich wollte nicht in seinem Haus sein. Alles dort erinnerte mich an ihn, unser erstes Weihnachten, unsere vielen Gespräche, Umarmungen und Erinnerungen. Severus versuchte so gut es ging mir beizustehen. Kochte mir Essen, was ich nicht aß, räumte die Teller wieder ab, setzte sich zu mir, strich mir über den Kopf und schwieg mit mir gemeinsam. Meine Freunde wollte ich nicht sehen, wies jeden Besuch ab. Ich wollte allein sein. Für mich sein und meine Wunden lecken.
Dumbledore befreite mich angesichts der schreckliche Ereignisse von den letzten Schultagen, doch das bekam ich gar nicht wirklich mit. Severus regelte das alles für mich, beurlaubte sich selbst damit er für mich da sein konnte und gab mir die Kraft und Unterstützung die ich brauchte. Über meinen Ausraster hatte er kein Wort mehr verloren und dafür war ich ihm sehr dankbar. Und doch fehlte mir in den verstreichenden Wochen etwas. Ich fühlte mich nutzlos und für nichts zu gebrauchen. Ich hatte es satt wie in Watte bepackt behandelt zu werden. Ich vermisste Sirius, mehr als alles andere. Seine Beerdigung verlief unauffällig und ohne großen Trubel. Ich erschien als letzte, ganz in Schwarz gekleidet, und trat mit zitternden Händen an den Sarg. Sein Gesicht wirkte so friedlich und doch nicht so wie er sonst war. Die Augen waren geschlossen, ein seliges Lächeln umspielte seine Lippen. Die wilden Locken fielen kreuz und quer über das weiße Leichenkissen und bildeten den Kontrast zu der starren Beerdigung. Ein letztes Mal berührte ich seine kalte Hand, bevor ich mich weinend abwendete. Ich wollte mich nicht von ihm verabschieden, aber ich musste ihn gehen lassen. Mehr Zeit miteinander war uns nicht vergönnt gewesen und ich bereute die 12 vergangenen Jahre in denen ich ihn verachtet hatte. Hätte ich gewusst was für ein ehrlicher und liebevoller Mann hinter der Maskerade des angeblichen Massenmörders steckte...
Wortlos ging ich am Rest meiner Freunde vorbei. Ich hatte sie nicht einmal begrüßt. Die Weasleys saßen mit gesenkten Kopf am Tisch während Tonks mir mitfühlend eine Hand auf die Schulter legte. Ich zwang mich zu einem Lächeln und nahm mit großen Abstand am Ende des Tisches neben Severus Platz. Fred schaute mich über den Tisch hinweg verletzt an. Seit er mit George de Abflug gemacht hatte, hatten wir nicht mehr gesprochen. Ich war sauer, verletzt und vor allem überrascht, dass er und sein Bruder das Ding ohne mich durchgezogen hatten. Ich hatte zwar nicht vor die Schule zu schmeißen, doch es wäre schön gewesen, wenn sie mir wenigtens davon erzählt hätten, da wir sonst auch alles miteinander teilten. Er wusste das ich Unehrlichkeit und Lügen über alles hasste und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr steigerte ich mich in meine Wut hinein. Vielleicht suchte ich auch einfach etwas, dass mich von meiner Trauer ablenkte. Doch es tat weh und ich konnte die Schmerzen einfach nicht mehr ertragen.
Ebenso ertrug ich dieses Haus nicht. Das anschließende Essen, der bei den Muggeln sogenannte "Leichenschmaus" fand im Grimmauldplace statt, wo auch sonst. Es war mir unheimlich in diesem Haus zu sein und zu wissen, dass Sirius nie mehr hier sein, geschweige denn einen Fuß über die Schwelle der Haustür setzen würde. Ich fühlte mich nicht willkommen und wieder einmal fragte ich mich was meine "Großmutter" dazu gesagt hätte.
Ich ignorierte Fred und heftete meinen Blick auf das Essen was Molly gezaubert hatte. Doch nicht einmal sie wagte einen Versuch die trübe Stimmung, die seit Sirius Tod herrschte, aufzuheitern. Severus zuliebe schaufelte ich mir einen Berg Essen auf den Teller, den ich dann immerhin zu einem Viertel aufaß. Er lächelte und drückte meine Hand. Er wusste, es würde irgendwann bergauf gehen. Man musste nur geduldig bleiben.
Während die anderen noch sitzen blieben und sich unterhielten entschuldigte ich mich und stand vom Tisch auf. Ich wollte hoch in mein Zimmer und noch ein paar Sachen zusammenpacken die ich dann später mit zu meinem Vater nehmen würde. Vater...jetzt waren es nur noch zwei. Mit einem leichten Anflug von wiederkehrender Traurigkeit dachte ich an Remus, Sirius und Severus. Drei Männer die unterschiedlicher nicht sein konnten. Und doch verband sie etwas...und zwar ich.
In Erinnerungen schwelgend packte ich meine Tasche weiter und blieb an einem Bild vom letzten Weihnachten hängen. Es erschien mir unreal und viel zu lange her. Wie sehr hatte sich die Welt und auch wir in den letzten Monaten geändert.
Gerade als ich die schwere Tasche vom Bett hievte, klopfte es an der Tür. Vielleicht war es Severus der mich, hoffentlich, zum Aufbruch abholte. Doch widererwartend stand Fred vor der Tür. "Können wir reden?" Der Rothaarige sah zerzaust und aufgewühlt aus. "Nein.", antwortete ich mit fester Stimme. Ich wusste würde ich in meiner momentanen Verfassung mit ihm sprechen, würde das Ganze nicht gut ausgehen. Zu sehr purzelten meine Gedanken und Gefühle durcheinander, dass ich gar nicht erst in der Lage war sie zu ordnen. "Du kannst mir nicht ewig die kalte Schulter zeigen." Fred trat ohne Erlaubnis ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. "Ich zeige dir die kalte Schulter?!", wiederholte ich seine Wort in einem schrillen Tonfall. Es war bereits zu spät. Alles was ich in den letzten Wochen unterdrückt hatte, kompensierte sich mit einer unfassbaren Wut die jetzt zu Tage trat. "Du schließt alle um dich herum aus. Hermine, Harry und sogar mich! Was glaubst du wie ich mich fühle!", schoss er zurück und sah mich eindringlich an. "Wie du dich fühlst? Verdammt Fred mein Vater ist verstorben! Was denkst du denn wie ich mich dabei fühle?!", brüllte ich und die Wände wackelten. Mein Freund zuckte erschrocken zusammen. Derartige Wutausbrüche war er von mir nicht gewohnt. "Das ist traurig, sehr sogar aber dafür kann doch niemand etwas. Meinst mir, Mom, Tonks oder Harry tut es nicht weh?" Er trat näher doch ich wich vor ihm zurück. "Lass es.", flüsterte ich. "Es bringt nichts." Ich traute meinen Ohren kaum. "Was bringt nichts?" Er fuchtelte wild mit den Händen in der Luft herum. "Das alles! Du versinkst in deiner Trauer, igelst dich ein, vernachlässigst deine Freunde und deine Beziehung, die dir eigentlich gut tut. Du lässt niemanden mehr an dich ran außer die verdammte Schlange Snape!" Das hatte gesessen. Jegliche Farbe wich mir aus dem Gesicht. Mit seinen Worten hatte er meine Wut zum Überkochen gebracht. Bedrohlich kam ich auf ihn zu und schubste ihn. "Ich lasse niemanden mehr an mich ran außer Severus? Vielleicht liegt es daran, dass er mein Vater ist und für mich da war als Sirius verstarb, weil du es zum Teufel nochmal nicht warst!", schrie ich und stieß ihn dabei immer weiter zur Tür. "Das...das ist nicht wahr.", stammelte er. Doch ich war erst richtig in Fahrt gekommen. "Du hast dir schön einfach gemacht Fred Weasley. Während deine Freundin und ihre Freunde gegen ein Dutzend Todesser gekämpft haben, hast du dich fein aus dem Staub gemacht. Aber weißt du was das traurige ist?" Meine Stimme wurde gefährlich leise. "Du hast nicht nur mich im Stich gelassen, sondern auch deine besten Freunde. Und das werde ich dir nie verzeihen können.", flüsterte ich und setzte dem Ganzen die Krone auf.  Getroffen suchte er Halt an der Türklinke. "Jetzt geh. Ich will dich verdammt nochmal nicht mehr sehen! Verschwinde!", brüllte ich in meiner Verzweiflung und riss ihm die Tür aus der Hand. "Was ist mit uns?! Du kannst das nicht so einfach wegwerfen!" Er wollte nicht gehen, aber es war zu spät. "Es gibt kein uns mehr." Ich schlug die Tür zu. Eine Träne fand leise und kaum merklich ihren Weg hinunter an meiner Wange.


Louna Black- Decisions of LoveWhere stories live. Discover now