04: Mochis Verwandlung

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Gleich nach dem Unterricht stürmte Jimin in sein Internatszimmer, was er sich mit seinem besten Freund Taehyung teilte.

Der junge Alchemist war noch nie ein großer Fan vom Aufräumen gewesen und hatte seine vielen Zauberbücher zu einem unordentlichen Berg aufgetürmt.

Seine Zimmerecke wurde von einem großen Kessel aus Messing eingenommen, der mit heraufbeschworenem Feuer beheizt wurde und somit immer schön heiß war, wenn Taehyung ihn für seine beliebten Mixturen benötigte.

Da das Bett neulich unter dem Gewicht seiner Bücher eingekracht war, weil Taehyung es nicht lassen konnte, sie anstatt auf dem Regal auf seinem Bett zu stapeln, musste er nun auf dem Boden schlafen.

Und weil Jimin, nett wie er eben war, den harten Teppich kurzerhand so verhext hatte, dass man dort wie auf Wolken lag, fühlte sich Taehyung pudelwohl.

An der gegenüberliegenden Wand stand ein kleiner Kamin, der den beiden - neben dem üblichen Zweck - als Briefkasten diente.

Als Suga noch in der Menschenwelt gelebt hatte, hatte er der jungen Hexe regelmäßig Briefe geschrieben, von denen er nie gewusst hatte, wo er diese denn nun hin schicken musste.

Und da das Portal, was die beiden Dimensionen seit genau zwei Jahren miteinander verband, nicht dazu gedacht war, Post hindurch zu befördern, hatte sich Jimin etwas ganz Besonderes einfallen lassen.

Aus dem alten Kamin, den Taehyung ihm einst von seinen regelmäßigen Trips zur Menschenwelt mitgebracht hatte, war eine Art magiebetriebene Postzustellungsanlage geworden, die jeden einzelnen Brief direkt liefern konnte, ohne dass man sich Gedanken über Anschriften machen musste.

Wenn Jimin einen Brief in die Menschenwelt schicken wollte, musste er ihn einfach in die Klappe für die Kohle stecken und folgende Worte sprechen:

Umo Ko - Ji,
Umo Ko - Li.

Durch die Welten, eil' geschwind,
finde den Weg, der für dich bestimmt!

Die Briefe benötigten gerade mal wenige Sekunden, um von der Hexenwelt hinüber zu gelangen, allein angetrieben von Jimins Magie.

Und nicht nur von der Hexenwelt, sondern auch von jeder anderen Dimension funktionierte dieses Verfahren problemlos - wenn gerade ein klappriger Holzofen in der Nähe war.

Suga würde sich bestimmt auch über so ein gut geöltes System freuen, zumal er dann immer seinen Brüdern schreiben konnte...

Jimin lächelte in sich hinein und ließ sich auf sein ordentlich gemachtes Bett fallen, zog seine Prüfungsunterlagen hervor und vertiefte sich im selben Moment ins unermüdliche Lernen.

Zumindest so lange, bis sein Besen Mochi aus dem Schlaf erwachte und ihn mit seinen Borsten über die Wange rieb - sein Zeichen dafür, dass er mal wieder unbedingt fliegen wollte.

Doch Jimin schüttelte nur den Kopf:

"Tut mir leid, Mochi. Ich muss für meine Hexenprüfung lernen und habe gerade wirklich keine Zeit...ein anderes Mal, in Ordnung?"

Der Besen schien gänzlich unbeeindruckt und schnurrte empört, ganz so als ob er sagen wollte Das erzählst du mir jetzt schon seit Wochen!

Kurz darauf zog Mochi schließlich ab und stellte sich zurück in die Ecke, ließ traurig die Borsten hängen.

Jimin tat es im Herzen weh, seinen Besen so zu vernachlässigen, waren jene Fluggeräte doch wie Haustiere, die man rund um die Uhr pflegen und beachten sollte.

Jeder Besen, den man gezähmt und ihm somit ewige Treue geschworen hatte, war gleichzeitig so etwas wie ein Seelenverwandter.

Mochi spürte, was er spürte.

Er hatte seine ganz eigene Art, Gefühle auszudrücken, da Besen selbstverständlich nicht reden, dennoch eine mächtige telepathische Verbindung mit ihrem Besitzer eingehen konnten.

Und doch wünschte sich Jimin manchmal, dass er mit Mochi so reden konnte, wie er es mit Taehyung und Suga tat...wie mit einem richtigen Menschen eben.

In letzter Zeit hatte er sich oft vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn Mochi ein richtiger Mensch sein konnte...

So etwas Ähnliches hatte Jimin mal in einem japanischen Anime gesehen, den sich Sugas Bruder Jungkook angeguckt hatte - es ging dort um eine mutige Kriegerin, deren Axt sich in einen Menschen verwandeln und mit dem sie ganz normal kommunizieren konnte.

In der Hexenwelt existierten nur wenige Zauberformeln, die dieses Thema behandelten, doch da Jimin sehr experimentierfreudig war, wollte er es unbedingt ausprobieren.

Am liebsten jetzt sofort.

Seine Prüfungsunterlagen landeten sogleich in der Ecke, während Jimin sich kurzerhand das oberste Zauberbuch vom Stapel auf Taehyungs Bett griff und eifrig darin herum blätterte.

Die Rubrik zu Verwandlungszaubern umfasste, wie man leblose Objekte oder auch Menschen in Tiere verwandelte, letzteres hatte Jimin sehr häufig angewandt.

Wie man letztendlich leblose Objekte in Menschen verwandeln konnte, dazu gab es nur einen kurzen Eintrag ganz am Ende der Rubrik:

FÜR NÄHERE INFORMATIONEN BAND ZWEI ZU RATE ZIEHEN. BENUTZUNG AUF EIGENE GEFAHR!

Dies spornte die junge Hexe nur noch mehr an, tat wie ihm geheißen und fand nach wenigen Minuten die richtige Formel.

"Um einen Verwandlungszauber dieser höchst seltenen Art durchzuführen, gebe dem zu verhexenden Objekt einen Tropfen deines Blutes und spreche folgende Worte:

Hexensud und Warzenschwein,
ein echter Mensch sollst du jetzt sein.

Auf zwei Beinen sollst du laufen,
dich nun gerne auch mal raufen.

Zwei Aug' und Ohren geb ich dir,
sieh die Welt wie du mit mir.

Auf deinen Schultern sitzt ein Kopf,
ohne den du wärst ein armer Tropf.

Und solltest du mal kopflos sein,
bring ich ihn stets für dich heim.

Solltest lachen, solltest grämen,
solltest dich bloß niemals schämen.

Trägst dein Herz am rechten Fleck,
bist du stets auch immer keck.

Hiermit gebe ich mein Blut,
auf dass der Zauber Wirkung tut!

Hinweis: NACH 24 STUNDEN NICHT ERNEUT VERSUCHEN, ZU VIEL BLUTVERLUST KANN EXTREME NEBENWIRKUNGEN HERVORRUFEN(SIEHE UNTEN). DURCHFÜHRUNG DES ZAUBERS AUF EIGENE GEFAHR!"

Jimin ließ das Buch sinken und überlegte nicht lange, schnitt sich mit einem kleinen Dolch in den Finger.

Danach holte er Mochi und legte ihn auf den hölzernen Boden des Zimmers, presste seinen verletzten Finger auf den Stiel.

In dem Moment, wo sein Finger Mochi berührte, fühlte die junge Hexe die Magie tief in seinem Körper.

Sie war ein Teil von ihm, dazu bestimmt, ihn zu leiten, zu führen und ihn nie vom rechten Weg abzubringen.

Magie konnte aber auch süchtig machen, ihn Stück für Stück verschlingen, bis nichts mehr von ihm übrig sein würde.

Selbst die erfahrenste Manyeo war vor den Tücken der Magie nicht gefeit...

Jimin holte tief Luft, schloss konzentriert die Augen und sprach die Zauberformel, während sich ein winziges Lächeln der Vorfreude auf seinem Gesicht breit machte.

Wie würde Mochi als Mensch wohl aussehen?

Die Antwort wurde ihm im selben Moment klar, als ein grelles, überirdisches Leuchten den Raum erfüllte und der Besen in die Luft gehoben wurde.

Mit weit aufgerissenen Augen sah Jimin zu, wie sein Gefährte sich verwandelte und zu einem richtigen Menschen wurde - doch seine Freude schlug schlagartig in schiere Überraschung um.

Denn dort auf dem Boden hockte doch tatsächlich er selbst und blinzelte ihn verwirrt an!

















Witch Hunt - Die Prüfung ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt