69: Kuns Geschichte

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"Du musst wissen, dass ich nicht immer ein Vampir war!", murmelte Kun und beobachtete sehnsüchtig seine schlafenden Freunde.

Kurz nachdem die gleißende Sonne am Horizont erschienen war, hatten sich Lucas, Hendery, Xiaojun, WinWin und Ten in ihre abgedunkelten Schlafräume zurück gezogen und hingen nun als Fledermäuse von der Decke.

Um Punkt Mitternacht hatte Lucas dann doch der Blutrausch gepackt und er hatte den nächsten Obdachlosen zur Strecke gebracht, der es wagte, in ihr Domizil einzudringen.

Hendery hatte den Mann zwar geheilt und zur Sicherheit hypnotisiert, doch die Seouler Polizei würde diesen Fall ebenfalls akribisch untersuchen.

Natürlich würden sie niemals dahinter kommen, dass sich direkt unter ihren ahnungslosen Füßen eine ganze Meute Vampire eingenistet hatte und wenn doch, mussten sich Kun und seine Gefährten ein anderes Versteck suchen - notfalls in einem leerstehenden Haus.

Blutrausch, so nannte man das Verlangen der Vampire, den köstlichen Lebenssaft ihrer wehrlosen Opfer auszusaugen und sie danach meistens wie ein Stück Dreck in den nächsten Mülleimer zu entsorgen.

Wenn ein Vampir im Blutrausch war, glich er einem tollwütigen Raubtier und konnte sich oft nicht besänftigen lassen, bevor er endlich Blut gekostet hatte.

Vor allem bei den Wandlern, wie Lucas einer war, ließ sich der Blutrausch nur schwer kontrollieren, während die Mahre nur dann tranken, wenn sie beinahe dem Tode nah waren.

Hendery, Xiaojun, WinWin und Ten mussten den Kleinen oft zu viert festhalten, sonst griff er womöglich noch einen von ihnen an.

Jetzt döste Lucas friedlich vor sich hin, wedelte hin und wieder mit den Flügeln, um sich kühl zu halten.

Kun seufzte und fuhr mit seiner Erzählung fort, ein schmerzlicher Ausdruck trat in seine Augen.

"Ich war einst ein Mensch, so wie du, Yangyang...ich bin in der Hexenwelt aufgewachsen und wollte unbedingt auf die Manyeo Academy, um dort eine von ihnen zu werden. Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, wie es wohl wäre, ein Magisches Handwerk zu lernen oder auf einem Besen zu fliegen. Doch ich wurde von dem damaligen Leiter der Akademie nicht für die Aufnahmeprüfung zugelassen, da ich kein reines Hexenblut besaß und ich deshalb nicht würdig sei, in ihre Kreise einzutreten."

"Das hat mich so gekränkt, dass ich von zuhause weg gelaufen und in die Wälder geflüchtet bin. Meine Eltern hatten enorme Hoffnungen in mich gesteckt, dass ich die Aufnahmeprüfung bestanden hatte, doch so konnte ich ihnen nie mehr unter die Augen treten. Also lief und lief ich durch die Wälder, suchte mir Schutz vor Regengüssen und sammelte Früchte, um nicht noch verhungern zu müssen. Eines Tages fand mich ein älterer Mann, der später mein Großvater sein sollte, und nahm mich mit in seine Hütte, wo ich es angenehm warm und genug zu Essen hatte. Ich ahnte ja nicht, was dieser Mann mit mir anstellen wollte."

Kun machte eine Pause, sprach mit belegter Stimme weiter:

"Eines Nachts spürte ich, wie sich der Alte über mich beugte. Ich bekam Todesangst, allein Gott wusste, was er da tat. Er betäubte mich und trank mein Blut, sagte mir, dass er seit langem einen Spender suchen würde und nun endlich einen gefunden hatte - mich. Und nun würde ich einer von seiner Art werden, den Vampiren."

"Als ich 24 Stunden später wieder erwachte, hatte der Alte mir meine Erinnerung an jene Nacht genommen und mich in der Welt hinter dem Schleier ausgesetzt. Ich merkte schnell, dass mit mir etwas nicht stimmte und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, dass ich nun eine blutsaugende Kreatur war. Zuerst konnte ich den Namen Gottes nicht mehr aussprechen oder Sonnenlicht brannte fürchterlich auf meiner blassen Haut. Normales Essen wie Pizza oder Kimchi schmeckten mir nicht mehr, wirkten viel zu fade. Stattdessen trank ich nun Blut - und es schmeckte hervorragend, obwohl ich das allererste Mal alles ausspucken musste. Es war, wie der Alte gesagt hatte - Du bist verdammt, mein Junge. Entweder du akzeptierst dein Schicksal oder du stirbst, ehe die Sonne am Himmel erscheint."

"Irgendwann fand ich mich damit ab, dass ich wohl nie mehr ein normales Leben führen konnte und schloss mich Lucas und dem Rest an. Damals haben sie noch in einer verlassenen Villa gehaust, aber die wurde noch am selben Tag meiner Ankunft dort von Vampirjägern nieder gebrannt. Wir flohen in den Untergrund und richteten uns in diesem Zug ein, hofften, dass uns niemand hier unten finden würde."

"Hendery brachte mir bei, wie man Menschen hypnotisierte oder nach einem Biss heilen konnte, ohne dass sie große Schmerzen verspürten. Denn Menschen, die von Vampiren gebissen werden, verwandeln sich nicht sofort, sondern haben ein Zeitfenster von 30 Minuten, um das Gift aus unseren Zähnen wirken zu lassen. In dieser Zeit müssen wir sie hypnotisieren und den Biss versiegeln, damit ihnen nicht dasselbe widerfährt."

Kuns Kehle war wie ausgetrocknet, er musste unbedingt etwas trinken.

Er durchquerte die Küche und ging zu einer kleinen Minibar, in der eine Flasche mit einer dunkelroten Flüssigkeit stand - Yangyang schluckte.

"Das ist Rinderblut!", murmelte Kun und deutete auf die Flasche, merkte Yangyangs verstörte Miene.

"Wie gesagt, ich will und werde niemals Menschenblut trinken - und wenn, soll mich das Sonnenlicht durchbohren!"

Während Kun den Inhalt der Flasche gierig hinunter kippte, kämpfte der Student erneut mit den Tränen.

Wie es sich wohl anfühlte, verdammt zu sein?

Und obwohl Kun mittlerweile damit fertig geworden war, hätte ihm Yangyang nie so ein grausames Schicksal gewünscht.

Witch Hunt - Die Prüfung ✔Donde viven las historias. Descúbrelo ahora