16. "Gegensätze ziehen sich an"

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P.o.V.: Louis

Donnerstag und Freitag verging schleppend.

Früher, als ich noch etwas jünger war und meine Familie und ich auf dem Weg in den Urlaub waren, meinte meine Mutter immer zu mir, dass es nur so lange dauert, weil ich aufgeregt und glücklich bin. Sobald wir wieder auf dem Heimweg waren verging es direkt dreimal so schnell, was nach ihren Aussagen wiederum daran lag, dass ich nichts hatte, worauf ich mich freuen konnte.

So ist das öfter. Beispielsweise vergingen die Tage vor Weihnachten und meinem Geburtstag immer besonders langsam und manchmal fragte ich mich, ob die Tage vor etwas besonderem nicht doch mehr als 24 Stunden hatten. 

Genau so war es auch mit Donnerstag und Freitag. 

Jeden der beiden Tage vor der ersten Stunde freute ich mich darauf, dass ich wieder ein Bild in meinem Spint finden werde. 

Jeden der beiden Tage nach der Pause freute ich mich darauf, dass ich wieder ein Bild in meinem Spint finden werde. 

Jeden der beiden Tage nach der letzten Unterrichtsstunde freute ich mich darauf, dass ich wieder ein Bild in meinem Spint finden werde.

Doch es gab kein neues Bild. Es gab noch nicht mal eine neue Nachricht. Weder Donnerstag, noch Freitag.

Ich wusste nicht, wieso es mich doch so sehr mitnahm, dass ich kein Bild mehr bekam, selbst wenn ich bisher gerade mal zwei an meiner Wand hängen hatte.

Ich hatte sogar versucht herauszufinden, wer es sein konnte, doch wie das Schicksal es so wollte, gab es nicht mal ein Mädchen in meiner Klasse, die grüne Augen hatte. Ja, ich habe es in den letzten beiden Tagen wirklich geschafft mit jedem Mädchen aus meiner Klasse - das waren übrigens zwölf Stück - zu reden, selbst wenn es nur ganz kurz, extrem belanglos oder völlig sinnfrei war. Grüne Augen sind einfach keine Häufigkeit und nichts im Vergleich zu blauen oder braunen Augen. 

Man könnte jetzt sagen; Louis, dann geh doch einfach in die Parallelkasse und mach das gleiche mit den Mädchen dort. 

Meine Antwort darauf ist allerdings ein klares Nein. Ich wüsste nicht, wieso es eine aus der Parallelklasse sein sollte, weil ich als Fußballer nur mit den Jungs Kontakt hatte und das auch nur jeden Dienstag und Donnerstag. Mehr nicht. Wie sollte dann bitte eine der Mädchen aus der anderen Klasse so weit kommen, dass sie Gefühle für mich entwickelt, wenn wir uns eigentlich nicht mal kannten und vielleicht höchstens mal kurz im Gang aneinander vorbei liefen?

Ich schlussfolgerte daraus, dass es einfach nichts zu bedeuten hatte, dass es kein Mädchen mit grünen Augen gibt, die an mir interessiert war und sich irgendjemand anderes einen Spaß an mir erlaubt hat. 

So weh es auch tat zuzugeben, ich war wirklich gespannt darauf diese Person mal kennenzulernen und vielleicht könnte man sogar sagen, dass ich in den wenigen Tagen etwas wie Gefühle für eine mir unbekannte - nicht existierende - Person entwickelt habe. 

Um so mehr enttäuschte es mich, als ich am Freitag nach der Schule doch die beiden Bilder von meiner Wand abnahm und unter meinem Schreibtisch in einer Schublade verstaute. Was brachten sie mir denn noch? Es war alles ohne Bedeutung. 

Trotzdem wollte ich sie nicht wegschmeißen.

Natürlich behielt ich alle meine Gefühle für mich. Andere würden mich auslachen, wenn sie wüssten, dass ich tatsächlich einen kleinen Crush auf die geheime Person hatte. Aber was konnte ich dafür? Es war das erste mal, dass ich dachte, dass jemand wirklich an mir interessiert war. Vielleicht bin ich ein Spätzünder - oder einfach nur krank -, aber es ist im Endeffekt wirklich mein erstes Mal und dementsprechend kochten meine Gefühle wahrscheinlich sogar zurecht über.

[✅] Summer '09 || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt