45. Lebenselixier Tee?

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Die nächsten Tage verliefen ohne große Ereignisse. Ruby und ich hatten beschlossen die Eindrücke, die die anderen von unserer Welt erhalten hatten, erst sacken zu lassen, weshalb wir uns heute lediglich Levi schnappten und mit ihm Einkaufen fuhren. Der verstand das ja mal so gar nicht, immerhin hatte er sechs Rekruten und eine Verrückte dabei zu beaufsichtigen, ob sie meinen Garten auch ja gründlich jäteten. Mal ernsthaft, sie hatten schon vor zwei Tagen angefangen und waren fast fertig, während Ruby Connie vormittags immer abzog, um mit ihm Englisch zu lernen und Ruby und ich nachmittags immer etwas spielten. Wir weigerten uns nämlich vehement da mitzumachen, weil uns das „Unkraut", das hauptsächlich aus Löwenzahn bestand, was man einfach abmähen konnte, auch nicht störte. Und so gehörten wir mehr dem Teil „Team" in dem Wort „Teamwork" an.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Unter mehr oder weniger viel Protest schafften wir es Levi irgendwie ins Auto zu verfrachten, was alle anderen äußerst unfair fanden, da sie immerhin weiterarbeiten mussten, und in die Nachbarstadt zu fahren. Als ich nicht wie eigentlich erwartet zum nächstgelegenen Supermarkt fuhr, sondern stur der Hauptstraße folgte, fragte Levi grummelig: „Wo zum Teufel bringt ihr mich hin?" Natürlich merkte er sich den Weg. Was auch sonst. „Das was du möchtest, gibt's nicht bei uns, wir müssen dafür in die nächste Stadt", erklärte Ruby und ließ es so klingen als würden wir nur wegen ihm jetzt einen längeren Weg zurücklegen müssen ... was ja auch eigentlich stimmte. Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue, sagte aber nichts mehr dazu. Meine Güte, er sollte sich nicht so anstellen. Er war sieben von neun Kindern los und hatte eine ganze Rückbank für sich alleine. Noch dazu saß er hinter mir und hatte damit beinahe Beinfreiheit, weil ich beim Autofahren den Fahrersitz immer sehr weit nach vorne schob. Also gab's doch nichts zu meckern, oder?!

Zwanzig Minuten nach Abfahrt suchte ich in der Dreißigerzone, der Innenstadt einen Parkplatz und löste ein Parkticket für eine Stunde. Ich hoffte, einmal, dass wir in einer Stunde fertig waren, sonst musste ich entweder den Parkautomaten noch einmal füttern oder ich würde  in der Zwischenzeit einkaufen gehen.

Ruby und ich vorneweg folgte uns Levi in die Fußgängerzone zu einem kleinen Laden in einer Seitenstraße des Hauptplatzes, aus dem eine angenehm intensive Duftmischung kam. Als wäre es eine große Geburtstagsüberraschung deuteten wir mit einem „TADA!" auf das Geschäft. Mit verschränkten Armen und hochgezogener Augenbraue – unfassbar, dass die da wirklich noch nicht festgewachsen war – fragte der Schwarzhaarige: „Was soll das sein?" Er machte es einem aber echt nicht leicht. Entmutigt seufzend erklärte Ruby: „Das was du brauchst, wenn du dich nicht mehr über unseren Tee beschweren willst." Unverständnis schimmerte in den grauen Iriden und ich schlug mir die Hand auf die Stirn. Ich hatte erwartet, dass er weniger Begriffsstutzig war. „Ein Teeladen, Levi. Ein ... Teeladen", präzisierte ich genervt, ehe wir ihn hineinschoben.

Der Laden erinnerte von Innen ein bisschen an eine Apotheke oder eine alte Drogerie und gleichzeitig sah er aus wie eine kleine Bibliothek. Es gab viele abgepackte Tees und Teemischungen, allerdings konnte man sich auch die Tees frisch abpacken lassen und wie bei einer Wursttheke sagen Ich möchte davon so und so viel und davon etwas weniger... und so weiter und sofort. Freundlich wurden wir von der Verkäuferin, eine Dame mit leicht ergrautem Haar, begrüßt: „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" Wir schoben Levi in Richtung der netten Verkäuferin und ich meinte halb zum Hauptgefreiten und halb zur Verkäuferin: „Wir sehen uns ein bisschen um", und damit verschwanden wir in den hinteren Teil des Ladens. Ganz leise ließ ich vor einem Regal mit Kräutertees verlauten: „Ich bin so froh, wenn er sich nicht mehr beschwert und meint, dass man das doch nicht Tee nennen kann." Kichernd nickte Ruby und öffnete ein Döschen mit Gewürzen aus einem Regal an der Wand und roch daran. „Mh, Zimt." Mein Kopf rauschte in ihre Richtung und ich befehligte: „Nimm's mit. Zimt ist immer gut." Nach einem leicht irritierten Blick behielt sie das Döschen schließlich schulterzuckend in der Hand.

Nach einer halben Stunde hatten wir die Regale schon so lange angestarrt und inspiziert, dass ich das Gefühl hatte, die Tees darin der Reihe nach aus dem Stegreif aufzusagen zu können, weshalb wir beschlossen zu schauen, ob Levi fertig war. Wir gingen also in den vorderen Teil des Ladens zurück und entdeckten Levi selig lächelnd vor einem Regal mit Schwarztee stehen und sich von der Verkäuferin die verschiedenen Aromen erläutern.

Ach du Schande, ich kannte ja die Memes und fand sein Lächeln wirklich klasse – er sollte es definitiv öfter tun -, aber im echten Leben war es doch etwas verstörend. Haltsuchend tastete ich nach Rubys Hand, die schließlich zu mir fand und gleich Ruby hinten nachzog, die sich nun ebenso verstört an meinem Arm festklammerte. Leise, um die Aufmerksamkeit nicht auf uns zu lenken, sagte ich: „Weißt du noch den einen Kräutertee? Den mit den Weißteeblättern? Ich glaube, ich möchte den jetzt doch haben." Klammheimlich steuerten wir rückwärts wieder den hinteren Teil an. Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, verbrachten wir schließlich eine weitere Viertelstunde Hinten.

Als wir dann wieder nach vorne gingen, lugten wir zur Sicherheit erst um die Ecke, um nicht wieder überrascht zu werden, doch uns empfing der üblich neutrale Gesichtsausdruck. Nur diesmal beinahe verdeckt von Teepäckchen und -dosen. Ich hob meine Hand und fing an: „Levi, bist du sicher, dass du das a-..." Ich kam nicht einmal einen Schritt näher, da knurrte er wie eine Bärenmutter: „Fingernweg. Ich brauche das." ... Äääääääähhhhhh ... Meep. Händehebend entschuldigte ich mich, bezahlte Tees und Zimt und wir gingen zurück zum Auto, um zum Supermarktzu fahren und die eigentlichen Einkäufe zu erledigen. Levi sah dabei recht ...hm, wie soll ich sagen ... zufrieden aus. Zwar hatte er seinen üblichen Gesichtsausdruck auf, aber er strahlte trotzdem so etwas wie Zufriedenheit aus.

Attack on Titan becomes reality 2 - Willkommen in der RealitätWhere stories live. Discover now