Kapitel 7

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"Hier schlafe ich?" frage ich mit leiser Stimme nach. Die Kajüte vor mir ist winzig. Zu beiden Seiten sind Betten in die Wände eingelassen und die Decke hängt tief. Alle Betten sehen so aus als wäre gerade jemand daraus aufgestanden.

Hier unten ist es dunkel und riecht so muffig, dass ich versuche nur durch den Mund zu atmen.

"Du kannst auch wieder draußen am Mast schlafen, wenn das der Prinzessin lieber ist." erwidert Jesper spöttisch. Er steht gebückt hinter mir und schaut grimmig. "Nein, nein. Alles gut." versichere ich schnell, obwohl es alles andere als gut ist.

"Welches ist meins?" "Das da." Er deutet auf eins der höher liegenden. Decke und Kopfkissen liegen so zerwühlt auf der Matratze das es aussieht als hätte eine Horde Eichhörnchen darin genistet.

"Wo schläft derjenige dem das gehört?" unsicher schaue ich zu Jesper. Wenn er mir jetzt sagt das ich mir das Bett mit einem Mann teilen muss, werde ich wirklich draußen schlafen.

"Das braucht dich nicht zu kümmern." Ich nicke und schaue weiter auf das Bett hinauf. Ich werde diese Nacht kein Auge zumachen. Ich habe noch nie in meinem Leben mit mehr als einen Mann in einem Raum geschlafen und der eine Mann war damals noch mein Verlobter. Wenn Lady Balmore das hier sehen würde, sie würde glatt in Ohnmacht fallen.

Nicht auszudenken, was hier alles passieren könnte. Eine Frau allein mit mindestens 3 Männern allein. Bei dem Gedanken entweicht mir alles Blut aus dem Gesicht.

"Wo schläfst du?" frage ich daher Jesper. Er hebt den Kopf, soweit es ihm möglich ist und schaut mich lange an. Er muss meine Erschrockenheit sehen, denn statt eines blöden Kommentars kommt eine ehrliche Antwort. "Den Gang entlang, letzte Tür rechts." Irgendwie beruhigt mich die Information ungemein, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er mir im Notfall helfen würde.

"Geh schlafen." sagt er grimmig und will sich zurückziehen. Doch bevor er zur Tür verschwindet, bleibt er nochmal stehen und dreht sich um.

"Solltest du auf die hirnrissige Idee kommen irgendwas Dummes anzustellen, lernst du schneller den Meeresgrund kennen als das du Hilfe schreien kannst. Haben wir uns verstanden?" Ernst sieht er mich an.

Wie wild nicke ich. "Ja." "Gut." Er nickt einmal, dann verschwindet er durch die Tür nach draußen.

Zurück bleibe ich. Allein in der kleinen und viel zu engen Kajüte.

Müde stemme ich mich auf das zweite Bett hoch und lege mich hin. Es schaukelt, aber das macht mir nichts aus. Die Matratze ist durchgelegen und die Decke ist nur ein dünnes Lacken.

Meine Brust zieht sich zusammen und ich kämpfe gegen die Tränen.

Ich könnte auch um diese Zeit neben meinen Ehemann liegen. Das hier ist besser. So viel besser. Ich bin weit weg von meinem Mann, weit weg von seinen ekligen Händen, weit weg von seinen fliegenden Fäusten und seiner lauten Stimme. Ich bin so weit in Sicherheit wie es eben nur geht. Obwohl mich hier in Sicherheit zu wissen, wäre durchaus naiv.

Trotzdem verspüre ich eine gewisse Leichte, wenn ich daran denke, wo ich wäre, wenn ich nie verschwunden wäre. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde es schaffen, von diesem Schiff und diesen Männern weg zu kommen und irgendwo in einem fremden Land ein neues Leben mir aufzubauen. Ich schaffe das. Ich brauche keinen Ehemann, der für mich sorgt.

Als die Tür der Kajüte aufgeht erschrecke ich mich so sehr, dass ich zusammenzucke und mir den Kopf anhaue. So ein Mist.

"Rosalie?" Bei der bekannten Stimme strecke ich den Kopf aus dem Bett seitlich raus. Sebastian steht in der Tür und schaut sich suchend um. Als er mich findet leuchten seine Augen kurz auf, bevor er zu mir tritt.

"Hier also hat er dich untergebracht." Ich antworte nicht, denn ich wüsste sowieso nicht was. "Mein Bett ist das direkt neben deinem." "Das freut mich." Das tut es wirklich. Sebastian ist einer der wenigen hier auf dem Schiff denen ich ansatzweise Vertrauen schenke. Seb lächelt mich an.

"Aber da hier noch zwei andere Männer schlafen werden und die Tür nicht abgeschlossen sein wird, möchte ich dir etwas im Vertrauen geben." Geheimnisvoll schaut er zu mir. "Und was?" frage ich unsicher bin aber sofort hellwach.

Seb wirft einen prüfenden Blick Richtung Tür, bevor er seine Hand in seine Hosentasche gleiten lässt und etwas herauszieht. "Ich möchte das du, dass du unter dein Kopfkissen legst. Ich vertraue meinen Männern, deshalb ist nur für den Notfall. Natürlich solltest du im Notfall erstmal ganz laut schreien, aber ich habe ein besseres Gefühl, wenn du auch das hier bei dir trägst."

Er hält mir ein spitzes kleines Messer hin. Mit großen Augen schaue ich zu ihm hin. "Bitte." sagt er als ich keine Anstalten mache das Messer entgegenzunehmen. "Aber...es wird doch..." Ich stottere.

"Nur für den Notfall, Rose. Bitte. Aber auch schreien und nicht gleich blind zu stechen. Kapiert?" Ungefragt nimmt er meine Hand und legt das Messer hinein. "Ich könnte dich damit umbringen." sage ich und bin mir nicht sicher, ob er das auch mit Jesper abgestimmt hat. Bestimmt nicht.

Seb fängt an zu lachen. "Oh, süße, kleine Rose. Du hast recht, mit dem Messer könnte man jemanden umbringen, wenn man viel Kraft hat und die richtige Stelle trifft. Aber ich habe so viel Vertrauen in dich, das ich glaube, dass du mich so viel magst, um mich nicht umzubringen." Er zwinkert bei seinen letzten Satz mir zu.

"So und jetzt Schlaf gut, Rosalie." Er tätschelt mir die Wange und schon ist er aus dem Raum verschwunden. Verdattert bleibe ich mit dem Messer in der Hand zurück. 

Kiss of RoseWhere stories live. Discover now