Eine bedeutende Vision

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Als Arthur uns am nächsten Morgen weckte hatten wir nur wenige Stunden geschlafen. Müde rappelte ich mich auf und sah erleichtert, dass George die Nacht bei mir geschlafen hatte. Für einen Moment hatte ich mich so weit weg von ihm gefühlt. Der Schmerz der mit der Kluft kam hatte mir die Luft zum atmen geraubt. Ich war nicht mehr alleine. Alle Menschen an meiner Seite sorgten sich nur. Ich durfte sie nicht immer ausschließen. Das musste ich lernen.
Die Zelte verpackten sich an diesem Morgen von allein. Ich war mir sicher Arthur hatte sie verzaubert damit es schneller ging. Als alles verstaut war nahm Bill mich erneut auf seinen Rücken und so verließen wir eiligen Schrittes den Zeltplatz. Mr Roberts stand am Tor bei seinem Haus. Er sah uns mit einem seltsamen, leicht abwesenden Blick an.
„Fröhliche Weihnachten", nuschelte er zum Abschied. Besorgt sah ich zu ihm.
„Er wird schon wieder", flüsterte Arthur mir gedämpft zu während wir über das Moor gingen. „Bei solchen Gedächtnisveränderungen kommt es manchmal vor, dass die Leute für kurze Zeit etwas verwirrt sind... und diesmal war es sicher ein schweres Stück Arbeit, bei dem, was er erlebt hat."
„Aber er wird wieder völlig normal?", fragte ich zweifelnd.
„Mach dir keine Sorgen um ihn", antwortete er und lächelte leicht.
Schon von weitem hörten wir hektisches Stimmengewirr, und als wir zu der Stelle kamen, wo die Portschlüssel lagen, sahen wir eine große Schar Hexen und Zauberer, die Basil, den Hüter der Portschlüssel, bedrängten und lautstark den nächstmöglichen Transport verlangten. Arthur sprach ein paar eindringliche Worte mit Basil, dann reihten wir uns in die Schlange ein und erwischten tatsächlich noch vor Sonnenaufgang einen alten Gummireifen zurück zum Wieselkopf. In der Morgendämmerung wanderten wir zum Fuchsbau zurück, recht schweigsam, denn wir alle waren erschöpft und dachten sehnsüchtig an das Frühstück. Als wir um eine Biegung gingen und der Fuchsbau in Sicht kam, hallte uns auf dem feuchten Weg ein Schrei entgegen.
„Oh, Gott sei Dank, Gott sei Dank!"
Molly, die offensichtlich vor dem Haus auf uns gewartet hatte, kam, die Pantoffeln noch an den Füßen, auf uns zugerannt, mit bleichem, angespanntem Gesicht und einem zusammengeknüllten Tagespropheten in der Hand. „Arthur! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!"
Sie warf Arthur die Arme um den Hals und der Tagesprophet fiel aus ihrer erschlafften Hand.
„Ihr seid alle wohlauf", murmelte Molly ein wenig abwesend, ließ Arthur los und sah uns mit geröteten Augen an, „ihr lebt noch... o meine Jungs..."
Und zur Überraschung aller zog sie Fred und George an sich und umarmte sie so heftig, dass ihre Köpfe gegeneinander schlugen.
„Autsch! Mum – du erwürgst uns noch!"
„Ich hab mit euch geschimpft, bevor ihr fort seid!", sagte Molly und begann zu schluchzen. „Daran musste ich die ganze Zeit denken! Was wäre gewesen, wenn Du-weißt- schon-wer euch gekriegt hätte, und das Letzte, was ich euch gesagt hätte, wäre gewesen, dass ihr nicht genug ZAGs ge- schafft habt? O Fred ... o George..."
„Es geht uns doch allen gut", sagte ich beschwichtigend. Besorgt sah sie zu mir doch bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte winkte ich ab.
„Ich hab mir nur den Knöchel gebrochen als ich über eine Wurzel gestolpert bin."
George warf mir einen Blick zu. Bittend sah ich zu ihm. In wenigen Tagen würden wir in Hogwarts sein. Dort war ich sicher. Außerdem würde Arthur es ihr bestimmt nachher sowieso sagen.
„Lass mich mal sehen Liebes", sagte Molly, zog ihren Zauberstab aus der Tasche des Bademantels und kam zu uns. Vorsichtig nahm sie meinen Fuß in die Hand. Ich zischte auf.
„Ja, der ist gebrochen", sagte sie ernst. Sie hielt die Spitze ihres Zauberstabs an den Knöchel und murmelte ein paar Wörter. Wärme breitete sich in meinem ganzen Fuß aus, von der Stelle die Molly berührt hatte bis zu den Zehenspitzen und es war mir als würde diese Wärme den Schmerz mit sich nehmen. Vorsichtig bewegte ich den Fuß und grinste breit als der Schmerz, auf den ich mich eingestellt hatte, nicht eintrat. Bill kniete sich hin und ich rutschte von seinem Rücken runter.
„Danke Molly", sagte ich lächelnd. Abwesend nickte sie und scheuchte alles zurück ins Haus als wären wir nur dort in Sicherheit.
„Bill", sagte Arthur in gedämpftem Ton, „heb doch bitte die Zeitung auf, mal sehen, was sie schreiben."
Schließlich saßen wir alle eng aneinander gedrängt in der kleinen Küche. Hermine kochte Molly eine Tasse sehr starken Tee, in die Arthur unbedingt noch einen Schuss Ogdens Alten Feuerwhisky kippen wollte.
„Sagst du es ihr?"
Ich zuckte zusammen und sah auf. George hatte sich hinter mich gestellt und mir leise ins Ohr geflüstert. Er setzte sich neben mich und sah mich abwartend an.
„Sollte ich?", fragte ich ihn. Nachdenklich sah George zu Molly die immer noch leicht neben der Spur zu sein schien.
„Vielleicht sollten wir damit noch warten?", schlug er vor. Ich nickte.
„Das dachte ich auch. In Hogwarts werde ich sicher sein. Voldemort ist nicht so dumm Dumbledore und Hogwarts herauszufordern. Wenn ich dort bin muss Molly sich wenigstens keine Sorgen um mich machen."
„Mrs Weasley", warf Harry vorsichtig in die Runde, „Hedwig ist nicht zufällig mit einem Brief für mich gekommen?"
George und ich sahen zu ihm hinüber. Ob er auf einen Brief von Sirius wartete?
„Hedwig, mein Lieber?", fragte Molly zerstreut. „Nein... nein, es ist überhaupt keine Post gekommen."
Ich sah, dass Ron und Hermine Harry ebenso neugierige Blicke zuwarfen. Er warf beiden einen viel sagenden Blick zu.
„Was dagegen, wenn ich nach oben gehe und mein Zeug bei dir abstelle, Ron?"
„Ahm ... ich glaub, ich geh mit", antwortete Ron sofort. „Hermine?"
„Ja", sagte sie rasch und stand auf. Ich warf den Zwillingen einen Blick zu und wir standen ebenfalls auf.
„Wir kommen auch mit", sagte ich und deutete auf unsere Taschen. „Dann können wir auch direkt auspacken."
Molly nickte und so marschierten wir aus der Küche und die Treppe hoch zu Rons Zimmer.
„Was ist los, Harry?", fragte Ron, kaum hatten wir die Tür zur Dachkammer hinter sich geschlossen. Er, Harry und Hermine hatten es sich auf Rons Bett gemütlich gemacht während Fred, George und ich uns seine Kissen schnappten und es uns auf dem Boden bequem machten.
„Da ist noch etwas, das ich euch nicht erzählt habe", antwortete Harry. „Als ich am Samstagmorgen aufgewacht bin, tat meine Narbe wieder weh."
Hermine stockte der Atem und sie begann Harry sofort Ratschläge zu erteilen, nannte das eine oder andere Grundlagenwerk und die verschiedensten Namen, von Albus Dumbledore bis zu Madam Pomfrey, der Krankenschwester von Hogwarts. Ich stoppte in meinem Tun und warf Harry einen besorgten Blick zu. Ron hingegen schien einfach der Schlag getroffen zu haben.
„Aber – er war doch nicht da, oder? Du-weißt-schon-wer? Ich meine – letztes Mal, als deine Narbe wehtat, war er doch in Hogwarts, oder?"
„Ich bin sicher, dass er nicht im Ligusterweg war", antwortete Harry. „Aber ich hab von ihm geträumt... und von Peter... ihr wisst schon, Wurmschwanz. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, aber sie haben sich verschworen... jemanden zu töten."
„Es war doch bloß ein Traum", sagte Ron aufmunternd. „Nur ein Albtraum."
Das Kissen, das ich eben noch in der Hand gehalten halte lag am Boden als ich realisierte was Harry da grade gesagt hatte. 
„Es war kein Albtraum", hauchte ich. „Ich habe es auch gesehen... in der selben Nacht. Ich wusste nicht, ob es ein Albtraum oder..."
Ich stockte. Ron und Hermine wussten noch immer nichts von der Gabe. Ich wusste nicht warum ich es ihnen immer noch nicht gesagt hatte. Ob jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt war? Doch noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte beendete Harry meinen Satz:
„Oder eine Vision?"
Seufzend nickte ich, mir der verwirrten Blicke von Ron und Hermine deutlich bewusst.
„Aber du kannst es doch erkennen wenn du reist?", fragte Harry verwundert.
„Normalerweise ja", murmelte ich, „aber diesmal war es irgendwie anders. „Durch das Training mit Ava habe ich eine dauerhafte Wand um meinen Geist erschaffen können. Ich hätte es spüren müssen als es durchgebrochen ist, hätte Schmerzen haben müssen. Außerdem benötigt es sehr viel magische Kraft zu einem unbekannten Zeitpunkt und einem völlig unbekannten Ort zu reisen ohne einen einzigen Anhaltspunkt. Ich hätte zumindest erschöpft sein sollen."
„Dennoch hast du nicht geglaubt, dass es ein Albtraum war?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Es wirkte zu real für einen Traum. Ich denke es war eine Warnung."
Stille bereitete sich zwischen uns aus. Irgendwann hielten Ron und Hermine es nicht mehr aus.
„Was geht hier eigentlich vor sich?", fragten sie wie aus einem Mund. Ich zuckte zusammen und sah schuldbewusst zu Boden.
„Das ist etwas komplizierter", nuschelte ich.
„Du hast Visionen?", fragte Hermine sanft aber nicht ohne überraschten Unterton. „Du kannst in die Zukunft reisen?"
„Ganz so einfach ist das nicht", sagte ich und setzte mich im Schneidersitz zwischen Fred und George auf den Boden. Ich atmete ein letztes Mal tief ein und aus ehe ich erzählen begann was in den letzten Jahren wirklich alles passiert war.
„Daher wusstest du also über Tom Riddle Bescheid", warf Hermine ein als ich ihnen davon erzählte wie ich Tom in der Vergangenheit begegnet war und wie ich von Myrtes Schicksal erfahren hatte. Ich nickte.
„Da konnte ich es noch nicht richtig kontrollieren. Es dauerte bis ich bemerkte, dass ich nicht mehr in meiner Zeit war. Nur deswegen wusste Tom wer ich wirklich war", sagte ich. Als ich bei der Vision von Sirius ankam zuckten beide zusammen.
„Ich wusste, dass er nicht böses wollte, dass ihm unrecht widerfahren war. Nicht nur weil ich diese Visionen von ihm hatte. Als wir die Besen bekommen habe, habe ich versucht herauszufinden von wem sie kamen. Es war schwer und was ich sah war weniger deutlich wie sonst. Ich bin nicht einmal dorthin gereist, es waren nur undeutliche dunkle Bilder doch ich erkannte seine Animagus Gestalt. Deswegen gab ich den Besen McGonagall freiwillig zur Untersuchung ohne ihr von diesem Wissen zu erzählen."
Bei der nächsten Erinnerung musste ich grinsen und sah zu Harry.
„Der Abend als wir die Besen zurück bekamen.. da war er da und hat uns beim Training zugesehen."
Auch in Harrys Gesicht bereitete sich ein Grinsen aus und selbst Hermine und Ron lächelten leicht.
„Warum hast du uns all das nicht früher erzählt?", fragte Hermine als ich fertig war.
„Dieses Wissen ist höchst gefährlich, nicht nur für mich sondern auch für die die um dieses Geheimnis wissen. Voldemort plant seine Rückkehr. Der Angriff auf die Weltmeisterschaft war kein Zufall. Er wollte den Menschen zeigen, dass er immer noch da draußen ist und seine Kraft von Tag zu Tag wächst. Außerdem war das ganze eine geplante Entführung."
George horchte auf. Ich sah zu ihm. Aufmunternd nickte er.
„Die Todesser...", ich stockte und sah jedem von ihnen ins Gesicht. Ich konnte schon erahnen wie sie reagieren würden doch ich hatte es George versprochen und dies hier... das war meine Familie.
„Sie hatten den Auftrag mich zu entführen."
Harry, Ron und Hermine entgleisten ihre Gesichtszüge. Verwirrung, Unglauben, Schock.. all das las ich in ihren Gesichtern.
„Warum wollen die Todesser dich entführen?", fragte Hermine die ihre Stimme als erstes wiederfand.
„Als wir ihm im ersten Jahr gegenüberstanden fand er heraus zu was ich fähig war und, dass ich nur ein Jahr später bereits so weit in seine Vergangenheit reisen konnte, ohne Schaden zu nehmen, hat ihn beeindruckt", erklärte ich. „Er sagte ich sei zu wertvoll um getötet zu werden."
Ich sah zu Boden und fing an mit meinen Armbändern zu spielen. Das Ereignis vor dem ich mich so lange gefürchtet hatte fühlte sich plötzlich zum Greifen nahe an.
„Ich fürchte jetzt, da er seine Rückkehr plant, wird der Kampf um meine Seele beginnen."
Fred und George rückten noch näher an mich heran. Ihre Knie berührten die meinen und sie legten ihre Hände beruhigend auf meinen Rücken.
„Wir lassen nicht zu, dass er dir etwas tun", sagten sie ernst. Ron stand vom Bett auf und setzte sich vor mich. Ich sah zu ihm auf.
„Nun, ich muss zugeben das ganze ist ein großer Schock", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Dann nahm er meine rechte Hand und sah ebenso ernst zu mir wie die Zwillinge. „Lucy, du bist eine meiner besten Freunde und du gehörst ebenso zu meiner Familie wie meine Brüder. Du bist ebenso eine Schwester für mich wie es Ginny ist. Du bist vielleicht eine Potter vom Blut doch du und Harry, ihr seid auch Weasleys. Und Weasleys halten zusammen!"
Verblüfft sah ich zu Ron. Er wirkte nicht wie der Typ der solche Ansprachen hielt. Umso überraschter war ich.
„Wir werden dich beschützen", sagte auch Harry und setzte sich zwischen Ron und George.
„Genau", sagte Hermine, die sich zwischen Ron und Fred setzte und unseren Kreis damit schloss. „Wir lassen nicht zu, dass er dich bekommt!"

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #4 Where stories live. Discover now