Kapitel 1

371 13 5
                                    

- Isalie -

drei Monate zuvor

27. Juni... Hey, ähm ... mein Name ist Isalie. Isalie Jean Wood. Eigentlich bin ich ein ganz normales Mädchen, dessen Leben vor kurzem komplett auf den Kopf gestellt wurde. Der Tag war eigentlich ganz normal. Es mag nicht jeder Tag gut sein, aber es steckt etwas Gutes in jedem Tag. Okay, machen wir uns doch nichts vor. Der Tag war beschissen, genauso wie jeder andere Tag auch...

Ich seufzte. Aufgewühlt strich ich das Wort „beschissen" durch und gab den jämmerlichen Versuch auf, das zu tun, was mir meine Therapeutin geraten hatte. Ich konnte das einfach nicht, Tag für Tag meine Gedanken aufzuschreiben und zu hoffen, dass ich so besser mit der Situation, in der ich mich befand, umgehen konnte. Ich klappte mein Notizbuch zu und legte es zurück in meine Schreibtischschublade.

Heute vor genau drei Monaten ist mein Opa gestorben. Mein Opa, der mir so viel bedeutet hatte und von dem ich mich nicht mal richtig verabschieden konnte. Mein Opa, den ich im Moment so sehr vermisste und brauchte. Er war für mich wie mein bester Freund. Eine Bezugsperson, der ich mich immer anvertrauen konnte, wenn ich Probleme hatte. Im Gegensatz zu meiner Mom hat er mich immer verstanden. Er hat mich getröstet, wenn ich Albträume hatte. Er hat mir beigebracht, keine Angst zu haben. Er sagte immer, erst wenn wir nicht mehr ängstlich sind, beginnen wir zu leben. Er hat mir gezeigt, stark und mutig zu sein, was mir vor allem jetzt sehr hilft.

Er hat mich auf mein zukünftiges Leben vorbereitet, weil er genau wusste, was mein Schicksal sein wird.

Im Moment jedoch hatte ich das Gefühl, das Leben sei gegen mich. Es machte keinen Sinn zu glauben, man kann das Leben in allen Einzelheiten vorprogrammieren, denn das Schicksal wird immer das letzte Wort haben. Erst verlor ich ihn und dann wollten meine Eltern auch noch wegziehen. Meine Mom hat gemeint, dass meine Oma ein wenig Unterstützung und Hilfe gebrauchen könnte, jetzt da sie allein lebte.

Immer wenn ich meinen Opa in der Gegenwart meiner Mom erwähnte, schüttelte mein Dad nur den Kopf und sie wechselte das Thema. Irgendwann fing ich an, zu glauben, dass sie auf diese Weise wohl ihren Schmerz verarbeitete und so redete ich nicht mehr über ihn. Jedenfalls nicht mit meinen Eltern. Doch erst durch den Tod meines Opas erfuhr ich, was ich wirklich war. Doch fangen wir am besten von vorne an:

Vor acht Tagen sind meine Mom, mein Stiefdad und ich aus einer wunderschönen Kleinstadt in einen ziemlich kleinen und abgelegenen Ort gezogen. Naja gut, wenn ich es mir eingestehe, ist es hier gar nicht so schlimm. Man muss jedoch ein Naturfreund sein, denn überall, wo man hinschaut, sieht man Wald. Eigentlich hatte ich immer einen guten Draht zur Natur. Mein Opa brachte mir alles bei, was man wissen musste, um bei Gefahren, in der Natur zu überleben.

Wir waren tatsächlich auch jedes Jahr im Sommer campen, was ich wohl dieses Jahr alleine machen müsste, denn meine Eltern hassten die Natur. Deswegen bin ich auch noch heute erstaunt darüber, dass sie freiwillig in diese Gegend gezogen sind. Liegt wohl daran, dass sie ein gutes Jobangebot erhalten hatten und dazu noch ein ziemlich großes und schönes aber dennoch günstiges Haus.

Mit zweiundzwanzig ist meine Mom von hier weggezogen und hat sich eigentlich geschworen, nie wieder her zu kommen. Den genauen Grund hatte ich jedoch nie so wirklich erfahren.

Meine Eltern sagten, ich müsse mich erst an die ganze Umstellung - neues Haus, neue Schule, neues Leben - gewöhnen, weshalb ich die erste Woche nach dem Umzug zu Hause bleiben durfte. Größtenteils hockte ich während dieser in meinem Zimmer und las. Wenn ich dann doch mal von meiner Mom rausgeschickt wurde, ging ich spazieren, um mir die Gegend wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Seit zwei Jahren war ich nicht mehr in diesem Ort gewesen. Meine Großeltern habe ich in dieser Zeit nur über Skype oder während des gemeinsamen Urlaubs gesehen. Und ja ich hatte sie vermisst. Ständig träumten mein Opa und ich vom nächsten gemeinsamen Ausflug, planten meinen Schulabschluss und sogar eine Weltreise zusammen. Doch vielleicht sind manche Träume wirklich nur zum Träumen da.

Nachdenklich ging ich die Treppen runter und stellte meinen Rucksack in die Küche, in der meine Mom gerade das Abendessen kochte.

„Isalie, hast du heute Morgen deine Tabletten genommen?", fragte meine Mom mich erwartungsvoll. „Nein", antwortete ich knapp. „Isalie Jean Wood, du weißt ganz genau, wie wichtig diese Tabletten für dich sind", sagte sie streng.

Ich war nie der Tablettenfan gewesen. Ich nahm sie seit meinem zwölften Lebensjahr, als bei mir eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt wurde. Doch an sie gewöhnen, würde ich mich wahrscheinlich nie. Anzeichen für eindeutige Symptome hatte ich nicht, weshalb meine Eltern auch sehr froh waren, dass mein Arzt dies zufällig feststellte.

Zum Beispiel beim Sport hatte ich nie Probleme. Ich liebte es Sport zu machen. Tennis und Karate waren meine früheren Hobbys gewesen, die ich Dank der Krankheit leider aufgeben musste. Eigentlich verbot meine Mom es mir, an dem Sport in der Schule teilzunehmen, jedoch tat ich es trotzdem, ohne es sie wissen zu lassen.

„Es tut mir leid Mom", erwiderte ich, „ich bin nur so aufgeregt wegen morgen". „Hast du denn alles fertig für die Schule? Deinen Rucksack, deine Bescheinigung für den Sportunterricht?" „Ja. Ja Mom, ich habe alles", sagte ich, während ich mir eine Möhre klaute und die Treppen hochlief in mein Zimmer.

Ich hasste Veränderungen. Warum kann nicht wieder alles so sein wie früher? Mein früheres Leben war perfekt. Natürlich gab es Momente, die nicht besonders toll waren. Nach dem Tod meines Vaters kurz nach meiner Geburt, ist meine Mom praktisch aus diesem Ort geflohen. Sie war so besorgt und unglaublich traurig gewesen. Doch sie hatte eine zweite Chance bekommen durch Simon. Nach längerem sind wir eine richtig gute und harmonische Familie geworden. Simon hat mich großgezogen und hat für mich eine Vaterrolle eingenommen, weswegen ich ihm so unfassbar dankbar bin.

Auf meiner alten Schule hatte ich nicht viele Freunde. Ich bin eher eine introvertierte Person und wirke auf Außenstehende eher etwas still und zurückhaltend. Wer mich aber besser kennt, weiß, dass ich auch ganz anders sein kann, wenn ich will. Doch im Moment kennt mich eigentlich niemand so wirklich. Die einzige Person, die mich wirklich kannte, ist mein Opa gewesen. Ich bin mir sicher, dass ich ihn irgendwann wieder sehen werde.

Ich gebe die Hoffnung allerdings nicht auf, denn irgendwann wird es bestimmt bessere Tage für mich geben und es wird sich alles zum Guten wenden. Und Hoffnung stirbt doch bekannterweise zuletzt.

Danke fürs Lesen. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Über eure Meinung würde ich mich sehr freuen, also lasst gerne ein Kommentar oder ein Vote da. Lots of Love, Larissa <3

Wolfsmädchen - Im Schatten des WaldesWhere stories live. Discover now