Kapitel 18

135 8 0
                                    

Isalie

Ich hoffte inständig, dass meine Wahl, die ich vor ein paar Stunden getroffen hatte, die Richtige war. Ich hatte Angst vor dem, was vor mir stand. Doch eins wusste ich: so, wie es im Moment war, konnte es nicht weitergehen.

Ich stand gerade im Gästezimmer und packte meinen Rucksack. Da ich unbedingt neue Sachen benötigte, musste ich dringend nach Hause. Ich wusste nicht, was ich meiner Mom sagen sollte, aber ich musste mir eine Lüge überlegen, damit sie sich nicht noch mehr Sorgen machte, wenn ich die nächsten Wochen nicht zu Hause wäre. Ich müsste wieder zurück zu Lucian und seiner Familie. Da ich mich entschieden hatte, mein wahres Ich nicht mehr zu unterdrücken, wollten sie mir helfen und zeigen, wie ich meine Kräfte richtig einsetzen konnte.

Ich weiß nicht, ob ich meine Mom zur Rede stellen sollte, sie hatte keine Antworten auf ihre Fragen verdient. Ich war hin- und hergerissen: Einerseits hatte sie mich mein komplettes Leben lang belogen. Sie hatte meine wahre Identität geheim gehalten. Andererseits musste es doch bestimmt einen Grund gehabt haben, warum sie das alles getan hatte.

Schnell schloss ich meinen Rucksack, schwang ihn mir über meine Schulter und verließ das Zimmer. Wir durften keine Zeit verlieren. Schon bald würde die Wirkung meiner Tabletten vollkommen nachlassen. Keiner wusste genau wann, aber es würde bald passieren. Ich konnte es spüren und wenn dies geschah, sollte ich besser vorbereitet sein.

Ich stieg zu Lucian ins Auto. Er war so nett, mich nach Hause zu fahren. Wir schwiegen. Ich war immer noch überfordert mit der Situation, aber immerhin bei klarem Verstand. Die letzten Tage habe ich wie in einer Art Trance verbracht. Die Zeit ist nur so verflogen. Ich stand ganz klar unter Schock.

Meine Gefühle fuhren eine Achterbahn. Doch ich wusste, wenn ich weitere solcher Vorfälle, wie versehentliche Ermordungen oder ungewollte Verwandlungen, vermeiden wollte, dann sollte ich mich beruhigen.


Der Wagen parkte in der Einfahrt. Ich zögerte einen Moment, doch ich hatte keine Wahl. Ich musste aussteigen. Ich dankte Lucian mit einem Nicken, stieg aus und atmete tief durch. Ich würde das schaffen. Ich musste einfach nur ruhig bleiben. Nur leider war dies leichter gesagt als getan.

Langsam ging ich die Stufen zur Eingangstür hinauf. Ich schloss sie auf, stellte meinen Rucksack ab und schaute mich um. Komisch... Es war ruhig. Zu ruhig. Anscheinend war keiner zu Hause. Ich hing meine Jacke an den Haken und ging die Treppe hinauf. Gerade als ich in mein Zimmer gehen wollte, bemerkte ich, dass die Tür zum Dachboden einen Spalt offenstand.

Unsicher ging ich darauf zu. Meine Mom hatte mir verboten, den Dachboden jemals zu betreten. Selbst in unserem alten Haus. Ich wusste nicht warum, doch ich gehorchte, weil ich wusste, dass das unangenehme Strafen mit sich bringen würde. Irgendwann vergaß ich es und wollte auch gar nicht mehr zu diesem Thema wissen. Doch trotzdem hielt sie den Raum weiter verschlossen.

Doch jetzt, da er offenstand, machte sich große Neugierde in mir breit. Die Chance, einen Blick hinein werfen zu können, war zum Greifen nahe. Meine Sinne hatten sich mittlerweile so gut geschärft, dass ich mit Sicherheit sagen konnte, dass ich allein in dem Haus war.

Ich öffnete die Tür soweit, dass ich hindurch passte. Sie quietschte und ich bekam Gänsehaut. Behutsam betrat ich die Treppe. Ich nahm Stufe um Stufe. Oben angekommen war es dunkel und ich brauchte einen Moment, um den Lichtschalter zu finden. Meine Augen brauchten eine Weile, um sich an das grelle Licht zu gewöhnen.

Hier war alles staubig und dreckig. Kisten und noch mehr Kisten stapelten sich im Raum. Es roch modrig und nach altem Pergament. Ich hustete einige Male und fasste mir an meine Arme. Hier oben war es deutlich kälter.

Wolfsmädchen - Im Schatten des WaldesWhere stories live. Discover now