Mit energischen Schritten und vielleicht etwas wenig Rücksicht schiebe ich mich zwischen den tanzenden und dicht gedrängten Menschen hindurch. Einige machen ihrem Ärger lautstark Luft, aber wenn ich hier mit einem „Entschuldigen Sie bitte?" oder „Könnte ich mal?" durchgehen würde, wäre das Eis im Sektkühler getaut, ehe ich das hintere Ende des Clubs erreicht hätte.
Gekonnt balanciere ich den silbernen Kühler mit einer Hand, um mit der anderen die rote Samtkordel, die als Barriere zwischen dem Fußvolk und den selbsterklärten VIPs fungiert, zu öffnen.
Jimmy, unser Sicherheitsmann, der aus Prinzip immer eine Sonnenbrille trägt, obwohl er damit blind wie Stevie Wonder ist und ihm so auch verdammt ähnlich sieht, nimmt mich erst wahr, als ich die Kordel wieder hinter mir einhänge.
„Noch eine Runde?", fragt er argwöhnisch und schielt über den Rand seiner Ray-Ban auf den Kühler in meiner Hand.
Ich zucke nur mit den Schultern und gehe über den dunkelroten Teppich zu den Sofas, die im hinteren Teil des Bereichs aufgestellt sind und von allerlei Menschen belagert werden.
Reiche Studenten oder Jobeinsteiger, die sich von Daddy aushalten lassen, erkenne ich auf den ersten Blick. Auch die üblichen Ladies mit einem besonderen Riecher für reiche Typen und viel zu enge Klamotten, die aber sonst nicht einmal im Stande sind, einen Parkautomaten zu bedienen, sind mit von der Partie.
Alle scheinen schon gut dabei und zum Teil über ihrem verträglichen Limit zu sein.
„Hey!", rufe ich mit gequälter Freundlichkeit, die nur meiner persönlichen Challenge mit dem Chef zu verdanken ist. „Ihr habt eine Runde Vodka Energy bestellt?"
„Stell es ruhig dort hin", sagt einer der Typen in einem viel zu pinken Poloshirt und winkt abfällig zu dem flachen Tisch in der Mitte.
Gekonnt platziere ich den Sektkühler und greife mir direkt einige der leeren, bereits benutzten Gläser, die auf dem Tisch aufgereiht sind.
In einem kleinen Schrank neben der Eingangskordel bewahren wir grundsätzlich frische Gläser auf, um ein ständiges Hin- und Hergerenne zu vermeiden. Ich bringe also die Gläser dorthin, ziehe ein Tablett aus dem Schrank und beginne, dieses mit sauberen Gläsern zu bestücken.
Meinem professionellen Blick entgeht nicht, dass Ian es beim letzten Mal offenbar versäumt hat, den Glasvorrat wieder aufzustocken. Wenn die Gäste noch eine Runde bestellen, wird es knapp mit Nachschub.
Super.
„Ich hätte ja auch Lust auf einen Snack", sagt da eine Stimme neben mir und ich muss feststellen, dass eins der Söhnchen dicht neben mir steht, sein Ellbogen lässig auf dem Schrank abgestützt. Im Gegensatz zu seinem Kumpel trägt er kein Poloshirt, sondern ein weißes Hemd, dessen obere Knöpfe geöffnet sind. Obwohl er eine dunkle Jeans dazu trägt, sieht er aus, als wäre er geradewegs aus einem Büro hierhergestolpert.
„Abgesehen von dem Obst für die Cocktaildeko kann ich da vermutlich nicht viel anbieten", gebe ich zurück und platziere weitere Gläser auf meinem Tablett.
„Mir wäre auch eher nach etwas Herzhaftem", lässt er nicht locker und sein warmer Atem streift meinen Hals.
Der Vodka ist deutlich wahrnehmbar.
What?
Ich trete einen Schritt zur Seite, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen und nehme das Tablett auf. „Ich könnte gucken, ob ich noch ein paar Erdnüsse in einem der Schränke auftreiben kann, aber die sind dann sehr wahrscheinlich seit ein paar Monaten abgelaufen", antworte ich trocken und lasse ihn einfach dort stehen, indem ich das Tablett mit den sauberen Gläsern zu dem Tisch bei den Sofas bringe.
Sofort machen sich die Polohemden und Minikleidchen über die Getränke her, das Klirren der Eiswürfel in den Gläsern begleitet von ihrem Geschnatter und Gekicher.
„Wem darf ich denn das Geld abknöpfen?", frage ich möglichst lässig an den pinkfarbenen Polomann gewandt. Mein Tipp ist, dass er hier der Bereichsleiter ist, denn er befummelt gelangweilt den Hintern einer üppigen Blondine, die gerade damit bemüht ist, eine der Energydosen zu öffnen, ohne sich dabei einen ihrer Acrylnägel zu beschädigen.
„Jo Rich!", brüllt er und wirft den Kopf in den Nacken, während er wild mit dem Arm wedelt, der gerade nicht unter dem Saum des Rocks seiner Begleitung verschwunden ist. „Zahlst du noch?"
Ich hebe eine Augenbraue und blicke in die Richtung, in die er wedelt.
Der Snackmann kommt langsam auf uns zu und ich komme nicht umhin, überrascht zu sein. Ihn hätte ich nicht für den Bereichsleiter gehalten, denn er ist augenscheinlich der Jüngste in der Runde.
„Wie viel macht das?", verlangt er und zieht ein Bündel Geldscheine, das mit einer silbernen Klammer zusammengehalten wird, aus der hinteren Tasche seiner Jeans.
Der Typ ist höchstens zwanzig und hat eine fucking Geldklammer, die mehr Kohle hält, als ich in einem halben Jahr verdiene!
„Vierhundertfünzig", sage ich kühl und bemühe mich, nicht auf die Scheine in seiner Hand zu schielen.
„Wirklich?", hakt er nach. „Der Kellner vorhin wollte nur dreihundertfünfzig."
Ian, dieses listige Arschloch!
„Trinkgeld", grinse ich den Bubi an und sein Mundwinkel hebt sich ebenfalls ein wenig.
Seine langen Finger blättern durch die Scheine und er drückt fünf Hunderter in meine offene Hand, ehe er sich vorbeugt und in mein Ohr sagt: „Der Rest ist für dich. Vielleicht ist ja jetzt ein Snack für mich drin?"
Sein warmer Atem lässt meine Haut an der Stelle kribbeln, wo er sie berührt und ich atme tief durch die Nase ein.
Noch immer nehme ich Vodka und einen Hauch teuren Parfums wahr.
Grinsend stopfe ich das Geld in die vordere Tasche meiner Jeans und blicke in seine Augen, die im Tageslicht vermutlich blau oder blau-grau sind, im düsteren Licht des Clubs aber beinahe violett wirken.
„Ich schaue mal nach den Erdnüssen", gebe ich zurück. „Und ich würde Ihnen gern das Sie anbieten."
Bevor er etwas erwidern kann, habe ich das Tablett vom Tisch genommen und in Windeseile die schmutzigen Gläser darauf gestapelt.
Jimmy öffnet mir dieses Mal freundlicherweise die Kordel und so kann ich in der Menge untertauchen, bevor der Bereichsleiter seine Wünsche näher ausführen kann oder ich etwas sage, das mich meinen Job kosten könnte.
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Kontrollverlust | ✓
Romance𝐃𝐞𝐫 𝐬𝐜𝐡𝐥𝐚𝐠𝐟𝐞𝐫𝐭𝐢𝐠𝐞 𝐁𝐚𝐫𝐤𝐞𝐞𝐩𝐞𝐫 𝐉𝐮𝐥𝐢𝐚𝐧 𝐦𝐮𝐬𝐬 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐠𝐞𝐠𝐞𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐫𝐞𝐢𝐜𝐡𝐞𝐧, 𝐮𝐧𝐧𝐚𝐜𝐡𝐠𝐢𝐞𝐛𝐢𝐠𝐞𝐧 𝐒𝐭𝐚𝐦𝐦𝐠𝐚𝐬𝐭 𝐝𝐮𝐫𝐜𝐡𝐬𝐞𝐭𝐳𝐞𝐧, 𝐨𝐡𝐧𝐞 𝐝𝐚𝐛𝐞𝐢 𝐬𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐉𝐨𝐛 𝐨𝐝𝐞𝐫 𝐬𝐞𝐢...
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