7 - Matthias Green

1.7K 234 42
                                    

~🌟~

Ich ziehe mir ein sauberes T-shirt mit dem Logo des Departments auf der Brust über den Kopf, pflücke Grabsy aus dem Waschbecken der Gemeinschaftsdusche und rubble mir noch in einem Versuch einigermaßen zivilisiert auszusehen, mit einem Handtuch durch die nassen Haare. Es verschlimmert die Situation eher.

Falls ich noch einen Beweis dafür gebraucht hätte, dass die Kacke richtig am Dampfen ist, so habe ich ihn darin gefunden, dass Ava mich persönlich von der Dusche zum Konferenzraum eskortiert. Als ich sehe, dass van Haven nicht nur das Meeting leitet, sondern heute einen grauen Pullover statt eines  Hawaiishirts trägt, bekomme ich es fast ein wenig mit der Angst zu tun.
Er ist alleine im großen Konferenzraum mit Blick auf die Stadt und sieht mit einem tiefen Stirnrunzeln von einem der Holobildschirme auf, als wir eintreten. Der Oktopus winkt meinem Chef. Im Gegensatz zu Ava nimmt er es van Haven wohl nicht übel, dass er die letzten Monate hier im HQ verbracht hat und nicht mit mir in der Galaxis herumgeschippert ist.

„Hallo, boss", grüße ich fröhlich, „Sie haben einen Sunhunter bestellt?"
„Matthias, setz' dich."
Irgendwie ist niemand angemessen begeistert von meinem Auftauchen. Etwas beleidigt lasse ich mich in einen der Bürostühle an dem langen Konferenztisch fallen und unterdrücke ein Stöhnen, als meine Rippen besonders stark schmerzen. Wie sich herausstellt, können nicht mal van Havens Ärzte innerhalb von zehn Minuten angeknackste Knochen vollständig wieder herstellen. Ich bin deshalb schwer enttäuscht, habe aber trotzdem eine schnelle Runde Armdrücken gegen den Sanitäter gewonnen.
„Okay", mache ich, lehne mich zurück und verschränke die Finger hinter dem Kopf, was auch weh tut, aber der Coolness halber leider sein muss, „Was steht an?"

Van Haven sieht auf die digitale Uhr auf einem der Holobildschirme und schüttelt den Kopf.
„Ich kann Ihnen nicht alle Details erklären. Der Krisenstab ist in ungefähr vier Minuten hier."
„Dann nehme ich die Kurzversion. Was ist das für eine geheime Geheimmission, von der niemand wissen soll?"
Ich warte auf einen Kommentar aus Avas Richtung, ein abschätziges ‚Redundant, Green, redundant', doch sie bleibt still. Meine Vorgesetzten sehen mich nur gerade an.

„Sie werden eine Mordermittlung führen", sagt van Haven, als würde er mir verkünden, dass er heute Porridge zum Frühstück gegessen hat, „Sie leiten ein Team aus hochqualifiziertem Personal und führen unter höchster Geheimhaltung eine sehr sensible Fahndung durch. Hier im Core."
„Ein Mord im Core?", frage ich schleppend, „Ist das ein Scherz?"
Van Haven runzelt die Stirn. Ich warte darauf, dass irgendjemand ‚April, April' schreit und lege mir schon einen Konter zurecht, sowas in Richtung ‚Es ist nicht April, so Gott will, es ist September, du laufender Kalender', doch nichts geschieht. Die meinen das wirklich ernst. Ich bin zu müde und vor allem zu hübsch für diesen Dreck.

„Chefi", mache ich gedehnt, „Bei allem Respekt: ich bin kein verdammter Streifenpolizist! Ich dachte, ich bekomme irgendwas Spannendes, nachdem ich auf dem Weg hierher mehrmals fast krepiert wäre. Das kann doch jeder Azubi machen. Spannt doch die Praktikanten zusammen und macht ein Spiel daraus. Wer den Mörder fängt, bekommt das universal WLAN Passwort für die Bubble. Das zieht sicher total bei der Jugend."
Weder Ava, noch van Haven scheinen begeistert von meiner tollen Idee. Das Runzeln auf der Stirn des Sunhunters No. 1 ist noch tiefer geworden. Tough crowd, heute, wirklich.

„Es handelt sich um hochrangige Ziele und Fragen der nationalen Sicherheit, Symphony", sagt Ava. Wenn ich nicht so hundemüde wäre, hätte ich vielleicht noch genug Selbsterhaltungstrieb, um jetzt aufzuhören, die einzigen Menschen zu provozieren, die mir das Leben systematisch zur Hölle machen können. Doch meine Synapsen lechzen nach REM Schlaf, meine Rippen schmerzen und das hier ist die einzige kleine Freude, die mich noch wach hält. Außerdem wollen mich die beiden als Polizist einsetzen. Mich, meines Zeichens Dorn im Auge der VHN und zehntmeist gesuchter Hunter der Galaxie.

„Nationale Sicherheit, dies das, das höre ich jedes Mal, wenn mich Ava Klopapier kaufen schickt. Mit Verlaub", ich erhebe mich und deute auf van Haven, „Ich kotz' im Strahl, mein General!"
„Und genau deswegen", sagt Ava, „haben wir Sie erst hierrein bestellt, bevor wir in das offizielle Meeting mit dem Verteidigungsminister gehen."
Ich halte inne, schwenke mit meinem ausgestreckten Finger in Richtung meiner Koordinatorin um. Einen winzigen Moment lang bin ich sprachlos.
„Mit dem Verteidigungsminister? Jetzt?"
Avas Miene bleibt unbewegt, Van Haven zuckt die Schultern.
„Junge, du wirst dich etwas zusammenreißen müssen. Wir müssen so erscheinen, als hätten wir die Lage absolut im Griff, sonst wird das gleich hässlich."

„Haben wir die Lage denn im Griff?", frage ich, während ich nun mit einem zunehmend flauen Gefühl im Magen zu ahnen beginne, dass die beiden nicht besonders viel Ahnung davon haben, was sie gerade tun, „Oder war es euer ganzer wunderbarer Plan, mich herzubestellen und ‚Matt, mach' mal' zu sagen?"
„Wir haben es hier mit einer Krise der nationalen Sicherheit zu tun, die über Klopapier hinausgeht, wie gesagt. Seien Sie dankbar, dass wir Ihnen genug vertrauen, Sie auf die Sache anzusetzen. Außer Ihnen ist kein einziger anderer Agent eingeweiht", knurrt Ava.
„Du streitest es nicht einmal ab", ich reibe mir die müden Augen und stöhne theatralisch auf, „Verdammte Scheiße."

Kurz herrscht Stille. Ich überlege, ob ich es mir leisten kann, weiter aktiv angepisst zu sein und komme zu dem Schluss, dass meine Energiereserven nur noch für ein milde passiv-aggressives Auftreten reichen werden, wenn ich gleich gegen meinen Willen in dieses verdammte Krisenstab Meeting gezerrt werde.

„Wer wurde umgebracht?", frage ich dann die eigentliche Frage des Tages. Welcher Tod ist schwerwiegend genug, dass ich ein paar Lichtjahre durch die Galaxis düsen soll, um mich der Sache anzunehmen?
Ava senkt den Blick, was mich augenblicklich in Alarmbereitschaft versetzt. Ich hätte das als allererstes fragen sollen. Verdammte Axt, ich hätte es Ava auf der Plattform entgegenschreien sollen, bevor sie überhaupt vor mir gestanden ist. Van Haven bleibt ruhig, doch etwas in seiner Mimik hat eine solche Gravitas, dass es mir kalt den Rücken hinunterrinnt.

„Eine Ihrer Kolleginnen."
Ich erstarre zu Eis. Auf einmal ergibt alles einen Sinn. Die übermäßige Vorsicht mit den Informationen zu dem Fall, der geplante Abbruch der Yakahan Mission, das Auftauchen des Außenministers ... Ein Sunhunter ist tot? Hier, im Core und nicht an der Front? Das ist eine bombshell sondergleichen.

„Wer ist es?", frage ich, schon darauf gefasst, dass ich die Antwort nicht hören will.
„‚Misericordia'", Avas Stimme ist bleischwer, „Man hat sie in New Tokyo gefunden."

~🌟~

Starshakers (Sunhunters pt. 2)Where stories live. Discover now