16 - Matthias Green

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~☀️~

„Siehst du irgendeine Signatur in meinem Umfeld, die mir Sorgen machen sollte?", frage ich Hendrik und biege so knapp ab, dass ich mich mit dem Fuß am angrenzenden Wolkenkratzer abstützen könnte, „Ich habe hier einen Fan."

Hendrik verneint. Kein bekanntes Gesicht also, noch nicht zumindest. Das Phantom jagt mich durch die Nacht, versucht dabei nicht unauffällig zu bleiben. Die Sache entwickelt sich zu einem Katz- und Mausspiel, während Hendrik versucht, die Signatur meines Verfolgers abzugreifen. Ich rase senkrecht an Häuserwänden hinauf, werde dabei mehrmals von der Polizei angefunkt, was zum Henker ich da treibe, bin dann aber immer schnell genug weg, um nicht festgenommen zu werden. Irgendwie glauben die mir nicht, dass ich einer von ihnen bin.

Zwischen riesigen Digitallitfaßsäulen hindurch, an den berühmten Glockentürmen vorbei, knapp über eine Skybahn hinweg: mein Groupie folgt mir ungerührt. Ich lasse ihn nicht in Schussweite, bis Ava per Chat das okay gibt. Doch als ich mich gerade dazu entschlossen habe, dass ich den Guten im Ogasawara II Nationalpark stellen werde, bevor ich mich meiner Verabredung widme, ist er plötzlich verschwunden.

Ich bleibe über einer der hell erleuchteten Hängebrücken in der Schwebe, links und rechts von mir Intravessels, in denen Pärchen sitzen und beim Anblick der Stadt knutschen. So romantisch, denke ich und lehne mich auf den Ellenbogen über meinen Lenker, die linke Hand auf einer meiner Waffen. Ausgeschlossen, dass ich so ein Glück habe heute und mein Verfolger von selbst abgestürzt ist. Zugegebenermaßen etwas unbefriedigend, wenn nach so einer hübschen Verfolgungsjagd die Schlägerei ausbliebt. Ich bleibe eine geschlagene halbe Stunde dort in der Schwebe, so lange, bis der Typ rechts von mir mir eine Shisha anbietet. Er lässt auffällig unauffällig fallen, dass er single ist. Das nehme ich als Anlass zu verschwinden und ans Nordufer hinüber zu fliegen.

Als ich dann zu Fuß unterwegs bin, blicke ich immer wieder über die Schulter. Sehr seltsame Sache. Dass das Phantom nicht in unseren Akten registriert ist, kommt kaum vor im Core. Man braucht schließlich für alles eine Watch – und eine Watch kann man nur benutzen, wenn man eine Signatur angemeldet hat. Gibt es inzwischen wieder neue Hacks auf dem Schwarzmarkt, die unsere Systeme austricksen können? Unbequem.

„Hast du die Signatur?", frage ich den Butler und weiche einem klapprigen Lastenfahrrad voller Töpferwaren und einem alten Mann, der in Castadiniumblasen schwebende Fische wie Luftballone verkauft, aus.

„Negativ."

Überrascht mich nicht.

„Mann, könnte alles zwischen dreißig und fünfzig sein. Ist gut geflogen, wahrscheinlich erfahren. Sobald ich auf die Hauptschneise bin, war er da. Hat auf mich gewartet."

Noch ein alter Mann mit leuchtenden Goldfischballons für die Touristen zieht vorbei. Ich biege in eine Seitengasse ab, die mit den Straßen in New Helsinki ungefähr so viel gemeinsam hat, wie mein Oktopus mit einer Siamkatze. Statt nach Kiefern, Geldscheinen und Hotellobbies riecht es hier nach Farbe, Jasmin und billigem Bratfett. Viele Künstler und Musiker leben zwischen den schwankenden Lampions in diesem Viertel der Traumbubble, treffen sich in den Bars entlang der in konzentrischen Kreisen angelegten Stadt. Girlanden und Gebetsflaggen flattern im Nachtwind über meinem Kopf und ich zünde ein Räucherstäbchen in einer der Götternischen an der Hauswand an, um eine Ausrede zu haben, stehen zu bleiben und die Lage zu sondieren.

„Negativ", antworte ich auf Henriks Frage danach, ob mein Freund in schwarz noch einmal aufgetaucht ist, „Wahrscheinlich nur eine Einschüchterungstaktik."

Starshakers (Sunhunters pt. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt