11 - Matthias Green

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An alle, die mir schon geschrieben haben: nein, ich hab's nicht vergessen, ich stand in Frankreich im Stau, entspannt euch alle mal 😂

~🌟~

Zwei Stunden später sitze ich immer noch im Wohnzimmer. Allerdings heule ich jetzt.

„Hier", das Zebra hält mir mitfühlend eine Packung Taschentücher hin. Ich nehme dankbar eins davon an und Schnäuze mir geräuschvoll die Nase.
„Ich hasse es, das zu sagen", schniefe ich, „Aber Sie sind sehr gut in Ihrem Job."
„Danke", sagt der Psychologe trocken, „Sie scheinen ihrerseits ziemlich traumatisiert von ihrem letzten Einsatz."

Seine Taschentücher riechen nach Tabak und Sandelholz, auch wenn der Kerl garantiert nicht raucht. Er sieht aus wie der Typ Mann, der sich Parfumproben aus der Provinz zuschicken lässt, dann gewissenhaft jede Woche einen Duft ausprobiert und in dem kleinen schwarzen Notizbuch seine Beobachtungen notiert.

„Endlich fällt das mal jemandem auf!", beschwere ich mich lautstark und wedle mit dem benutzten Taschentuch, „Säurewolken, verstehen Sie? Lavaplaneten?! In was für einem Albtraum lebe ich hier?"
Ich lehne mich theatralisch zurück.
„Ich wünschte manchmal, ich wäre noch ein Kind", heule ich, „Alles war so schön, bevor mich das Department rekrutiert hat!"

Ich schnäuze mich noch einmal. Der Grieche mustert mich aufmerksam. Er ist wirklich süß, das muss ich jetzt schon noch einmal betonen. Nicht, dass ich ihn deswegen weniger unsympathisch finde, aber er ist unbestreitbar ein Schnuckel. Verdammt, Clara, wieso hast du nur so einen guten Männergeschmack? Ich muss mich hier konzentrieren.

„Sie sollten diese Mission nicht leiten", sagt er dann. Ich bemühe mich, entsetzt auszusehen. Der Psychomensch verzieht keine Miene. Eine kurze Stille folgt. Dann nimmt er ein Dokument aus seiner Ledertasche, unterschreibt darauf und schiebt mir den Fetzen über den Tisch hinweg zu. Ich ziehe geräuschvoll die Nase hoch.

„Was ist das?", frage ich.
„Ihre psychologische Freigabe."
Verständnislos hebe ich den verheulten Blick. Der Nichtraucher wirkt unbeeindruckt.
„Nur, weil meine persönliche Einschätzung ihres impulsiven Charakters dagegen spricht, heißt das nicht, dass das Department diesbezüglich dieselben Marker setzt. Sie sind offiziell zurück im Heimatdienst."

„Aber", ich zerknülle das Taschentuch frustriert in der Faust, „Ich bin traumatisiert! Asteroiden und Terroristen, haben Sie mir nicht zugehört?"
Der Grieche lehnt sich ebenfalls zurück, mustert mich, als würde er mir gleich einen Drink ausgeben wollen und sagt dann etwas noch Unverfroreneres, nämlich:
„Sie lieben ihren Job."
Ich schließe meinen Mund. Öffne ihn wieder. Sage letztendlich: „Das wüsste ich aber."

Pappas stößt ein kleines tiefes Lachen aus. Er steht auf, sieht auf die Uhr und hält mir die babypopoweiche Hand hin. Ich lasse meinen Blick von seinen ausgestreckten Fingern über den gepflegten Bart zu den milde beeindruckten Augen wandern.
„Fast wäre ich darauf reingefallen", sagt Avas Zebraschnuckel, „Die Geschichte mit ihrer Beziehung zu diesem Söldner. Sie sind ziemlich überzeugend."

„Sie mieser Hund", sage ich meinerseits unfreiwillig beeindruckt und schüttle ihm die Hand. Er hat mich also durchschaut. Ich dachte, als externer Berater ist er vielleicht weniger kompetent als die alten Knacker, die mich sonst auf Depressionen, PTSD und Landesverrat filzen. Wahrscheinlich hat er zusätzlich zu seinem Studium schon das Spezialtraining des Departments durchlaufen, um in meiner Psyche herumstochern zu dürfen und dieses Summa cum Laude und mit Goldsternchen abgeschlossen.
Ein nachsichtiges Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, während er seine Notizen in seiner Tasche verschwinden lässt.

„Wissen Sie, Green, ich bin ziemlich gut in meinem Job."
„Hören Sie auf damit", sage ich. Meine Augen sind rot vom Weinen und ich trommle mit den Fingern auf die Tischplatte. Die Situation könnte demütigend sein, aber ich weigere mich aus Prinzip strikt dagegen, gedemütigt zu werden. Vor allem von einem Akademiker mit Babypopo Händen.

„Verzeihung, womit?"
„Angeben", ich erhebe mich, nehme meine Müslischale mit und steuere in Richtung Küche, „Das passt nicht zu Ihrem intelligenten good-boy image. Außerdem sind Sie nicht besonders gut darin. Sie müssen tief von Ihrer eigenen Großartigkeit überzeugt sein, wenn Sie sowas sagen, sonst ist es unglaubwürdig."
„Danke für den Tipp", ruft er mir nach. Ich verdrehe die Augen.

Meine Watch blinkt auf und ich senke den Blick darauf, während ich schon ahne, wer mich da zwei Sekunden, nachdem ich nicht mehr als Gefahr für die Welt oder mich selbst gelte, für irgendeine halsbrecherische Mission einspannen will.
„Green", Avas Stimme schallt durch den Raum, „Zentrale. Dreißig Minuten sharp. Nehmen Sie den Tunnel."
„Aye, aye, Herrin der Sklaverei."
„Und Green?"
„Ja, Miss MacSage?"
„Ziehen Sie sich etwas Ordentliches an. Ich habe Ihnen zwei Anzüge in den Schrank in Zimmer fünf hängen lassen. Dasselbe gilt für Flocon. Und bringen Sie den Externen mit, der ist ohnehin schon gestriegelt und geschmiert."

Ich werfe einen missmutigen Blick in Richtung des Zebras, das mit einem leichten Lächeln auf den Lippen irgendwelche Dokumente in meiner Akte abheftet.
„Wo hast du den eigentlich aufgetrieben?"
„In einer Bar in New Delhi."
„Sowas habe ich mir schon gedacht."
„Green", knurrt sie, „Das Personalbüro hat ihn in der Auswahl für einen festen Posten bei uns. Ich habe ihn nicht aufgetrieben, er war derjenige, den sie geschickt haben, als ich durchblicken ließ, dass man sie vielleicht mal psychologisch scannen sollte vor so einer Mission. Und nach so einer Mission."
„Süß von dir. Und der Typ ist gar nicht so dumm, wie er aussieht. Leider."
„Ich will gar nicht wissen, was sie getan haben. Dreißig Minuten. Kommen Sie nicht zu spät, Tanner wartet nur ungern."

Seufzend lehne ich mich einen Moment an den Türrahmen und sehe die Treppe hinauf in Richtung von Claras Zimmer. Ich habe dreißig Minuten, um sie davon zu überzeugen, mir nicht die Gedärme aus dem Leib zu reißen, mir eine Krawatte zu binden, ihr zu sagen, dass sie sich in einen Bleistiftrock zwängen soll und dann das Schneeflöckchen und das Zebra durch einen schlecht beleuchteten Geheimtunnel ins Headquarter zu schmuggeln.

„Dann", der Psychologe will gerade an mir vorbei in Richtung Tür, „Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend, Hunter."
Der Typ wartet sicher auch um drei Uhr morgens irgendwo in der Pampa einer planetaren Provinz, wo es nicht einmal Autos gibt, an der roten Ampel, bis sie grün wird.

„Mein lieber Freud", ich strecke entspannt den Arm aus und versperre ihm den Weg, „Ich weiß ja nicht, wie Sie es sich vorstellen, für das Department zu arbeiten, aber wir machen nicht um fünf Feierabend."
„Bitte?", fragt der Hipster schnuckelig irritiert.
„Checken Sie Ihre E-Mails. Und vergessen Sie den Spam Ordner nicht", ich strecke meine Arme über dem Kopf durch und beginne meinen Aufstieg in Richtung wütender Französin meines Herzens, „Wir haben heute noch ein Date mit einer Leiche."

~🌟~

Starshakers (Sunhunters pt. 2)Where stories live. Discover now