Kapitel 36

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Ich zuckte zusammen, da er es etwas zu laut gefragt hatte. Wenn einem jemanden so nahe stand war es gleich nochmal lauter.

Sofort hängte er an: "Sorry." Ich hätte es ja mit einer Handbewegung abgetan, aber meine Arme um ihn wollte ich ungern lösen.

Ich fuhr nach einem Seufzen fort: "Meine Mum hat mehrfach Briefe an deinen Vater geschrieben und hat es auch persönlich versucht. Anschließend hat sie über andere Leute versucht Kontakt herzustellen. Nur hatte sich jeder in die Idee verrannt, dass meine Mum meinen Dad umgebracht hat. Dabei hat man nie eine Leiche gefunden. Das sollte einem zu denken geben."

Luan meinte nachdenklich: "Mein Dad hat mir nie gesagt, dass man keine Leiche fand. Das mit den Briefen wusste ich genauso wenig."

Dann hätten wir geklärt, dass er es vertuschte. Aber warum? Hatte sein Verhalten einen Grund? Nein, eher wollte er noch, dass uns alle hassten, warum auch immer.

Nach einem Seufzen sprach ich meinen Gedanken aus: "Vielleicht denkt dein Dad, dass sie die Leiche versteckt hat. Keine Ahnung."

Luan löste sich von mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ich musste ihm praktisch in die Augen sehen. Er zog seine Augenbrauen zusammen und fragte: "Warum hast du gedacht, dass ich dir nicht glaube?"

Kurz blieb ich still, aber gab ihm doch noch eine Antwort: "Weil es niemand tut."


Luan streichelte mir mit seinen Daumen über meine Wangen und das besänftigte mich, weshalb ich meine Augen schloss.

"Meine Mum hätte ihn beinahe umgebracht. Allerdings tat sie das, um mich zu beschützen. Es hatte seinen Grund, warum sie derart auf ihn los ging. Sie selbst hat ihren Schaden davon genommen, dafür passierte mir kaum etwas."

Ich öffnete meine Augen, um ihm ablesen zu können, was er dachte. Man sah ihm an, wie sehr ihn das überraschte. Das war der erneute Beweis für wie gutartig sie meinen Erzeuger alle gehalten hatten. Dabei lief es oft hinter geschlossenen Türen und Fenstern ganz anders ab.

Leise und leicht wütend fragte er: "Kaum etwas?"

"Er war manchmal sehr aggressiv und ich noch klein. Irgendwann eskalierte es und um mich zu beschützen, griff meine Mum ein."

Ich löste seine Hände von meinem Gesicht und kuschelte mich wieder an ihn. "Er haute anschließend ab und meine Mum dachte, dass er in eine Bar geht, um sich zu betrinken. Danach wäre alles schlimmer gewesen, weshalb wir zu ihrer Mum flohen. Am Ende hat sich das als Fehler herausgestellt, denn mein Vater tauchte unter und dank unserer kleinen Flucht, dachte jeder, dass es Mord war und meine Mum sich deshalb verstecken wollte."

Das Blut, welches man in unserem damaligen Zuhause fand nicht zu vergessen. Da hatte es einige Faktoren gegeben, die sehr schlecht in unsere Karten gespielt hatten.

Leise stellte er fest: "Und niemand hat deiner Mum geglaubt." Was für ein Sherlock, aber da war er im Grunde all die Jahre dabei gewesen.

"In erster Linie hat man ihr nie zugehört. Aber ohne Leichnam konnte man ihr keinen Mord nachweisen. Deshalb bekam sie keine gerichtliche Strafe. Also wurden wir Aussätzige und jeder hasste meine Mum, im Endeffekt mich genauso."

Kurz war es still und das war angenehm. Sofern er bei mir war, fühlte sich die Welt besser an.

Schließlich durchbrach er sie in dem er sagte: "Ich rede mit meinem Dad. Das kann nicht sein Ernst sein. Man sollte auf seine Rudelmitglieder eingehen und sie anhören."

Meiner Ansicht nach würde das wenig helfen. Ich überlegte, ob ich es ihm ausreden sollte. Aber wie viel schlimmer sollte dieses Chaos überhaupt werden? Im Grunde konnte er einen Versuch wagen. Außerdem hatte ich meiner Mum vorhin selbst gesagt, dass sie es ein weiteres Mal versuchen sollte.

Ein paar Dinge waren ihm unbekannt gewesen, vielleicht kannte er die nächste Info auch nicht. Ich löste ich mich von ihm, um ihn ansehen zu können. "Dass sie dennoch von deinem Vater eingesperrt wurde, weißt du aber, oder?"

Dieser Blick gab mir die Antwort, dass war dann wohl ein Nein. Erstaunlich wie gut sein Vater das seinen Kindern vorenthalten hatte. Vermutlich war das zum Schutz der Kinder gedacht, aber wenn sie älter waren, konnte man solche Dinge erzählen.

Ungefragt fuhr ich fort: "Über diese Zeit war ich bei meiner Oma. Meine Mum hat mir nie genaue Details gegeben, aber ich weiß, dass sie eine schwere Zeit in der Gefangenschaft hatte."

Vermutlich wollte sie mich damit schützen, weshalb sie mir das nie genau berichtet hatte. Bei dem Thema wurde sie entweder wütend oder blockte ab.

"Wie lange war sie eingesperrt?" Ich seufzte und antwortete: "Ich war noch klein. Laut meiner Mum waren es ein paar Monate, aber sie nannte nie eine genaue Zeitspanne."

Anschließend zog er mich wieder in seine Arme, was herrlich war. Da fühlte man sich wesentlich sicherer und geborgener.

Ruhe fiel zwischen uns und darüber war ich unfassbar erleichtert. Ich wollte nicht länger darüber reden und Luan schien das zu erkennen. Der Herr besaß Feingefühl, das musste man ihm lassen.

Meine Gedanken wurden ruhiger und der Stress ließ immer mehr ab von mir. Man konnte kaum glauben wie gut jemanden eine einzige Person tun konnte.

Erst nach einer Weile fragte er: "Um was genau ging der Streit?" Er war viel zu neugierig. Sein Glück, dass ich gerade redselig war. "Am Ende kamen wir auf das Thema Mates. Sie meinte, dass ich mir aus dem Kopf schlagen sollte, falls ich einen Mate hätte, das mir der helfen würde. Das wir in keinem Märchen wären."

Er verspannte sich leicht, was ich nachvollziehen konnte. Mir selbst erging es gleich. Das Thema war der reinste Stress.

"Also eigentlich wolltest du darauf hinaus, dass ich dein Mate bin." Nach einem Seufzen antwortete ich: "Theoretisch ja, aber es lief aus dem Ruder. Also bin ich abgehauen."

Ich bekam wieder einen Kuss auf den Kopf und als ich seinen Blick erwiderte, bekam ich einen auf meine Lippen. Er war sanft und kurz, dennoch perfekt.

Danach legte er seine Stirn gegen meine und flüsterte: "Danke." Ich hätte ihn ja verwirrt gemustert, aber meine Augen waren geschlossen, um das besser genießen zu können.

Aber eine Frage konnte ich sehr wohl stellen. "Für was?" Mir erschloss es sich nicht ganz, für was er mir danken wollte.

"Du hast es versucht und das mit uns nicht aufgegeben hast. Das du mir das erzählt hast, dafür muss ich dir auch danken."

Göttin, er war viel zu süß.

Aber zum ersten, musste ich etwas anmerken: "Du bist sehr aufdringlich. Wann hätte ich Zeit es aufzugeben, wenn du wie eine Zecke bist?" Ich musste ein Grinsen unterdrücken und meiner Stimme hatte er sicher angehört, dass das nett gemeint war.

"Da du mich als Zecke enttarnt hast, ist dieses Geheimnis raus. Wir sollten uns ins Bett legen und ich mutiere zur Kuschelzecke." Damit hatte er es geschafft, dass ich lachen musste. Mit Mühe brachte ich hervor: "Ok."

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Hiermit startet der Leseabend und es tut mir so so so leid für die Verspätung ❤

Ich hab total die Zeit übersehen.

I'm sorry ❤

Luna? No, thanks | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt