Versuchte Täuschung

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P.o.V. Phileas

Die verbliebenen Stunden der letzten Nacht waren ruhig verlaufen. Nachdem ich Camilla zu meinem Bruder schickt hatte, waren die Geräusche aus seinem Zimmer kurz darauf verstummt. In den ersten Minuten in der darauffolgenden Stille war ich mir nicht sicher, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen sei. Doch da Camilla auch in den nächsten Stunden nicht bei mir aufgetaucht war, nahm ich an, dass es keine großartigen Vorkommnisse gegeben haben musste. Von Kiyan hatte ich den Rest der Nacht nichts weiter gehört und auch Camilla war ich an diesem Morgen noch nicht begegnet.

In den Gängen dieses Schlosses war bereits zu dieser frühen Stunde ein reines Durcheinander entstanden. Die neuen Zofen waren eingetroffen, noch bevor ich bei Sonnenaufgang meine Augen hatte öffnen können. Dementsprechend hatte ich mich direkt nach dem Aufstehen damit beschäftigen müssen, diese Mädchen in ihre Arbeit einzuweisen. Ich hatte nicht einmal etwas Kleines frühstücken können, weshalb mein Magen sich bereits das ein oder andere Mal gemeldet hatte. „Ist mein Bruder bereits heruntergekommen?" fragte ich die junge Frau vor mir, die sich mir zuvor als 'Nora' vorgestellt hatte. Als ich sie das erste Mal erblickt hatte, wusste ich bereits, warum Vater sie ausgewählt hatte.

Sie zeigte haargenau das Verhalten, welches für eine Zofe üblich war. Nicht ein einziges Mal hatte sie den Kopf gehoben, seit ich mich in ihrer Nähe befand und sie schien konsequent auf eine Aufforderung zu warten, ehe sie mit mir sprach. „Er wird womöglich noch in seinen Gemächern sein, eure Hoheit." Mein Inneres zog sich zusammen, als sie meinen Titel erwähnte. Es würde sicherlich eine Weile dauern, bis diese neuen Zofen sich damit zufriedenstellen würden, dass dies bei mir nicht notwendig war. Bei Camilla war dies von Anfang an nicht der Fall gewesen und ich musste mir eingestehen, dass ich es ein wenig vermisste, sie bei dieser Arbeit nachgehen zu sehen. Es hatte sie glücklicher gemacht als das, was sie im Augenblick tat.

Da von Nora kein weiteres Wort mehr folgte, wandte ich mich nach einem kurzen Seufzen von ihr ab und machte mich auf den Weg in Richtung Eingangshalle. Zuvor war es mein Plan gewesen, endlich ein wenig essen zu können. Ich konnte jedoch nicht riskieren, dass Kiyan im Augenblick Probleme verursachte, die Vater verärgern könnten. Seit der Ankunft der Zofen schien er ein wenig entspannter zu sein, allerdings handelte es sich hierbei nur um eine Fassade und ich wusste, dass dies nicht sehr lange anhalten würde. Daher wanderte ich die breite Treppe hinauf in das obere Stockwerk und blieb nur wenige Minuten später direkt vor Kiyans Zimmertür stehen.

Sie war geschlossen und von innen drang kein einziges Geräusch nach außen hervor. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass er bereits wach war und irgendwo in den Gängen umher schlich. So wie ich ihn kannte, würde er im Moment sowohl Tag, als auch Nacht nur in seinem Zimmer verweilen und an die Decke starren. Mir war bewusst, dass er mich nicht sehen wollte und dennoch konnte ich nicht zulassen, dass er sich so von allem distanzierte. Das würde ihm auf Dauer nur noch mehr schaden. Also öffnete ich, ohne mich zuvor bemerkbar zu machen, die Tür und betrat den von Dunkelheit erfüllten Raum.

Erst erkannte ich kaum etwas in dieser Dunkelheit, weshalb ich mir vorsichtig und mit langsamen Schritten einen Weg durch das Durcheinander auf dem Boden bahnte. Kiyan hatte sich augenscheinlich noch immer nicht dazu aufraffen können, all diesen Kram wieder zurück an dessen Ursprungsort zu räumen. Womöglich konnte ich eine der Zofen darum bitten, dies wieder herzurichten. Liebend gerne hätte ich Camilla darum gebeten, doch das würde im Konflikt mit Vaters Anordnung stehen, weshalb ich diese Überlegung sofort wieder verwarf.

Es vergingen ein paar Minuten, in denen sich meine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnten und ich auf dem Sessel, nur wenige Meter von mir entfernt, schemenhaft eine Person erkennen konnte. Die Kerze, die Kiyan meist hatte brennen lassen, musste bereits vor Stunden erloschen sein. Kein einziger Lichtstrahl der morgendlichen Sonne fand einen Weg in diesen Raum. Bevor ich mich allerdings Kiyan näherte, um ihn zu wecken, führten mich meine Beine zu den Vorhängen. Mit einem kurzen Handgriff schob ich einen von diesen ein paar wenige Zentimeter zur Seite, sodass mich das nun einfallende Sonnenlicht augenblicklich blendete. Somit musste es mir möglich sein, einen besseren Überblick über diesen Raum zu bekommen.

Die ZofeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant