Wendung des Schicksals

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„Würdest du dieses Risiko wirklich eingehen, Mary?" sprach meine Verlobte unter Tränen aus, konnte sich dabei aber zu einem aufgesetzten Grinsen zwingen. „Du hast es selbst gesagt. Wenn du mir auch nur ein Haar krümmst, wirst du jegliche Chance bei ihm verspielen. Das wäre der Untergang deiner Familie." Mary lachte auf und fuhr daraufhin mit der Spitze des Dolches vorsichtig an Camillas Hals entlang. Bis zu der dünnen Narbe, die von dem letzten Anschlag zurückgeblieben war. „Diese Worte habe ich gesagt?" Ich wollte einen Schritt auf die beiden zugehen, wurde allerdings mit einem warnenden Blick von Mary zurückgehalten.

„Das einzige was ich wollte, ist, dass er hier auftaucht. Der Sinn deiner Existenz ist nun verbraucht. Ich habe keine Verwendung mehr für dich." „Nein!" schrie ich auf, als Mary die Klinge etwas stärker an Camillas Hals ansetzte. Schmunzelnd stoppte Mary in ihrer Bewegung und löste die Klinge wieder von Camillas Hals. „Ihr seid wahrlich ein traumhaftes Pärchen. So friedlich und genügsam." Sie entfernte sich daraufhin ein paar Schritte von Camilla, was mich erleichtert aufatmen ließ. Mary spielte mit unserer Angst, ebenso wie es Vater damals getan hatte. Es war daher kein Wunder, dass die beiden sich so gut verstanden hatten.

Ich wechselte einen Blick mit der jungen blonden Frau, die gefesselt auf dem Stuhl inmitten des Raumes saß und unfähig war, sich zu bewegen. Prüfend ließ ich meine Augen über sie wandern und stellte zu meiner Erleichterung fest, dass sie keine großartigen Verletzungen zugefügt bekommen hatte. Abgesehen von ein paar deutlichen dunklen Flecken, von denen ihre Schreie hergerührt haben mussten, schien äußerlich mit ihr alles in Ordnung zu sein. Ich kreuzte meinen Blick wieder mit ihrem und sie gab mir ein langsames Nicken zur Antwort.

Meine Aufmerksamkeit wanderte wieder zurück zu Mary, die gemächlich durch den Raum wanderte, der in diesem Haus das gesamte untere Stockwerk darstellen musste. Dadurch ergab sich mir ein ausreichendes Zeitfenster, in dem ich mich für einen kurzen Moment unbemerkt von ihr bewegen konnte. Dieser kurze Augenblick genügte, um einem der nahestehenden Männer in einer schnellen Bewegung das Schwert zu entreißen, welches sich ungenutzt an dessen Hüftgegend befand.

Zwei weitere Bewegungen, in denen diese beiden Männer, die mich zuvor festgehalten hatten, nicht schnell genug reagieren konnten. Ich wollte nicht, dass Camilla dies mit ansehen musste, doch es war die einzige Chance die sich uns ergab, um dieser Situation zu entfliehen. Ein Querschnitt am Oberkörper der beiden Männer sorgte dafür, dass sie vor Schmerzen keuchend zu Boden gingen. In der Sekunde, in der Mary zu realisieren schien was vorgefallen war, stand ich bereits wieder mit vollem Gleichgewicht auf der selben Position wie zuvor. Nur dass ich diesmal das Schwert vor mich hielt und damit in ihre Richtung deutete.

Sobald Mary erkannte, was geschehen war, wagte sie den Versuch, sich Camilla wieder zu nähern, doch ich kam ihr zuvor. „Lass ihn fallen." Befahl ich ihr, während die Klinge des Dolches nur noch wenige Zentimeter von Camilla entfernt war. Mary hatte jedoch in ihrer Bewegung innegehalten und blickte nun abwechselnd zwischen meiner Verlobten und mir hin und her. Der zuvor noch selbstsichere Ausdruck auf ihrem Gesicht, war verschwunden. Zurück blieb eine bröckelnde Maskerade, die sie mit großer Mühe aufrecht zu halten versuchte.

„Es ist vorbei, Mary." Sprach ich weiter und trat ein paar Schritte auf die junge Frau zu. Trotz ihrer Stellung als Prinzessin im Westen, würde ich nicht zimperlich mit ihr umgehen, sollte sie meinen Worten nicht Folge leisten. Aus nun zittrigen Händen ließ sie den Dolch fallen, der ein unangenehm lautes Klirren am Boden erzeugte. Langsam setzte Mary ihre Schritte zurück und passte sich somit meinen Schritten in ihre Richtung an. Ergebend hob sie die Hände und warf mir ein unschuldiges Lächeln zu.

„Es wäre nicht sonderlich klug, mir zu nahe zu kommen, Kiyan. Unsere Familien liegen ohnehin bereits im Krieg miteinander. Ein einziger Kratzer und es wird nur noch mehr Tote geben." Drohend beschleunigte ich meine Schritte, denen sich Mary nun nicht mehr so schnell anpassen konnte. Sie schien über eine winzige Erhebung am Boden zu stolpern und fiel rücklings auf das staubige Holz unter ihr. Ein amüsiertes Grinsen stahl sich auf meine Lippen, während ich mich ihr weiter näherte, sie nun aber keine Chance mehr hatte, zu entkommen.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt