Verehrte Königin

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Die Tage wurden kürzer, desto näher der Winter heranrückte. Leichter Frost lag an den Scheiben, sobald die Dunkelheit hereinbrach und die letzte Wärme der Sonne verschluckte. Seit dem Gespräch mit Jurian waren einige Stunden vergangen, in denen ich Kiyan seine benötigte Ruhe gab. Er musste durchaus beschäftigt sein, weshalb ich ihn hierbei nicht noch weiter stören wollte. Ich hatte ihn bereits oft genug von seiner Arbeit abgehalten. Auch mir tat es gut, eine Weile für mich zu sein. 

Obwohl Amalia dies oft übernahm, hielt ich das Zimmer der ehemaligen Königin, welches nun meines war, äußerst sauber. Es kam mir beinahe entwürdigend vor, Dreck in diesem Raum zu hinterlassen. Aus diesem Grund hatte ich die letzten Stunden damit verbracht, die wenigen Staubflocken aus dem Zimmer zu entfernen, die mir vor die Augen getreten waren. Nun lag ein ereignisreicher Tag hinter mir, obwohl nichts besonders Aufregendes geschehen war. Abgesehen von meiner gemeinsamen Zeit mit Kiyan, die ich nun langsam aber sicher zu vermissen begann.

Um mich auf andere Gedanken zu bringen, entkleidete ich mich und zog mir mein Nachtkleid über den Kopf. Meine Haare flocht ich in einem lockeren Zopf, ehe ich mich einen Augenblick im Spiegel betrachtete. Die Erinnerungen der vergangenen Wochen, lagen schwer in meinen Gedanken. Ich vermied es, daran zurückzudenken. Doch jedes einzelne Mal, wenn ich einen Blick in den Spiegel warf, konnte ich mich selbst wieder auf dem Boden des Marktplatzes liegen sehen. Die dunklen Flecken auf meiner Haut waren verblasst, nur von wenigen war noch ein leichter Hauch zu erkennen.

Mehr als die Tritte und Schläge, die mir zugefügt worden waren, schmerzte mich jedoch ein anderer Gedanke. Auch diesen versuchte ich zu umgehen. Es trieb mir augenblicklich Tränen in die Augen, sobald ich auch nur eine winzige Sekunde daran dachte. So auch in diesem Moment. Zögernd legte ich eine Hand auf meinen Bauch, an die Stelle, an der in einigen Jahren womöglich ein kleines Mini-Ich hätte entstehen können. Amalias Diagnose glich nach wie vor einem Traum. Einem Alptraum, um genau zu sein.

Ein Geräusch in der Nähe der Tür ließ mich aufschrecken und ich zog meine Hand augenblicklich von meinem Bauch zurück. Meinen Blick auf die Tür gerichtet, wartete ich darauf, dass diese sich öffnete. Doch nichts dergleichen geschah. Ich musste mich verhört haben, dennoch hatte dieser kurze Schreckmoment meinen Puls in die Höhe getrieben. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, in der ich dort vor dem Spiegel stand und darauf wartete, dass die Tür sich zu bewegen begann.

Als dies auch in der Zeit darauf nicht geschah, löste ich meine Aufmerksamkeit wieder von dieser und bewegte mich stattdessen auf das große Bett zu. Noch immer war es äußerst ungewohnt, ein solch gemütliches Bett Nacht für Nacht nutzen zu können. Schnell schlüpfte ich unter die Bettdecke und blies daraufhin die Kerze aus, welche den Raum zuvor in ein dämmriges Licht geworfen hatte. Nun war es stockfinster, was mir sofort ein mulmiges Gefühl bereitete. Seit der Nacht bei der Hütte im Wald, machte mir die Dunkelheit deutlich mehr Angst, als es in den vielen Jahren zuvor der Fall gewesen war.

Um diesen beunruhigenden Gedanken zu verdrängen, schloss ich meine Augen und zog die wolkengleiche Decke hinauf, bis an mein Kinn. Jede Nacht trat ich den Kampf gegen diese Dunkelheit an. An manchen Tagen war es so unerträglich, dass ich absichtlich länger wach blieb, damit ich schließlich totengleich ins Bett fallen konnte. Zuvor hätte mir auch Amalias besonderer Tee beim Einschlafen geholfen, doch ab sofort musste ich ohne diesen zurechtkommen. Auf Befehl des Königs. Zu meinem Glück war der heutige Tag, einer der angenehmsten. Die vergangenen Stunden hatten mich seelisch ausgelaugt, weshalb der Schlaf wie gerufen kam.

Kurz bevor ich jedoch in die Tiefen des Traumlandes hinabsinken und mich meinen gedankenlosen Träumen hingeben konnte, hörte ich erneut ein Geräusch an meiner Tür. Es ähnelte dem Geräusch zuvor, wie Schritte, die vor der Zimmertür auf und ab liefen. Erst dachte ich daran, dass es Jurian sein musste, der sich womöglich nur ein wenig die Beine vertrat. Die gesamte Nacht dort zu stehen, musste sicherlich anstrengend sein. Besonders, wenn nichts geschah. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass Jurian für diese Nacht frei bekommen hatte und er diese Geräusche somit nicht hätte verursachen können.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt