"Jetzt bin ich hier."

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[Johns POV]

01:43 Uhr

Sie schaute mich an, doch gab mir keine Antwort. Ich sah ihr abwechselnd in die Augen, in der Hoffnung, ich würde irgendwas in ihnen erkennen können. Ich stand nach wie vor hinter der Türschwelle, da ich nicht wusste, ob sie mich hier haben wollte oder nicht. Es fühlte sich an wie eine Wand, die uns trennte. Dieser Typ hatte ihr wehgetan. Sie verletzt. Und was tat ich? Ihr zeigen, dass ich die Kontrolle verlieren konnte. In diesem Moment hatte ich eine solche Angst, sie zu verlieren. So etwas hatte ich bisher nur verspürt, als ich Tyga das erste Mal in den Armen hielt. Die Stille war so unerträglich für mich, dass ich sie brechen musste. "Ich hab' die Kontrolle verloren. Er wollte dich verletzen und die Panik in deinen Augen hat mich durchdrehen lassen.", begann ich und trat vorsichtig über die Türschwelle, da ich die Distanz nicht mehr aushielt. "Das würde mir bei dir niemals passieren. Ich würde dir niemals weh tun.", versicherte ich ihr ruhig. Ich wollte ihr Gesicht in meine Hände nehmen, doch da war immer noch Blut an meiner Faust. Stattdessen streichelte ich mit der anderen Hand sanft ihre Wange. "Ich weiss.", hauchte sie und legte ihre Hand auf meine. Erleichterung machte sich in mir breit, als sie ihre Arme um meine Mitte legte und mich zu sich zog. Ich platzierte meine Arme auf ihren Schultern und mein Kinn auf ihrem Kopf und streichelte beruhigend über ihr Haar.

Eine Weile standen wir schweigend da, bis sie sich langsam von mir löste und auf den Balkon neben ihrem Schlafzimmer ging. Ich folgte ihr und lehnte mich schräg hinter ihr gegen die Wand. Nach wie vor sagte niemand von uns ein Wort, während wir die Stadt betrachteten und ich mir einen Joint anzündete. Als sie es bemerkte, drehte sie sich zu mir und nahm mir den Joint aus der Hand. Was zum..? Ich kniff die Augenbrauen zusammen und musterte sie verwirrt. Noch bevor der Joint ihre Lippen berührte, hatte ich das Gefühl, sie aufhalten zu müssen. Sie zog daran und richtete ihren Blick wieder in die Ferne. Ich hatte kein Problem mit Drogen. Erst recht nicht mit Marihuana. Im Gegenteil. Doch sie rauchen zu sehen, löste in mir Unbehagen aus. Etwas für mich völlig Normales kam mir bei ihr auf einmal fremd vor. Es passte nicht zu ihr. Zu ihr nicht. Und ich hatte das Gefühl, dass es meine Schuld war, dass sie jetzt rauchte. Sie nahm ein paar Züge und inhalierte tief, während sie ihre Augen schloss. Ich betrachtete sie besorgt von der Seite, wie sie am Geländer angelehnt stand mit dem Joint in der Hand. In ihren glasigen Augen spiegelten sich die Lichter der Stadt. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie meine Jacke trug. Sie war viel zu gross für sie und doch wie für sie gemacht. Ich kam nicht klar, wie perfekt sie war.

"Er hat in der Mensa des Gymnasiums gearbeitet.", begann sie, ohne den Blick von der Stadt abzuwenden, und brachte mich damit wieder in die Realität zurück. "Wir haben ab und zu ein paar Worte gewechselt, weshalb er meinen Namen kannte. Irgendwann sind wir uns immer öfter auch ausserhalb des Gymnasiums begegnet. In der Stadt, in Bars, im Fitnessstudio, an der Elbe. Anfangs habe ich es für einen Zufall gehalten. Meistens hat er mich angesprochen, doch als es zu offensichtlich wurde, ist er jeweils schnell verschwunden, sobald ich ihn entdeckt hatte. Deswegen habe ich ihn schliesslich konfrontiert. Er hat natürlich alles abgestritten. Dann begannen die unzähligen Anrufe mit unterdrückter Nummer in der Nacht. Ich habe ihm tausendmal gesagt, er soll mich in Ruhe lassen, doch es hörte nicht auf. Ich wechselte meine Nummer und vermied es, allein aus dem Haus zu gehen. Er bedrohte mich nicht, er beobachtete mich nur. Doch die Gewissheit, dass er da war, immer und überall, machte mich verrückt. Bis zu dem Punkt, an dem ich am liebsten mitten auf der Strasse Lass mich endlich in Ruhe! in die Menge geschrien hätte. Lange Zeit wusste niemand davon. Bis er eines Nachts vor unserem Haus stand und mich durch das Fenster beobachtete. Da bekam ich Angst und erzählte es meinem Exfreund. Er drängte mich zur Polizei zu gehen, doch ich hielt es für übertrieben. Wir waren bereits unsere Wohnung in München am Einrichten und ich dachte mit dem Umzug löst sich das Problem von allein."

Angeklagt [Bonez MC]Where stories live. Discover now