"Volltreffer."

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[Johns POV]

Ich hörte meinen Benz schon von Weitem, noch bevor er um die Ecke bog und mit ballerndem Auspuff an der Tanksäule neben uns anhielt. Als Raf auf der Fahrerseite ausstieg, grinste ich ihn breit an. "Mercedes ist doch nicht so scheisse, was?", neckte ich ihn und schlug brüderlich mit ihm ein. "Kommt trotzdem nicht an meinen Ferrari ran.", meinte er lachend und streichelte zur Begrüssung über Tygas Haar. Auf der Beifahrerseite stieg Siena aus, was meine Aufmerksamkeit sofort auf sie lenkte und ich Rafs Worte deshalb unkommentiert liess. Sie kam mit einem ungewohnt schüchternen Lächeln auf uns zu und wurde erstmal stürmisch von Tyga begrüsst. "Siena! Du bist ja auch hier!", rief sie begeistert und streckte die Arme nach ihr aus. Siena kniete sich zu ihr hinunter, damit sie ihr eine Umarmung geben konnte. "Hi, Süsse. Wie gehts dir? Hattet ihr Spass auf dem Spielplatz?", wollte sie wissen. Tyga nickte eifrig und hielt ihr das Eis entgegen, das wir eben an der Tankstelle gekauft hatten. "Ja und ich hab sogar ein Eis bekommen." Es war eigentlich schon viel zu kalt für Eis, was auch der Grund dafür war, dass wir nur an der Tankstelle eins auftreiben konnten, aber was solls? Ich konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen, wenn sie mich mit ihren braunen Kulleraugen anguckte. Tyga plapperte wie wild auf Siena ein, während sie so tat als wäre es die spannendste Geschichte der Welt. Diese hyperaktive, übermotivierte Art hatte die kleine Maus wohl von mir. Ich musterte die beiden und hob einen Mundwinkel. Siena bemerkte meinen Blick und grinste mich kurz an.

Kurzerhand legte ich meine Hand auf Tygas Kopf, um sie zu stoppen. "Du kannst gleich weiter erzählen, Prinzessin. Lass mich nur kurz meine Freundin begrüssen." Tyga fing an zu quietschen, während Siena mich überrascht ansah. Normalerweise wollte ich Tyga aus meinem Beziehungsleben raushalten und ihr eine Frau erst vorstellen, wenn es ernst wurde, was so gut wie nie vorkam. Auch Siena und ich hatten eigentlich beschlossen, Tyga vorerst nichts von uns zu erzählen, aber was solls? Es war mir völlig egal geworden, da ich wusste, dass Siena anders ist, als alle Frauen, mit denen ich bisher zusammen war. Ich nahm ihre Hand, um sie zu mir hoch zu ziehen. "Hey, Kleine.", raunte ich und grinste sie an, bevor ich ihr Gesicht in meine Hände nahm und ihr einen sanften Kuss gab. Neben uns hörte ich Tyga kichern und in die Hände klatschen. Raf machte sich einen Spass daraus und stimmte pfeifend mit ein, was die Leute an der Tankstelle dazu brachte, sich nach uns umzudrehen. Wir lösten uns leicht lachend von einander und ich nahm Tygas Hand. "Kommt, lasst uns gehen, bevor es noch peinlicher wird.", meinte ich grinsend und zog meine Cap tiefer ins Gesicht.

[Rafs POV]

Nachdem wir Tyga zurück zu ihrer Mutter gebracht hatten, fuhren wir noch ein bisschen planlos durch die Stadt und überlegten uns, wo wir essen gehen könnten. Eigentlich wollte ich Siena und John noch ein bisschen Zeit zu zweit lassen, doch John wollte mich auf keinen Fall gehen lassen. Ich sagte mehrmals, dass ich müde sei und sie mich einfach zurück zum Hotel bringen sollen, doch keine Chance. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie Siena auf der Rückbank - sichtlich verwirrt wegen unserer Diskussion - zwischen uns hin und her sah. "Was ist los bei euch?", fragte sie schliesslich irritiert. Ich seufzte und hielt vor dem Restaurant an, in das John gehen wollte. John schaute mich ebenso fragend an, worauf ich leicht nickte. Er schien sofort zu verstehen, was ich damit sagen wollte. "Ich hol uns schon mal 'nen Tisch.", meinte er und stieg dann aus. Ich drehte mich zu Siena um, die mich besorgt musterte. "Komm, lass uns aussteigen.", schlug ich vor und öffnete die Autotür. Siena tat es mir gleich, ohne ihren besorgten Blick von mir abzuwenden.

"Raf... was ist passiert?", wiederholte sie und musterte mein Gesicht mit zusammengekniffenen Augenbrauen. Ich zögerte kurz und holte dann tief Luft, bevor ich meinen Blick senkte. "Mein Grossvater ist diese Woche gestorben.", sagte ich mit rauer Stimme. Noch immer fiel es mir unglaublich schwer, diese Worte auszusprechen. Es fühlte sich jedes Mal wieder aufs Neue an, wie ein Stich in den Magen. Mehr musste ich Siena gar nicht sagen. Sie verstand sofort, wie schlimm sein Tod für mich war. Ich hatte ihr schon oft von meinem Grossvater und meiner Beziehung zu ihm erzählt. Mario Ragucci. Er war mein Stolz und mein Vorbild und hat mir die Werte der harten Arbeit beigebracht. "Es war John, der in Berlin nicht ohne mich ins Auto steigen wollte, nicht umgekehrt. Das ist auch der Grund, wieso er mich jetzt nicht alleine lassen will.", erklärte ich ihr. Ich räusperte mich, um mich wieder zu fassen, bevor ich ihr wieder in die Augen schauen konnte. Zu meinem Erstaunen blickte sie mich schockiert an, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. "Mein Gott... Raf... es tut mir so Leid.", hauchte sie aufgelöst. In ihren Augen konnte ich ehrliches Mitgefühl und echten Schmerz erkennen, was mich zum Schlucken brachte. Gerade bei ihr als Staatsanwältin, die täglich mit Todesfällen, Vergewaltigungen und kaputten Familien zu tun hatte, hätte ich diese Emotionen am wenigsten erwartet.

Angeklagt [Bonez MC]Where stories live. Discover now