EINS

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Sie blickt hinunter in die Arena, in der die Männer um ihre Hand kämpfen. Schon wieder. Und wie jedes Mal weiß Misa genau, dass es keinen Gewinner geben wird, allein weil sie dies niemals akzeptieren würde.

Neben ihr steht Ean. Ihre persönliche Leibwache und der Einzige, der sie bei jeder ihrer Entscheidungen unterstützt. Egal, welche sie trifft. Sie tritt ihm gegen sein Bein, jedoch gibt er, außer ein gelangweiltes Gähnen, keine Reaktion von sich.
„Wir müssen sprechen. Ich glaube, gegen den diesmaligen Gewinner hast du nichts in der Hand", gibt sie nervös von sich.

Der Sohn eines Herzogs, hat sich schon drei von fünf Siegen geholt und Misa fängt an nervös zu werden. Ihr rechtes Bein beginnt zu wippen und sie kaut unbewusst auf ihren Nägeln.

„Heute wird kein endgültiger Gewinner entschieden. Wenn er das heute gewinnen sollte, wird morgen noch jemand die Möglichkeit haben ihn herauszufordern", erklärt Ean ihr leise, sodass nur sie es hört.

Sie rollt mit ihren Augen und schaut zu ihrer Rechten, wo ihr älterer Halbbruder auf einem Thron sitzt, der ein gutes Stück höher ist als ihrer. Sein Ellenbogen lehnt auf der geschmückten Armlehne des Thrones, während er sein Gesicht in die Hand stützt. Seine Miene verrät, dass er offensichtlich gelangweilt ist.

Er ist der Bastard ihres Vaters und somit der Kronprinz. Der Thron ist zwar nicht so hoch, wie der des Königs, jedoch steht er auf der gleichen Ebene wie der, der Königin. Ein Bastard wird König, trotz einer ehelichen Tochter.
„Misa, wie es scheint, hat hier ja tatsächlich mal jemand Potenzial", gibt Riku desinteressiert von sich, ohne ihr jeglichen Blick zu schenken. Sie schnalzt und wendet sich genervt von ihm ab. Desto älter er wird, desto unerträglicher findet sie ihren Bruder.

Die Prinzessin ist nun mittlerweile neunzehn Jahre alt und der König wird ungeduldig. Er will sie endlich verheiraten, aber nicht an irgendwen, sondern an den stärksten im Königreich. Doch bis jetzt hat Misa es jedes Mal geschafft, sich davor zu drücken, und zwar mit Eans Hilfe, der über jeden etwas herausfand, dass ihrem Vater missfiel. Sei es ein dunkles Familiengeheimnis oder die kleinste Spur von Respektlosigkeit gegenüber einer Frau. Ean fand immer etwas. Außer dieses Mal. Der Mann im Ring ist ein Ebenbild von Perfektion, wie es sich ihr Vater vorstellt.

„Misa, mein Maiglöckchen! Schau dir den jungen Mann an. Ich könnte schwören, dass wir niemand besseren im Königreich finden werden!", kommt es überglücklich vom König, dessen Blick jetzt auf Misa liegt.

„Papa! Nur weil er stark ist, heißt es nicht, dass er mich auch heldenhaft behandelt", entgegnet sie unzufrieden und doch höflich. Ihr Vater seufzt, mit einem Lächeln auf den Lippen. Ihr Bruder hingegen, der zwischen den beiden sitzt, rollt bloß mit seinen Augen.

„Ean, diesmal hast du nichts gefunden. Nicht wahr?", versichert sich der König und Ean entgegnet ihm mit einem nicken.

„Nur, dass der junge Herr sehr gerne Waisenkinder beschenkt", sagt er, als wäre es etwas Negatives.

„Er hat sogar ein Herz für Kinder, meine Liebe Misa. Wir müssen die Hochzeit ja nicht direkt stattfinden lassen. Drei Wochen, in denen ihr euch kennenlernt, gibt dir genug Zeit, um dich in ihn zu verlieben!", schlussfolgert er und Misa schaut entsetzt zu ihrer Mutter, die an der Seite ihres Mannes sitzt. Misa hat kurz das Gefühl, dass sie dem Gespräch keine Beachtung geschenkt hat, wird jedoch des besseren belehrt.

„Ryuu, Liebster, wieso hetzt du das Kind so? Sie hat doch noch so viel Zeit. Ihr gelingt doch noch nicht einmal das Piano zu spielen, sie sollte ihre Zeit besser solchen Dinge widmen", widerspricht ihm Misas Mutter, die ihren Blick weiterhin auf die Arena gerichtet hat.

„Ach mein Honig Evangeline, wenn unsere Enkel erst da sind, wird sie sowieso keine Zeit mehr dafür haben." Misas Mutter hat ein aufgesetztes Lächeln auf den Lippen, was jeden Moment jemanden umbringen könnte. Es ist der typische Blick, den ihre Mutter ihren Vater alltäglich schenkt, doch Misa hat das Gefühl, dass ihr Vater gar nicht mehr weiß, wie ihr richtiges Lächeln aussieht. Jedes Mal, wenn Misa dieses Lächeln sieht, weiß sie, dass ihre Mutter nichts mehr dazu sagen kann. Es würde sowieso nichts bringen.

The LegacyWhere stories live. Discover now