DREIZEHN

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Misa wird durch einen tiefen, erschütternden Schrei aus ihrem Schlaf gerissen - ein Klang, den sie noch nie zuvor gehört hat. Ihre Augen finden Ean, der am Boden liegt, von einem seltsamen Wesen bedrängt. Es sieht aus wie eine Kreuzung zwischen einer Katze und einer Eule. Der Schrei kommt von ihm. Auch Lurra ist durch den Lärm wach geworden und ihre Augen weiten sich bei dem Anblick des Wesens.

„Bitte, nimmt es von mir runter!", fleht Ean, mit einer Angst in den Augen, die Misa noch nie bei ihm gesehen hat. Misa kann sich ein Lachen nicht verkneifen, als sie ihn vom Tier befreit. Lurra hingegen betrachtet das Wesen fasziniert, ihre Augen leuchten vor Neugier.
„Das ist ein Uku. Ich dachte, sie wären ausgestorben", murmelt Lurra, während Misa das Wesen noch immer in den Armen hält und es genauer betrachtet.
„Er hat keine Flügel. Das ist eine gewöhnliche Katze", widerspricht Misa ihr und lässt ihn zu Boden. Er läuft an ihren Beinen entlang und lässt keine weitere Sekunde von ihr ab. Lurra kniet sich zu hin und beobachtet das Tier weiter.

„Sein Fell ist nicht wie die einer Katze. Wenn du ganz genau hinschaust, siehst du, wie da kleine Flügel schon hinausragen", erklärt Lurra und zeigt auf den Rücken des Ukus.
Ein Uku ist eine Mischung aus Katze und Eule, die im Schloss schon lange als ausgestorben gilt. „Und es ist ein Mädchen", ergänzt Lurra.
Misa bückt sich auf die Knie, um sie zu streicheln. Ihr Fell ist weiß und erst jetzt, als sie den Uku über sein weiches Fell streichelt, bemerkt sie die Flügel, die ein Stück hinausragen.

„Wartet ab, gleich kommt ihre Mutter und frisst euch auf", warnt Ean die beiden aus der letzten Ecke und wird von beiden ignoriert.
„Wenn ein Uku allein durch Wälder umherstreift, ist der Mutter etwas passiert. Ukus sind im jungen Alter sehr abhängig von ihrer Mutter und wie es scheint, hat er diese Mutter gerade in Misa gefunden." Misa sitzt mittlerweile im Schneidersitz und der Uku hat sich an sie schmiegt.
„Er kommt mit!", verkündet Misa entschlossen.

„Nein!", kommt es direkt von hinten.
„Wir können doch nicht ein Uku mit auf unsere Reise nehmen! Wisst ihr, Prinzessin, wie groß dieses Viech noch wird?" Sie jedoch zuckt bloß mit den Schultern.
„Ean, sei ruhig. Kethy kommt mit", beschließt sie und gibt dem Uku direkt seinen Namen. „Misa, Ean hat schon recht. Sie wird wirklich sehr groß werden. Wir werden viel mehr Aufmerksamkeit erregen, wenn wir ein Tier als Begleitung haben, das als ausgestorben gilt."

„Aber sie ist doch noch klein. Die wenigsten könnten es unterscheiden und sobald sie groß genug ist, wird sie sich sowieso von uns verabschieden."
Lurra sagt nichts und überlegt für einen kurzen Moment.
„Du hast recht", gibt sie schließlich nach und Ean kann nur seufzen. Er steht mittlerweile auf zwei Beinen und schaut sich die Situation von oben an.
„Prinzessin, ist es das wirklich wert?" Misa jedoch sitzt weiter mit dem Uku in der Hand da und kuschelt mit ihm. „Ich kann sie jetzt nicht einfach hierlassen, wenn sie keine Mama hat."
Ean nickt. Der Anblick von dem Uku in Misas Arm lässt ihn schwach werden. „Erwartet aber nicht, dass ich auf sie aufpassen werde", murmelt er genervt und beginnt, seine Sachen zu packen.

Die nächsten zwei Tage verbringen sie damit, so schnell wie möglich nach Knyx zu gelangen. Nachdem sie die Berge durchquert haben, wissen sie, dass sie das Ziel fast erreicht haben. Das Wetter wird trockener, und in der Ferne erkennen sie ein Dorf, das in der Wüste liegt.
„Wenn wir Glück haben, können wir diese Nacht mal unter Dach verbringen", seufzt Ean erleichtert. Misa lässt den Uku zufrieden runter und streckt sich.

„Mal wieder in einem Bett zu schlafen wäre wie in einem Traum", murmelt Misa sehnsüchtig. Doch als sie dem Dorf näherkommen, hören sie laute Schreie, das Klirren von Schwertern und Gebrüll.
„Lurra bleib bei der Prinzessin", befehlt Ean und rennt in die Richtung der Schreie. Mit seiner rechten Hand umklammert er fest den Griff seines Schwertes.

Als er im Dorf ankommt, sieht er eine Bande Räuber, die gegen eine Unterzahl von Rittern kämpfen. Er schreitet direkt ein und hilft einem schon zu Boden liegendem Ritter. Mit blitzschnellen Bewegungen wehrt er die Angriffe der Räuber ab, seine Augen funkeln vor Entschlossenheit. Er könnte alle Räuber in Sekunden besiegen, reißt sich jedoch zusammen, um nicht aufzufallen.

Jeder Hieb seines Schwertes ist präzise. Denen, die ihn angreifen, bohrt er das Schwert genau ins Herz und schaut zu, wie sie zu Boden fallen. Neben ihm taucht ein weiterer Ritter auf, der ihm seinen Rücken deckt. Ihre Schwerter schneiden durch die Luft und lassen niemanden zu nah kommen.

Als endlich Ruhe im Dorf herrscht, steht Ean da, sein Atem schwer und seine Muskeln ermattet. Er schließt für einen Moment die Augen und atmet tief ein und aus, während das Adrenalin langsam aus seinem Körper weicht. Misa kann vom Weiten genau sehen, wie erschöpft er ist, nach so langer Zeit wieder seine Kraft in diesem Ausmaß angewendet zu haben.

Er schaut sich um und sieht ein paar verletzte Ritter und tote Banditen. Lurra hilft bereits den Verwundeten und Misa schaut sich um, ob es den Kindern und Frauen gut geht.

Es dauert nicht lange, als eine weitere Gruppe von Rittern auf Pferden angaloppiert kommt. Ean sitzt erschöpft an der Seite und sieht zu, wie das Chaos beseitigt wird.
Als ein Herr in prächtiger Rüstung vor ihm steht, sieht er direkt hoch und erkennt den Ritter, der bis zum Schluss mit an seiner Seite gekämpft hat. Er reicht ihm die Hand und Ean zieht sich dran hoch.

„Ich habe lange niemanden mehr so kämpfen sehen, wie euch heute", gibt der junge Mann beeindruckt von sich. Ean nickt bloß als Antwort. „Womit kann ich euch danken?" Ean zögert kurz und schaut rüber zu Misa und Lurra, die den Menschen im Dorf helfen.
„Mir würde eine Unterkunft für drei Nächte reichen."
Der junge Mann denkt kurz nach und auf seinem Gesicht bildet sich ein Lächeln. „Ihr sollt herzlich willkommen sein!"

Es dauert nicht lange, bis ihnen Pferde gebracht werden. Doch statt zu einer gewöhnlichen Hütte reiten sie gemeinsam mit der Gruppe in die nächstgelegene Burg. Dort werden sie vom Burgherrn mit den besten Speisen und fertigen Zimmern empfangen. Es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass der junge Mann der Sohn eines adligen Burgherrn ist. Misa kann bloß allzu froh sein, dass sie nicht erkannt wird.
„Fühlt euch wie zu Hause", begrüßt sie der Herr des Hauses.
„Ihr sollt mit den besten Speisen belohnt werden."

Sie sind bei der Zakera Familie gelandet. Eine Adelsklasse, die nicht viel von der Königsfamilie hält. Dies ist ein Grund, wieso Ean und Misa diese Familie nicht persönlich kennen. Eans Vater ist ein zu großer Anhänger der Königsfamilie, um sich jemals mit einer Familie wie dieser abzugeben, aber für die drei bietet dieser Ort eine willkommene Zuflucht.

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