𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟜𝟝

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Dag jubelte und pfiff laut, als Nia das Lied zu Ende gesungen hatte und sie sich mehrmals verbeugte.

Carla lächelte ihn an. »Ist sie jetzt fertig?«

»Ich weiß nicht. Wieso?«

»Weil wir, glaube ich, nicht den Abend am Tresen verbringen wollten.«

Dag sah rüber zum Tisch, konnte aber wegen der Menge an Leuten kaum mehr herübersehen.

»Ich danke euch wirklich.« , sagte Nia derweil. »Einen Song habe ich noch für euch. Und diese Performance ist mir extrem wichtig.«

Dag zeigte zur Bühne. »Da. Noch einer.« Er war froh, das seine Tochter sich für einen weiteren Song entschieden hatte, denn ihm war von Mal zu Mal unwohler Carla allen vorzustellen. Auch wenn dies normal sein sollte, da es halt sein Leben war, fühlte es sich gleichzeitig so unreal an.

Als würde er das hier alles nur träumen.

Carla verzog ihr Gesicht. Sie hatte keine Lust mehr. Sie wollte an diesem Abend Spaß haben. Anerkannt werden. Und nicht seiner Tochter Stunden zuhören und abgestellt werden, als wäre sie nichts Besonderes in seinem Leben.

Schmollend verschränkte sie die Arme vor sich. Dag rutschte näher. »Sie singt nur noch einen Song, okay?!«

»... und dann gehen wir rüber?!«

Er nickte.

»Alle die mich kennen wissen, dass es mein größter Traum wäre, wenn mein Vater mich mal mit auf die Bühne nehmen würde.« Nia blickte in seine Richtung. »Doch da jeder mal klein angefangen hat, bin ich auch mit dieser Bühne hier zufrieden. Denn was nur wenige wissen, meine Mutter hat damals, genau an dieser Stelle wo ich jetzt stehe gestanden und für die Leute Abend für Abend gesungen.« Ihr Blick fiel abermals zu ihrem Vater, um kurz danach zum Tisch umzuschwenken.

»Deine Ex hat hier früher gesungen?« , fragte Carla leise nach und Dag nickte nur, damit er weiter seiner Tochter zuhören konnte.

»Meiner Mutter ging es eine sehr lange Zeit nicht gut, da viele Dinge in unserer Familie geschehen sind, auf die ich ebenso gerne drauf verzichtet hätte.« , sprach Nia weiter und Dag wusste, dass sie damit auch auf die jetzige Situation ansprach. »Zudem war ich in der Zeit auch nicht immer nett zu ihr. Was ich mehr als bereue. Das Lied, was ich singen werde, ist eigentlich ein Song, den eine Mutter für ihre Tochter gesungen hat ... doch ich bin der Meinung, das es auch andersrum von den Gefühlen her passt. Denn die Liebe, die man empfindet, ist dieselbe.« Zum wiederholten Male blickte sie kurz zu ihrem Vater und lächelte ihm zu, als sie auf einem Hocker platz nahm. Ich liebe dich auch, gab ihr Mund stumm wieder und er nickte mit einem weiteren Lächeln.

Noch ein Hocker wurde von Vincent zur Bühne gebracht und Dag runzelte die Stirn. Erst Recht, als sein bester Freund geradewegs zu ihm kam. Er begrüßte trotz allem auch Carla freundlich, bevor er sich zu Dag hinunterbeugte und flüsterte. »Das hat Nia spontan entschieden. Beziehungsweise ... Isabelle hat erst spontan zugesagt.«

»Sie ist hier?« , fragte er leise.

»Schon die komplette Zeit über.«

»Weiß sie ...«

»Nein.« , antwortete Vincent. »Ich wollte nicht Nias Auftritt kaputt machen.«

»Wollte ich auch nicht.« , meinte er.

»Ich weiß.« Er nahm sich den anderen Hocker und setzte sich neben ihm hin.

Dag sah wieder zur Bühne, die ihm verwehrt gewesen war durch den Hünen, der gerade noch vor ihm stand.

Die Blondine mit dem Long-Bob saß nun neben Nia und er erkannte in dieser Sekunde das dies Isabelle war. »Ihre Haare ...« , sagte er.

Carla schaute von der Bühne zu Dag, wiederum zur Bühne. Sie konnte sich denken, wer die Frau da neben seiner Tochter war. Was sie jedoch auf hundert brachte, war der Blick, den Dag drauf hatte, als er sie ansah ... nur sie.

»Du hättest es vielleicht Nia sagen sollen, das du ... deine Freundin ... mitbringst.« , flüsterte Vincent ihm zu, für den es sehr seltsam war, Carla so zu nennen. »Dann hätte sie bestimmt nich' Isabelle darum gebeten.«

Dag nickte, hatte ihm jedoch gar nicht zugehört. Seine Augen waren fixiert auf Isabelles äußeres Erscheinungsbild. Er hatte sie noch nie in Blond gesehen, geschweige denn sich vorgestellt, wie sie mit einer anderen Haarfarbe aussehen würde.

Es stand ihr. Das musste er zugeben. Auch wenn es nicht seinem Beuteschema entsprach und er sie mit ihren dunkleren Haaren bevorzugte, konnte er seinen Blick einfach nicht von ihr abwenden.

Die Musik erklang und Nia startete Die mit dir lacht von Sarah Connor. »Du bist stark wie ein Berg. Und wild wie das Meer. So zart und zerbrechlich. Und dennoch so mächtig. Diese dunkelblauen Augen in diesem wunderschönen Gesicht. Immer wieder die gleiche Frage. Doch 'ne Antwort hab ich nicht. Und trotz der vielen Tränen bist du kein trauriges Lied. Und ich danke ihm da oben jeden Tag, dass es dich gibt. Du bist Liebe. Heiterkeit. Das Gegenteil von Einsamkeit. Du bist sogar, für mich unersetzbar. Und die, die am lautesten lacht. Du bist für mich gemacht. Für mich gemacht. Und ich bin die, die mit dir lacht.«

Dags Mundwinkel hoben sich an über die kleinen Änderungen in dem Song, die Nia für ihre Mutter eingebaut hatte.

Isabelle lächelte ihr zu und setzte dann bei ihrem Part an. »Du bist mutig für zwei. Immer vorn mit dabei. Du duldest kein Nein. Du willst einfach sein. Diese hellblauen Augen in diesem wunderschönen Gesicht haben eine Million Fragen. Jede Antwort kenn' ich nicht. Du musstest schon so viel ertragen, bist doch kein trauriges Lied. Und ich danke ihm von Herzen, dass es dich gibt. Du bist Liebe. Heiterkeit. Das Gegenteil von Einsamkeit. Du bist trotzig, manchmal rotzig. Immer die, die am lautesten lacht. Du bist für mich gemacht. Für mich gemacht. Und ich bin die, die mit dir lacht.«

Die Leute applaudierten. Selbst Dag. Carlas Blick wirkte nicht fröhlich, weshalb sie ihren Freund auch anstupste. »Ist das dein Ernst, für deine Ex zu klatschen?«

Er hörte auf und sah sie an. »Carla, das ist auch meine Tochter da oben.«

Sie verdrehte die Augen und sah schnippisch weg. Etwas, was er eher von seiner Tochter gewohnt war, wenn er ihr irgendwas verbot.

Dag atmete tief ein und blickte zurück zur Bühne, als er ein Stich in seiner Magengegend verspürte, denn er sah genau in Isabelles Augen, die ihn und Carla mit Schrecken erfüllt ansahen.

Das hatte er so nicht gewollt.

»Soll ich besser gehen.« , vernahm er schnippisch Carlas Stimme von der Seite.

»Carla, ich ...«

Sie stand auf und ging Richtung Türe.

Dag sah zum wiederholten Male zur Bühne, doch Isabelle war nicht mehr darauf zu sehen. Er wusste auch nicht, wo sie hin war. »Ich komm' gleich wieder.« , sagte er zu Vincent und folgte seiner Freundin nach draußen.

Carla saß auf den Stufen der Treppe, die hinauf führte. »So habe ich mir den Abend bestimmt nicht vorgestellt.« , meckerte sie. »Weißt du, wie ich mich fühle? Die ganze Zeit war ich dein schmutziges Geheimnis und irgendwie ... ja irgendwie bin ich es immer noch.«

»Nein, bist du nicht.«

»Doch Dag. Du hast mich am Tresen abgestellt. Du stellst mich als Carla vor.«

»Das ist dein Name.« , sagte er.

»Ich bin deine Freundin. Deine ... Freundin. Und genauso will ich mich auch außerhalb meiner vier Wände fühlen.« Sie wurde lauter. »Und was machst du? Du himmelst deine Ex an.«

»Ich hab' sie nicht angehimmelt.«

»Du hast sie angestarrt.«

»Sie stand auf der Bühne Carla. Sie ist eine richtig gute Sängerin. Darf ich sie dafür nicht bewundern? Ich habe sie schon ewig nicht mehr so gesehen.« Seine Freundin schmollte und drehte sich weg. Dag ging in die Hocke. Er wusste, dass er es nicht mehr länger hinauszögern konnte. »Komm. Wir gehen jetzt an den Tisch.«

Nun lächelte sie und nahm seine Hand, als er ihr half aufzustehen.

Gemeinsam gingen sie zur Türe.

Reißen wir uns gegenseitig raus, oder reiten wir uns rein (Band 3)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon