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ʟᴇᴇ ᴍɪɴʜᴏ | Fast zwei Wochen ist es nun her, dass ich Jisung das erste mal begegnet bin. Vorher bin ich lediglich zufällig über einen seiner Lifestreams gestolpert und habe danach hin und wieder auf seinen Kanälen vorbeigeschaut – YouTube, Instagram, Tiktok. Ich war beeindruckt – bin es immer noch – und dann geschockt, als er wie ein hilfloses Nervenbündel bei dem Event ganz alleine da saß. Und jetzt bin ich selbst etwas nervös, sehe immer wieder Richtung Tür des Trainingraumes und zupfe immer mal wieder an dem Stoff meiner Jogginghose. Ich habe ihm gesagt, in welchen Raum ich bin, habe ihm ein Foto von der Tür geschickt und gesagt, dass ich mich freue ihn zu sehen. Acht Uhr haben wir gesagt und nun ist es schon fast zehn nach... Nochmal schreiben will ich ihm nicht, will nicht allzu aufdringlich wirken und stehe doch auf, um die Tür aufzureißen. Ich will nur sicher gehen, dass ich ihm die richtige Raumnummer geschickt habe oder er nicht aus Versehen vor der falschen Tür steht
– und schicke damit einen erschrockenen, spitzen Schrei den hellen, beinahe steril wirkenden Flur entlang.

Jisungs verzerrtes Gesicht braucht einen Moment, um sich zu beruhigen. Schnell senkt er seinen Blick und lenkt damit auch meinen auf die Papiertüte in seinen Händen. ,,Hast du mich deswegen warten lassen?", frage ich leise, als ich ihn langsam und vorsichtig in das Innere des Raumes ziehe. Hastig nickt er, schnappt dann aber nach Luft. ,,Nein... Eigentlich hatte ich Angst.", wispert er dann ehrlich. ,,Vor mir?", kichere ich leise. ,,Vor dem Treffen...", zuckt er mit den Schultern und lässt seinen Augen nur für einen Moment zu mir hoch zucken. Verständnisvoll nicke ich, ziehe ihn dann mit herüber zu dem Sofa und dem kleinen Tisch. ,,Du hättest nichts besorgen müssen wirklich." ,,Aber du hast doch geschrieben, dass du bloß gefrühstückt hast.", murmelt er, presst seine Lippen kurz aufeinander und sieht nun endlich wieder vollkommen auf. Ich lächle augenblicklich. ,,Danke.", nicke ich ihm zu. Er ist wirklich aufmerksam. ,,Wie war der Workshop?", versuche ich Gespräch zu starten und warte gleichzeitig darauf, dass er das mitgebrachte Essen auspackt. Um ehrlich zu sein, bin ich wirklich sehr hungrig und der bloße Gedanke an etwas essbares sorgt dafür, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Unschlüssig zuckt Jisung mit den Schultern und ruscht ein wenig zu mir herüber. Ich rieche sein Parfum – oder Deo? Ein angenehm leichter Duft, bei dem ich mir sicher bin, ihn noch nie zuvor vernommen zu haben. Es riecht gut. Und ich hoffe, dass sich der Geruch in mein Gedächtnis einbrennt.

Widersprüchlicher Weise habe ich das Gefühl, dass Jisung mit vollem Mund gesprächiger wird. Vielleicht denkt er aber auch, dass das seine Nervosität überspielt – doch seine Beine zappeln schon wieder viel zu auffällig hin und her. Dennoch muss ich immerzu Lächeln, wenn ich ihn ansehe. ,,Wir haben eine Art Stopptanzen gemacht, um uns aufzulockern.", grinst er. ,,Hat es Spaß gemacht?" Begeistert nickt Jisung. ,,Dann war es gar nicht so schlimm, mh.", schmunzle ich. ,,Doch!", ruft er laut und schlägt meinen Oberarm leicht, ehe er laut zu lachen beginnt. ,,Es war voll peinlich, als ich den betrunkenen Teenager spielen sollte! Alle mussten lachen!" Seine Geste berührt mich auf eine seltsame Weise. Auch ich grinse bei dieser Vorstellung. ,,Ich glaube, ich muss dich mal besuchen, wenn der Dreh anfängt." Ohne zu zögern nickt Jisung. ,,Und dann revanchiere ich mit für das Essen, ja?" Mit hochgezogen Augenbraue drehe ich mich nun zur Seite und kann ihn nun viel besser ansehen. Mir fällt auf, wie nah wir uns sind. Und mir fällt auf, dass das wackeln in seinen Beinen kurz stockt und dann schneller fortfährt. Ich warte auf ein Nicken, lege gleichzeitig eine Hand auf sein Knie und bringe ihn damit entgültig dazu, dass er in seiner Bewegung stockt. ,,Ja?", hake ich nochmal nach, was ihn diesmal gleich nicken lässt, ehe er auf meine Hand schielt und leicht rosige Wangen bekommt.

Als wir eine Stunde später im Aufzug zu meinem Apartment stehen, schmiert er sich mal wieder nervös etwas des Lipglosses auf die Lippen. Es steht ihm gut, unterstreicht die leichte Röte auf seinen Wangen. ,,Wenn dir unwohl dabei ist, mit zu mir zu kommen–" ,,Nein!", sagt er schnell, ,,Nein nein..." ,,Sicher? Ich kann dich jederzeit nach Hause bringen, ja? Denk daran." Er nickt dankbar und schon steigen wir zusammen in der siebten Etage aus. ,,Fühl dich wie zuhause.", erkläre ich, als ich die Tür meines Zuhause aufstoße. Hätte er nicht schon eine Jogginghose an, würde ich ihm eine anbieten, doch so können wir schon wenig später zusammen auf der Couch Platz nehmen. Wir haben uns dazu entschieden, zusammen einen Film zu gucken, denn wie der Zufall will, haben wir beide morgen frei.

,,Komm her." Auffordernd hebe ich die Decke an, die ich gerade von dem Ottomanen genommen habe und hoffe, dass er endlich wieder näher zu kommt. Nicht, dass mich der Abstand stört, doch seine Nähe gefällt mir eben etwas besser. Ich finde ihn süß und entzückend – und auch jetzt, wo er so überrascht zu mir schaut, kann ich nicht anders als eben das zu denken. ,,Danke.", wispert er und sieht dann unsicher auf meine Schulter. ,,Darf ich...?" ,,Natürlich.", nicke ich leicht, greife gleichzeitig nach seinem Arm und hoffe, dass er sich mehr traut, als bloß seinen Kopf an meine Schultern zu legen. Wenn er möchte, soll er mit mir kuscheln, bis die Sonne aufgeht. Noch länger... ,,Du bist so schön warm.", wispert er, als ich von meinen Gedanken getrieben meinen Arm um ihn schmiege. ,,Ich lasse dich jederzeit los.", erinnere ich ihn, habe das Gefühl, dass es ihm schrecklich viel bedeutet, dass ich seine inneren Ängste und fürchterlichen Gefühle verstehe und respektiere. Seine Augen leuchten unmissverständlich auf. ,,Hast du verstanden?" ,,Ja.", nickt er schnell, drückt sich nur noch stärker an mich und nimmt einen so tiefen und entspannten Atemzug, dass ich mich unfassbar geehrt fühle.

,,Wie lange bist du hier in der Stadt?" Während ich das Popcorn in eine Schüssel fülle, streckt Jisung sich, schlägt die weiche Decke etwas zur Seite und stellt mir eben diese Frage. ,,Ich fahre Montag morgen wieder." ,,Schon?", haucht er leise und zieht seine Unterlippe kurz ein Stück vor. Ich schlucke leicht. ,,Ich bin nur eine Woche weg. Sonntag Abend bin ich wieder da.", will ich ihn gleich besänftigen. ,,Ich fahre Freitag selbst weg...", haucht er und mein Herz wird augenblicklich schwerer. ,,Wann bist du wieder hier?", frage ich gleich und eile zu ihm herüber. Die Schüssel landet mit einem etwas lautem Knall auf dem Couchtisch. Dafür kann ich aber schnell wieder neben ihm sitzen und ohne nachzudenken über seine Haare zu streichen. Erst schiebe ich sie zur Seite, tätschle sie dann und bemerke er danach, was ich gerade tue. Ich ziehe meine Hand zurück – nur ein Stück – und lasse sie dann doch wieder zwischen die einzelnen Stähnen fahren. ,,Dienstag." ,,Also treffen wir uns übernächste Woche Dienstag, ja? Egal wie spät es wird." ,,Und morgen können wir doch auch was machen, oder?", fragt er hoffnungsvoll. Ich nicke zustimmend. ,,Wenn du möchtet kannst du ja hier schlafen und– oh man nein, vergiss das, dabei fühlst du dich bestimmt nicht wohl– oder doch?", hauche ich zum Schluss. Verbissen presse ich meine Lippen aufeinander. Ich hätte meine Worte vorher in meinem Kopf sortieren sollen, statt nun so hektisch zu wirken... Ich schüttle den Kopf, schließe meine Augen kurz und sehe dann direkt in die seinen. ,,Willst du?", frage ich also erneut – diesmal viel ruhiger. Ich erkenne, wie sich seine Lippen kräuseln, ehe er sie anscheinend verunsichert voneinander trennt und leicht mit den Schultern zuckt.

,,Hast du eine Zahnbürste für mich?", klimpert er lieblich mit den Augen und unterdrückt schon eine Sekunde später ein glückliches Grinsen, welches ich zu gerne fotografieren würde, um es immer bei mir zu haben.

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cherries and wine | ᵐⁱⁿˢᵘⁿᵍWhere stories live. Discover now