„Und wie wollen wir das bewerkstelligen?" Lissa starrte auf das Stück Papier, über das Donn sich zusammen mit Andhaka beugte. Cassandra stieß sie grinsend in die Seite und bedeutete ihr, abzuwarten. Die junge Frau schnaubte. Geduld war seit ihrem letzten Aufeinandertreffen mit Kasdeya nicht gerade ihre große Stärke. Zugegeben, das war erst zwei Stunden her und sie hatte einen ausgesprochen guten Grund, auf die Rothaarige noch sauer zu sein. Diese hatte ihr eine eiskalte Cola über das Oberteil gekippt.
Lissa strich über den überdimensionalen Hoodie, den sie seitdem trug. Donn hatte ihn kurzerhand ausgezogen und ihr gereicht, damit sie aus ihrem nassen und klebrigen Pulli rauskam. Sie schielte zu ihren drei Freunden, die lautstark diskutierten, wie man es Kasdeya heimzahlen konnte, ohne dass der Verdacht auf sie vier fiel. Eine schwierige Aufgabe, war doch bekannt, wie sehr die Gruppe um das rothaarige Monster Lissa verabscheute.
„Ich würde vorschlagen, dass wir Gil auf Jilaiya ansetzen, um sie auszuschalten. Er steht zwar nicht auf sie, sie aber auf ihn. Um Lissa zu helfen, wird er sich bestimmt aufopfern", schlug Andhaka vor. Donn nickte zustimmend.
„Lilith hat noch ein Hühnchen mit Kasdeya zu rupfen, weil sie ihr letztens im Nobiskrug ein leckeres Häppchen weggeschnappt hatte", fügte Cassandra hinzu. Lissa schmunzelte. Sie erinnerte sich lebhaft an den Streit, der im VIP-Bereich ausgebrochen war, als die Rothaarige sich an den Typen heranschlich, mit dem Lilith nur wenige Minuten zuvor aufgetaucht war. Ein Muskelprotz, der einer Zeitschrift für Krafttraining entsprungen zu sein schien.
„Als leckeres Häppchen würde ich den nicht bezeichnen." Sie kicherte leise. „Die Muskeln waren so aufgebläht, das kann nicht natürlich sein. Wozu braucht man einen Kerl, der sich mit Steroiden vollpumpt? Da war nichts Appetitliches dran."
„Lissa hat einen weitaus besseren Geschmack als du, Cassandra." Donn schaute kurz hoch und suchte Blickkontakt zu Lissa, die sich errötend abwandte.
„Was soll das denn wieder heißen", brummte Andhaka. Er beugte sich über den Tisch und küsste seine Freundin sanft auf die Lippen. „Außerdem darf sie andere Männer anschauen, um sie mit mir zu vergleichen. Solange ich den Vergleich gewinne", fügte er grinsend hinzu. Sein Blick wanderte zu ihrer Oberweite, die sie ihm spielerisch entgegenstreckte.
„Könnten wir uns bitte wieder auf den Plan konzentrieren?" Donn tippte auf das Papier, auf dem kreuz und quer Notizen standen, von denen Lissa nicht einmal die Hälfte entziffern konnte.
„Deine Handschrift lässt übrigens ein wenig zu wünschen übrig", zog sie den Sohn ihres Chefs auf.
„Dafür habe ich andere Fähigkeiten, die ich gerne unter Beweis stelle." Er zwinkerte ihr kurz zu. „Hervorzuheben wäre dabei mein Können im Bereich des Täuschens von unliebsamen Personen. Wenn ich mich recht entsinne, ist das auch in deinem Interesse."
Lissa stieß den angehaltenen Atem aus. Sie hatte eine Anspielung in eine ganz andere Richtung erwartet, doch schien Donn sich weiterhin zusammenzureißen.
„Na dann lass mal deine magischen Kräfte walten, sonst kommt man noch auf die Idee, dass bei dir nur heiße Luft rauskommt." Cassandra gähnte übertrieben.
„Andhaka, sammele mal deine Freundin auf und fahr mit ihr zurück ins Wohnhaus. Die braucht ein wenig Ablenkung. Wir kommen später nach. Hier kann ich wenigstens ohne Störung in Ruhe nachdenken. Im Büro muss man ja ständig damit rechnen, dass eine von den Zicken auftaucht."
Da gab Lissa ihm im Stillen recht. Mittlerweile schlossen sie ihren Raum grundsätzlich ab, damit niemand frech hineinspazierte und sie von der Arbeit abhielt. Sie nahm wahr, wie Andha aufstand und seine Angebetete hochhob, die sich sogleich an ihn kuschelte.
Sie drehte noch einmal den Kopf zu ihnen. „Ach ja, bevor ich es vergesse." Cassandra sah ihn streng an. „Nimm nicht wieder Lissa als Köder. Das geht irgendwann schief. Du kennst die Biester. Dämoninnen wie Kasdeya lassen nicht gern mit sich spielen. Höchstens zwischen den Laken."
„Keine Angst, dieses Mal werde ich persönlich den Lockvogel mimen und sie auf eine falsche Fährte locken." Donn sah überzeugt davon drein, dass es ihm gelang, den Zicken einen Streich zu spielen. Doch Lissas Bauch zog sich krampfhaft zusammen. Eine stille Warnung, dass man die Frauen nicht unterschätzen sollte.
DU LIEST GERADE
Dem Tode zu nahe
ParanormalEin Mädchen - ein Job. Das Unternehmen? Rätselhaft bis skurril. Die Kollegen? Wie den Covern von Modezeitschriften entsprungen. Der Chef? Zwischen unheimlich und charmant. Der direkte Kollege ein Arsch und obendrein Sohn des Chefs. Was kann da schon...