Schwarze Rose

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„Andha benimmt sich seit Tagen seltsam. Er verschwindet mitten in der Nacht, geht mir am Tag aus dem Weg. Er hat Geheimnisse vor mir, Lissa. Ich glaube, er liebt mich nicht mehr." Cassandra verbarg das Gesicht in den Händen und schluchzte leise. Ihr Körper bebte von der Last, die sie ihn ihrem Herzen mit sich trug.

„Das kann ich mir nicht vorstellen", sprach Lissa beruhigend auf die Freundin ein. „Er ist so verrückt nach dir wie Aswa nach Lilith." Sanft streichelte sie der Dämonin über die Haare, rückte näher an sie heran, um ihr Kraft und Mut zu spenden.

„Und warum lässt er mich dann ständig allein?" Cassandra wimmert erneut. „Er ist bestimmt wütend, weil ich erst abgelehnt habe, Ana als meine Ziehtochter anzunehmen und mich nun ausdrücklich gegen den Wunsch meines Vaters stelle. Ich bin doch noch nicht bereit für ein eigenes Kind!"

„Ach was, Andhaka respektiert dich und deine Wünsche viel zu sehr, um dich wegen so etwas zu verlassen." Lissa schüttelte vehement den Kopf, obwohl die Freundin es nicht sah. „Weißt du nicht mehr, wie er um deine Aufmerksamkeit gebettelt hat, bevor ihr ein Paar wurdet? Immer wenn du ihn brauchtest, war er an deiner Seite. Bereit, alle Mühen auf sich zu nehmen, um dir zu helfen."

„Das ist es ja. Jetzt meidet er mich, als ob ich eine mit Weihwasser besprenkelte Heilige wäre. Nein Lissa, er liebt mich nicht mehr." Sie warf sich der Freundin in die Arme und weinte leise weiter.

„Wie eine Heilige siehst du nun wirklich nicht aus. Die sind doch viel zu unscheinbar, um es mit einer wunderschönen Dämonin wie dir aufzunehmen."

„Das hilft mir trotzdem nicht weiter", murrte Cassandra, aber schaute zumindest wieder auf. Die Augen vom Weinen blutrot unterlaufen, die Lippen von den Emotionen zitternd, sah sie wie ein Häufchen Elend aus. „Was soll ich nur machen? Ich liebe diese Ausgeburt der Hölle. Wenn ich ihm nichts mehr bedeute, lasse ich mich von meinem Vater versetzen. Lieber ärger ich mich mit Kasdeya und ihren Biestern herum, als ihn weiter jeden Tag zu sehen und zu wissen, dass er niemals mein sein wird."

„Jetzt redest du Unfug!", wies Lissa sie zurecht. „Freiwillig zu Kasdeya? Bevor ich das zulasse, friert eher die Hölle zu. Und weißt du was? Ich schaue mir dieses Trauerspiel nicht länger an. Ich gehe jetzt zu Andhaka und rede mit ihm." Sie stand auf, klopfte sich den imaginären Staub von der Kleidung. „Du wartest hier schön brav auf meine Rückkehr. Hast du eine Idee, wo er sich herumtreiben könnte?"

„Er hat sich vermutlich wieder ins Gewächshaus verzogen", murrte die verletzte Dämonin. „Ich hoffe nur für ihn, dass er sich dort nicht mit einer anderen Frau vergnügt." In ihren Augen blitzte es rot auf. Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich aufeinander. Die Nasenflügel gebläht, kam sie Lissa vor wie eine Rachegöttin.

„Du bleibst schön brav hier, wie ich bereits sagte." Sie tätschelte der Freundin die Wange. „Und wenn Andha zwischen den Blumen mit einer Kollegin herummacht, ziehe ich ihm eins mit dem Besen über, das verspreche ich dir."

„Nimm etwas Härteres," brummte Cassandra, „einen gusseisernen Kanaldeckel oder so. Bei seinem Dickkopf dringt nicht anderes durch."

Eine Stunde später kehrte Lissa unverrichteter Dinge zurück. Unsicher knabberte sie auf ihrer Lippe. Wie sollte sie es der Freundin erklären, dass deren Gefährte unauffindbar war?

„Es hilft alles nichts", murmelte sie und ließ den Blick zwischen Aufzug und Treppenhaus schweifen. Letztendlich entschied sie sich, die Treppen zur Ruhelounge zu nehmen. Gleichzeitig Training und die Möglichkeit, sich die Worte, die sie ihr sagen wollte, zurechtzulegen. Mit einem auf den Fußboden gerichteten Blick betrat sie schließlich den Raum, in dem Cassandra wie eine Katze zusammengerollt auf einem der zahlreichen Sofas lag. Sie machte gerade den ersten Schritt auf sie zu, als eine große Pranke sie an der Schulter zurückhielt. Sie drehte sich zu dem Mann um.

„Lässt du mich bitte mal vorbei." Andhaka sprach ungewohnt leise, fast flehentlich. Eine Hand hinter dem Rücken versteckt, sah er sie bettelnd an. In seinen Augen schimmerte es feucht. „Bitte lass mich nicht mit ihr allein. Ich brauche dich."

Lissa nickte mechanisch und schaute zu, wie Andha auf Cassandra zulief. Er hatte die Hand nach vorne geholt, hielt etwas vor seine Brust. Vor der Couch angekommen, ließ er sich auf ein Knie sacken und räusperte sich. Es kam ihr so vor, dass er hilflos nach Worten suchte. Sie trat etwas näher heran. Teils, um besser zu sehen, teils, um ihm mit ihrer Anwesenheit Kraft zu spenden.

„Was willst du", murrte die Dämonin mit geschlossenen Augen. Ihre Stimme zitterte, verriet die Furcht vor dem Gespräch, das auf sie wartete.

„Cassandra, Tochter des Höllenfürsten, ich bin deiner unwürdig", begann er schleppend. „Du verdienst einen mächtigeren Dämon als mich." Er stockte, wartete eine Reaktion der Frau ab, die ihm stur den Rücken zuwandte.

Lissa hielt den Atem an. Hatte die Freundin die ganze Zeit über mit ihren Vermutungen recht gehabt? Wie erstarrt sah sie weiter zu.

„Cassandra, Tochter meines Herrn, ich bin deiner unwürdig, doch kann nichts das brennende Verlangen nach dir in meiner Brust löschen. Daher knie ich unseren alten Bräuchen gehorchend heute vor dir und flehe dich aus tiefsten Herzen an, meine Frau zu werden. Nimm diese schwarze Rose als Zeichen meiner Liebe zu dir."

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt