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„Tante Lenya?" Eine kleine Hand rüttelte an meiner Schulter. Die Stimme klang so jung und schüchtern. „Tante Lenya, spielst du mit mir?"

Ich gab verschlafende Laute von mir und drehte den Kopf ein wenig. Das kleine Mädchen hatte sich auf ihren Armen abgestützt und hing mir beinahe im Gesicht. Irgendwo vernahm ich Kais Lache.

„Sofort?", nuschelte ich und drehte mich auf die Seite. Ein Ziehen durchfuhr meine Beine. Ich verzog das Gesicht und blickte hinunter, erinnerte mich. Meine Hose war fort. Akio hatte mich dazu ermutigt und ich lag seither in der prallen Sonne. Heute Abend musste ich den Sonnenbrand gut einschmieren und unbedingt kühlen.

Warum hatte ich das gemacht?

Kais älteste Tochter setzte sich aufrecht und grinste mich breit an. Es sah ihrem Vater sehr ähnlich, sodass ich nicht umhin kam, es zu erwidern. Mira war ein wahrer Sonnenschein.

„Spielt deine Schwester nicht mehr mit dir?"

„Leni schläft bei Papa." Sie zeigte über die anderen Köpfe der Erwachsenen hinweg. Unter einem Schirm saß Kai, der seine Tochter auf seinen Beinen sitzen hatte. Der kleine Körper schmiegte sich an seine Brust und schlummerte friedlich.

Ich streckte meine Arme. „Na gut, was möchtest du denn machen?"

„Papa hat gesagt, ich soll fragen, ob jemand mit mir Wasser holt. Vin und Aki haben keine Lust und Rafa ist mit Lotte weg."

Wie sie die Namen der anderen aussprach, entlockte mir ein Kichern.

„Du musst nicht", sagte Kai zu uns herüber.

Ich wollte nicht. Es bedeutete, an den Menschen vorbei zu gehen, die sich in den letzten Stunden vermehrt hatten. Noch mehr Leute bekamen meinen Körper zu Gesicht. Mehr Augen würden die Narben ansehen und sich Fragen stellen. Man würde Mitleid mit mir haben.

Warum zerbrichst du dir dann so sehr den Kopf, was Fremde über dich denken könnten?

Akios Stimme hallte in mir nach, erinnerte mich an seine Worte und wie er mich durch die Menschen geführt hatte. Er hatte an mich geglaubt und mir gezeigt, dass ich alles schaffen konnte. Seinetwegen saß ich nur noch in meinem Bikini und dem Top auf dem Handtuch. Ich hatte mich von ihm überzeugen lassen, weil er mich erkennen lassen hatte, wie schön er mich fand.

„Aber du musst an meiner Hand bleiben", verlangte ich, denn ich brauchte das Wissen, dass jemand da war. Dass man mich festhielt.

Während Mira zurück zu ihrem Vater lief, um zwei Eimer zu holen, drehte ich mich zu Akio herum und erinnerte ihn, dass er sich drehen musste. Seine Haut war mittlerweile mindestens genauso gerötet wie meine Beine. Er sollte den Sonnenbrand nicht noch verschlimmern.

Akio brummte lediglich. Also beugte ich mich über seinen Körper und stupste Vince an. „Du auch. Ihr könnt euch bald zu Krebsen setzen und man wird keinen Unterschied sehen."

„Klar", grummelte Vince und drehte sich von mir weg. Seinen Arm nutzte er als Schutz vor dem hellen Licht der Sonne.

„Komm, Tante Lenya!", rief das kleine Mädchen euphorisch. Sie strahlte und hielt mir ihre Hand hin, um meine Worte umzusetzen.

Ich hatte Angst. Ich war mir nicht sicher, ob ich den Weg zum Meer und zurück schaffte.

Dennoch stand ich auf, umschloss die winzige Hand und setzte einen Fuß vor den anderen. Sie plauderte und zeigte mir bis zum Meer allerlei Dinge, die sie als spannend empfand. Ich musste mich zusammenreißen, damit ich ihrem Finger folgte und mir anschaute, wovon sie redete. Meine Nerven waren bis zum Bersten gespannt, aber ich hielt ihre Freude aufrecht.

Verloren - Zurück im LebenWhere stories live. Discover now