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„Solltest du nicht im Wohnzimmer sitzen und Rafe unterstützen?" Ich zog den Pullover über den Kopf und schloss anschließend meinen Kleiderschrank. Es war ein seltsamer Anblick, Akio in der Kleidung meines Vaters zu sehen. Vince und Rafe sahen ähnlich aus. Sie hatten alle Sachen von ihm bekommen, um die Nässe und Kälte loszuwerden.

Es hatte nicht auf dem Plan gestanden, zu mir zu gehen. Akio hatte die Entscheidung getroffen, als wir alle im Auto gesessen hatten. Er hatte uns hergefahren, damit wir mit meinem Vater offen redeten. Jetzt waren alle Erinnerungen zurück und mein Vater musste erfahren, weshalb ich in dem Bus gesessen hatte. Vor allem würde er das erste Mal von dem grausamen Mobbing hören, dass seinen beiden Kindern widerfahren war.

„Sie umschiffen das Thema noch, weil du nicht da bist." Akio schloss die Tür und kam zu mir. Ihm war die Enttäuschung anzusehen, die Kai hinterlassen hatte. Noch immer hatten wir nichts von unserem Freund gehört. Wir wussten nicht, wieso er sich unsichtbar machte und auf keine Nachricht oder einen Anruf einging.

Kai hatte sein Kind nach mir benannt, hatte Bilder von uns in seiner Wohnung hängen. Seine Familie wusste alles über mich. Trotzdem mied er mich und war nicht bereit, mit mir zu reden. Er könnte endlich erfahren, was kurz vor dem Unfall geschehen war. So viele Fragen könnten beantworten werden, aber er hatte sich für Ignoranz entschieden.

Ich sah zu der Wand, die beinahe vollständig war. Darauf war die Verbundenheit aller zu erkennen. Das Glück. Die Freude. Der Spaß. Man erkannte die Wandlung. Jeder war aus seiner Einsamkeit herausgezogen worden.

„Es wird nicht mehr wie früher", sprach ich leise.

„Nicht alles." Er stellte sich vor mich und legte seine Hände an meine Hüfte. „Lass dich davon nicht runterziehen."

Wir sahen uns an und ich fragte mich, ob ich mich runterziehen ließ. Es machte mich traurig, das stimmte, aber nur, weil Kai neue Prioritäten gesetzt hatte und Rafe sich auf Charlotte fokussieren musste. Das zerriss unsere Gruppe. Nichtsdestotrotz gab es etwas – jemanden - dass die Veränderung in das Licht rückte.

„Vor ein paar Tagen hätte es mich umgebracht", gab ich zu und legte meine Hände auf seine Brust. „Heute sehe ich das Gute darin."

Akios Mundwinkel hoben sich und brachten ein schönes Lächeln hervor. Keiner von uns musste aussprechen, was ich angedeutet hatte. Fünfzehn Jahre hatten wir gebraucht, um diesen Schritt zu wagen, obwohl die Gefühle auf Gegenseitigkeit ruhten. Wir hatten wie Idioten umeinander getänzelt und alles unterdrückt, um die Freundschaft nicht zu riskieren. Die Freundschaft war uns immer heilig gewesen. Nun war sie von mehr Leidenschaft begleitet.

Unsere Münder fanden selbstverständlich zueinander. Bis gestern Mittag hätten wir uns das nicht gewagt. Akio hatte zwar erzählt, dass er um mein Herz kämpfen wollte, weshalb er am Meer sehr viel weiter gegangen war, als ich es von ihm kannte, aber ich glaubte nicht, dass er es zu einem Kuss kommen lassen hätte. Selbst er hatte gebangt und wollte nichts machen, das unser Band zerstören konnte.

Akios Hände schoben sich unter meinen Pullover und drückten mich mehr an seinen warmen Körper. Jede Berührung war federleicht, gleichzeitig ließ er mich spüren, wie sehr er das hier wollte. In seinen Armen war ich zuhause. Bei ihm vergaß ich die fürchterlichen Erinnerungen und gab mich ganz seiner Leidenschaft hin.

Ich hörte mich seufzen und fühlte seine Erregung daraufhin. Seine Fingerspitzen drückten fester zu. Mit den Zähnen packte er meine Unterlippe, entlockte mir einen weiteren leisen Laut. Binnen Sekunden verlor ich mich. Ich ließ mir den Pullover ausziehen, blieb in einem engen Top vor ihm stehen. Er sah alles, jede Hinterlassenschaft des Unfalls und kurz blitzte Schmerz in seinen Augen auf.

Verloren - Zurück im LebenWhere stories live. Discover now