12. Kapitel

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Louis:

Ich lasse mich fallen. Mehr oder weniger zumindest. Jetzt liege ich mitten auf der roten Tartanbahn. Meine Arme und Beine sind alle von mir gestreckt, ich sehe bestimmt aus wie ein Seestern in diesem Moment. „Fuck, du bist schnell." Ich grinse, atme aber immer noch schwer und sehe zu meinem Teamkollegen. „Ich weiß." – „Ich dachte nicht, dass du so... du hast viel zu kurze Beine, um so schnell zu sein." – „Fick dich." Er setzt sich neben mir auf die Bahn und atmet tief durch. Meine Muskeln brennen, von meiner Lunge ganz zu schweigen, aber ich liebe dieses Gefühl. Ich bin vollkommen ausgepowert. Meine Haut ist nass vom Schweiß und meine Gedanken still. Das sind sie immer, wenn ich meinen Körper zwinge, Höchstleistungen zu bringen.

„Hast du schon etwas vom Coach gehört?", fragt er mich nach einer Weile. Ich schüttle den Kopf. „Nein, noch nicht." – „Er wäre schön blöd, wenn er dich nicht nehmen würde", meint er. Ich drehe meinen Kopf und sehe Liam an. „Du sagst das nur, weil du denkst, er wird dich nicht nehmen." – „Wird er auch nicht." – „Liam." – „Lass gut sein, okay?", unterbricht er mich, bevor ich weitersprechen kann. „Einer von uns wird vielleicht – und nur vielleicht – bei der Landesmeisterschaft antreten und im Wasser bist du schneller als ich. Im Wasser. Kaum zu glauben, dass ich inzwischen sogar Leistungsschwimmen mit in mein Training integriert habe. „Aber ich bin nicht der beste im Verein", erinnere ich ihn. „Falsch", antwortet er und reicht mir eine Wasserflasche. Ich öffne sie gierig und muss mich zwingen, nicht direkt alles auszutrinken. Als ich angefangen habe, so hart zu trainieren, ist mir das immer wieder passiert: Nach dem Training (oder auch währenddessen) habe ich so viel getrunken, dass mir schlecht wurde und ich mich wie ein aufgeblähter Wal fühlte. Das ist weder ein schönes Gefühl, noch ist es zielführend.

„Aber niemand kann alles so gut, wie du. Ich zum Beispiel bin super im Wasser, aber scheiße auf der Laufstrecke", erwidert er. „Das ist ein Triathlon, Louis. Man muss alles können und nicht nur eine Sache perfekt." – „Man muss alles perfekt können", korrigiere ich ihn. Ich bin im Wasser noch nicht schnell genug, noch lange nicht. Nachdem ich mit dem Laufen angefangen habe, habe ich im Urlaub vor einigen Jahren das Radfahren für mich entdeckt. Der Sprung zum Triathlon war nicht mehr weit. Also habe ich mit 15 kurzerhand den Verein gewechselt und mache nun alle drei Disziplinen. Laufen ist nach wie vor mein Favorit. Inzwischen trainiere ich fünfmal die Woche. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es reale Chancen gibt, dass ich bei den Landesmeisterschaften mitmachen kann.

Liam und ich gehen duschen. Es ist Winter und mir ist zu kalt nassgeschwitzt rauszugehen. Da dusche ich lieber hier im Verein. Außerdem liegt die Chance recht hoch, dass Fizzy oder Lottie um diese Uhrzeit das Bad belegt haben. Ich nehme mir etwas Shampoo und werfe es Liam rüber. „Feierst du Silvester eigentlich mit... äh... wie hieß er nochmal?", fragt er mich. „Mason? Nö." Ich schüttle den Kopf. Mason und ich haben zusammen unseren Schulabschluss gemacht. Lange Zeit hatten wir nichts miteinander zu tun – bis wir dann nach einer Party im Bett gelandet sind. Der Kerl ist so verdammt gut, was Sex angeht. Was allerdings zwischenmenschliche Kommunikation betrifft... naja. „Wie kommt's?", fragt Liam verwundert. Ich zucke mit den Schultern. „Er hat irgendwie vergessen mir zu sagen, dass er in Amsterdam studieren wird." – „Ernsthaft?" – „Ich will nicht mit ihm und seinen Freunden ins neue Jahr starten und wissen, dass er zwei Wochen später sowieso aus meinem Leben verschwinden wird", entgegne ich. „Und du bist okay damit?" – „Im Gegensatz du dir verliebe ich mich nicht sofort", schmunzle ich und nehme mir das Duschgel.

„Ey!" – „Du weißt, dass ich recht habe. Letztens war es Mary, richtig? Und im Oktober? Stephanie? Und im Sommer?" – „Halt die Klappe. Du bist ein Arschloch." Ich fange an zu lachen. Liam weiß genauso gut wie ich, dass ich recht habe. Jedes Mal denkt er, er hätte die große Liebe gefunden, nur um wenige Wochen später auf den Boden der Tatsachen zurückzufallen. Seitdem seine erste Freundin ihn verlassen hat, irrt er planlos in der Welt des Datings umher. „Du solltest dich mal verlieben. Würde dir gut tun." – „Ich habe meinen Spaß, danke", grinse ich scheinheilig und wasche meine Haare aus. Die Sache mit Mason lief ein paar Wochen. Es hat Spaß gemacht, aber ich bin nicht verliebt. Der Sex ist gut, er küsst gut. Was will ich mehr?

Under The SurfaceWhere stories live. Discover now