Kapitel 14

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„Wir haben noch eine verletzte Person", gab ich über Funk durch und rannte zu der Frau. Sie lehnte sich kraftlos mit dem Rücken gegen die Wand und entblößte so ihre Wunde am Bauch. Ich konnte nicht einmal sagen, wo sie getroffen wurde oder wie oft, weil da so viel Blut war.
Ich presste meine Handflächen an die dunkelste Stelle und hoffte, dass ich Blutung einigermaßen stoppen konnte. Warm lief die Flüssigkeit über meine Finger und tränkte meine fingerlosen Handschuhe. Ihr Bauch hob und senkte sich nur noch leicht. Als ich der jungen Frau in die Augen sah, war ihr Blick bereits völlig benebelt.
„Hey", sprach ich sie an. „Wie ist ihr Name?" Ich bekam keine Antwort. Mit jeder Sekunde, die verstrich, und in der keine ärztliche Hilfe kam, stieg meine Angst, dass sie unter meinen Händen wegstarb. „Bleiben Sie bei mir!" Meine Stimme war laut, aber sie schien dennoch nicht zu der Frau durchzudringen. Ihre Atmung wurde immer flacher. Ich drückte noch stärker auf die Wunde. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis endlich zwei Sanitäter kamen und mich ablösten. Ich trat einige Schritte zurück, um ihnen Platz zu machen und sah mit an, wie sie Schusswunde notbedürftig abbanden und die Frau auf einer Liege abtransportierten.
Ich wischte meine Hände grob an meiner schwarzen Hose ab, sodass ich nicht unbedingt wie eine Mörderin aussah, als unten aus den Türen trat. „Wurdest du getroffen?" Ich zuckte vor Schreck kurz zusammen. Warum Chris sich auch immer so anschleichen musste. „Was?", fragte ich verwirrt. „Nein. Hast du den Funk nicht gehört? Das ist nicht mein Blut, sondern von einer Verletzten. Ich habe nur ihre Wunde versorgt. Oder zumindest versucht."
Im Wagen fand ich zum Glück ein Tuch, mit dem ich die restlichen Flecken entfernen konnte, doch einige Stellen waren schon angetrocknet. Da hilf nur noch Wasser. Ich hoffte, dass die Frau überleben würde. Im Krankenhaus würde sie die beste Behandlung bekommen, die sie kriegen konnte, doch sie hatte schon so viel Blut verloren, dass es mich wunderte, dass sie überhaupt noch Blut in sich hatte. Dieses ganze Blut. An der Wand, auf dem Boden, an ihrer Kleidung, an meinen Händen. Ich schüttelte mich unter den Bildern in meinem Kopf.
Auch unter Dusche rasten meine Gedanken weiter. Das rot verfärbte Wasser, das in den Abfluss lief, rief unschöne Erinnerungen in mir hoch. Ich schloss die Augen, kniff sie so hart zusammen, bis kleine Punkten im Schwarzen tanzten, doch auch das war ein Fehler. Wie eine Diashow flogen Erinnerungsstücke an mir vorbei. Die Kopfwunde eine Woche vor meinem Geburtstag, die ausgekugelte Schulter vor Thanksgiving, die blauen Flecken, die nicht einmal unter meiner Schminke verschwanden. Übelkeit wallte in mir auf. Ich lehnte meine Stirn gegen die kalten Fliesen und atmete tief durch, um meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Meine Nägel, die sich in der Faust in meine Haut drückten, trugen dazu bei, dass ich mich nur noch auf diesen Schmerz konzentriert. Einatmen, Ausatmen. Das alles ist Vergangenheit. Ich konnte mich nach Jahren nicht immer wieder von diesen dunklen Erinnerungen aus der Bahn werfen lassen. Es war alles in Ordnung, sprach ich mir in Gedanken zu. Ich war in Ordnung.
Ich drehte das Wasser ab und schlüpfte in eine frische Uniform. Da ich ein wenig fröstelte, beschloss ich, auch die Strickjacke anzuziehen, die bis jetzt nur in meinem Schrank gammelte. Sie war kuschelig und dunkelblau und an den Seiten waren Aufkleber vom LAPD-S.W.A.T. aufgebügelt.
Den Rest des Tages ließ ich ruhig angehen. Das Training ließ ich diesmal ausfallen und beschäftigte mich stattdessen mit alten Fällen. Die Akten hatte ich mir bei Cortez besorgt und mich damit in der Cafeteria verschanzt. Ich wusste nicht, wonach ich suchte und was es mir bringen sollte, sämtliche Berichte zu lesen und Tatortfotos zu studieren. Doch nach einer Weile war ich wie gefangen in der Welt von Drogenbossen und Menschenhändler. Die meisten Akten waren schon geschlossen. Gelöste Fälle, Menschen, die überführt und größtenteils für lebenslange Zeit weggesperrt worden waren, oder bei den Verhaftungen ums Leben kam. Mir fiel auch auf, dass es viele Cops gab, die undercover mitgeholfen hatten, die Verbrechen aufzuklären und ans Tageslicht zu bringen. Es musste viel Mut dahinter stecken, freiwillig in einen Drogenring zu gehen und dort als Spitzel für die Polizei zu arbeiten. Aus Erfahrung wusste ich, dass Verräter die Menschen waren, die die Bosse am wenigstens mochten und am meisten bestraften. Wurde man demnach erwischt und als Polizist enttarnt. Ich schüttelte angeekelt den Kopf. Ich wollte mir nicht vorstellen, was die mit einem Cop anstellten, denn einen Maulwurf einfach zu erschießen, war meist nie der Fall. Oft wurde man tagelang gefoltert. Bis man sich wünschte, man würde sterben.
In Detroit gab es einen Fall, bei dem ein Officer aufgeflogen worden war. Im Endeffekt landete sein abgetrennter vor den Stufen des Departements.
Street und Tan leisteten mir für eine Weile Gesellschaft und machten Sandwiches, doch mir wurde schnell klar, dass die beiden nicht wirklich arbeiten wollten. Sie alberten die meiste Zeit nur herum, machten Witze oder zeigten sich lautstark Videos auf ihren Handys. Bis es mir zu anstrengend wurde und ich die beiden aus der Küche warf.
Kurz danach fand ich eine Akte, die meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie war im Vergleich zu den anderen ziemlich dünn und bestand nur aus wenigen Blättern. Eins davon war Bild von einem Mann mit einigen Angaben zu ihm darunter. „Alvaro Rossi", las ich laut vor. Allein sein Bild ließ mich schon schaudern. Seine breiten Schultern passten gar nicht komplett in sein Foto. Dazu kurz geschorene Haare und die vielen Tattoos an Kopf, Nacken und im Gesicht. Das schlimmste allerdings war sein Blick. Diese dunklen Augen, die sich unter die Haut brannten und mordlustig in die Kamera schauten. Er war die Sorte Mann, mit der man unter keinen Umständen allein sein wollte.
Die nächsten Zettel bestanden nur aus einigen handschriftlichen Notizen, Fotos, die heimlich von ihm gemacht wurde, als er beispielsweise ein Haus verließ oder in einem Wagen saß, und Daten von Polizeieinsätzen. Bei diesen Polizeieinsätzen waren vor allem Drogen und Waffen, aber auch unzählige Morde im Spiel. Komisch. Ich nahm an, dass die Morde und anderen Verbrechen auf Alvaros Kappe gingen, doch so weit ich es herauslesen konnte, war er immer noch ein freier Mann.
Die Küchentür schwang auf. Street und Tan brachten mich irgendwann nochmal um den Verstand. „Ich schwöre euch ...", sagte ich wütend, ohne aufzusehen. „... wenn ihr nur wieder Blödsinn machen wollt, macht das woanders. Sonst werde ich euch wehtun."
„Woah!" Die Stimme gehörte eindeutig nicht zu Street oder Tan. Ich sah auf. Chris stand mit hochgehobenen Händen in der Tür. „Keine Gewalt, bitte." Ich spürte, wie das Blut in meine Wangen stieg. „Sorry", sagte ich verlegen. „Ich dachte, du wärst jemand anderes."
„Dann bin ich ja beruhigt." Sie öffnete den Kühlschrank und griff nach einer Wasserflasche. Ich bemühte mich wirklich, nicht auf ihre nackten Arme und die kleinen Tattoos zu starren. „Schiebst du heute eine Nachtschicht?" Als sie sich umdrehte, studierte ich die Mappe vor mir. Die Uhr an meinem Handgelenk zeigte, dass es viel später war als gedacht. Es war fast sieben Uhr und am acht war ich mit Ben verabredet. Ich schloss die Akte. „Nein. War nur gerade spannend." Ich rutschte vom Hocke. Chris machte einen Schritt auf mich zu. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, doch sie nahm sich nur die oberste Akte und blätterte darin. Dann gibt sie einen zustimmenden Laut von sich und reicht mir die Unterlagen zurück. „Alvaro Rossi. Echt kranker Typ. Nur leider konnte ihm noch nie jemand irgendetwas nachweisen."
„Irgendwann macht jeder Fehler", erwiderte ich. Chris nickte. „Warum bist du überhaupt noch hier?" Dass sie Sportsachen anhatte, nahm ich erst nach meiner Frage wahr. „Ich war noch am Boxsack. Da vergesse ich die Zeit irgendwie." Sie öffnete ganz vorbildlich die Tür und ließ mich hindurchschlüpfen. Mein Herz machte einen zweiten Sprung, als ich kurz ihren Geruch einatmete. „Ach, du hast heute dein Date mit Ben." Ein Nicken meinerseits. Chris' Unterkiefer spannte sich merklich an, doch im selben Atemzug hatte sie wieder ihren neutralen Gesichtsausdruck. „Dann ... viel Spaß. Ich werde noch ein bisschen trainieren. Wir sehen uns dann morgen Abend." Sie sah aus, als würde sie noch etwas sagen wollen, doch dann schloss sie ihren Mund wieder und war so schnell verschwunden, dass mir gar keine Zeit blieb, um ihr zu antworten. Chris war einfach im nächsten Flur verschwunden und ich stand wie angewurzelt im Flur. Vielleicht war sie auch einfach nicht in Redelaune gewesen.
Zu Hause legte ich ein stärkeres Make-up auf. Das volle Programm. Smokey-Eyes, roter Lippenstift, einen kräftigen Rouge. Glücklicherweise fand ich noch ein passendes Kleid in meinem Schrank. Es sah sexy aus, aber wirkte nicht billig. Das Kleid war aus schwarzem Samt und reichte mir fast bis zu den Waden. Auf einer Seite war es eingeschnitten, sodass mein Oberschenkel beim Gehen präsentiert wurde. Der Stoff lief oben an meinem Nacken zusammen, daher waren mein Schultern frei. Meine blonden Haare drehte ich mir zu Locken und steckte sie zur Hälfte hoch. Ich musste zugeben, dass ich nicht schlecht aussah, als ich mich kurz vor acht Uhr im Spiegel im Flur betrachtete.
Ein Hupen ertönte, als ich mir gerade meine Riemchensandalen zuband. Schnell schnappte ich mir meine glitzernde Handtasche und mein Handy von der Kommode und ging, so schnell es mit Hacken eben ging, die Stufen herunter. Unten stieß ich beinahe gegen eine andere Person. Ich dachte, es wäre Ben, der vor der Tür auf mich wartete, doch es ein unbekannter Junge, der nicht älter als siebzehn sein konnte. Zumindest ließen mich das seinen blonden Locken und die elfenhaften Züge denken. „Entschuldigung, Ma'am." Er machte Platz, damit ich an ihm vorbeikonnte. „Wohnen Sie hier?", wollte er wissen. Ich sah ihn fragend an. „Ich bin heute eingezogen", fuhr er fort. „Ich dachte nur, ..." Ich sah an dem Jungen vorbei zu Ben, der im Auto saß. Er beobachtete die Szene mit einer unschlüssigen Miene. „Schon gut. Ja, ich wohne hier." Ich schob die Tür, die in meinen Rücken drückte, nach hinten, damit der Junge ins Treppenhaus konnte. „Dann, willkommen in der Nachbarschaft", rief ich und ließ ihn dann stehen.
„Wer war das denn?" Ben hörte sich nicht gerade begeistert an. Ugh, war er etwa eifersüchtig? „Gute Frage. Ein neuer Nachbar, meinte er. Keine Ahnung." Er beließ es dabei und fuhr los. Ich wusste nicht einmal, wo genau wir hin wollten, doch ich fragte auch nicht nach. Die Stille im Auto war beinahe erdrückend und ich war heilfroh, als wir endlich in eine Parklücke fuhren.
Ich sortierte meine Handtasche, als Ben den Wagen umrundete und die Beifahrertür öffnete. „Darf ich bitten?" Er hielt mir seine Hand hin, die ich dankend annahm. Ich hakte mich bei ihm unter und ließ mich die nächsten Meter führen. Von weitem war bereits klar, wohin er wollte. Maceys.
Na super. Dann würde ich mein Team heute doch noch sehen. Und Chris. Konzentriere dich, Gwen! Mein Date war Ben. Alles andere waren Hirngespinste. Die Schlange vor dem hell erleuchteten Eingang war übersichtlich, doch wir reihten uns nicht. Ben ging völlig selbstbewusst zu einem der Türsteher und nickte ihm zu. Der bullige Glatzkopf hakte das Absperrungsband aus und ließ uns passieren. „Viel Spaß", wünschte er uns. Ich wollte Ben fragen, was das eben war und warum wir eine Sonderbehandlung genießen durften, doch das Innere der Bar lenkte mich ab.
Es war diese Mischung aus den schwarzen Fußböden, den goldenen Hervorhebungen an den Wänden und Möbeln mit wilden Neonlichtern, die jede Sekunde ihre Farbe änderten. Um die Tanzfläche in der Mitte herum waren Tische mit Sesseln, Sitzecken und Stehtische aufgestellt - alle aus einem edlen dunklen Holz und eingearbeiteten goldschimmernden Akzenten. Die Bar auf der linken Seite war ebenfalls dunkel gehalten, die Zapfhähne golden. Auf Lampen schien der Bauherr verzichtet zu haben, doch die Neonlichter und Scheinwerfer, die im Raum verteilt waren, reichten für ein angenehmes dämmendes Licht aus. Die Bar war bereits gut gefüllt. Die meisten Gäste tummelten sich vor der Bar, nur einige wenige waren bereits auf der Tanzfläche.
Ben zog mich zur Bar und bestellte für uns beide einen Martini. Der trockene Aperitif ließ mich mich schütteln. „Nicht so deins?" Ben sah mich feixend an. „Nicht wirklich", hustete ich und stellte das leere Glas ab. Unsicher, was ich tun sollte, lehnte ich mich leicht gegen die Bar und ließ mein Blick durch die Menge schweifen. Die ersten Paare knutschten schon wild herum, als wären sie wieder in ihren Teenagerjahren, dabei war es gerade einmal um zehn. Dann fixierte ich den DJ, der sein Pult aufbaute. Eine Hand umfasste meine Hüfte. „Du siehst übrigens sehr gut aus", flüsterte Ben dicht an meinem Ohr. Ich lehnte mich ein Stück zurück, um ihn anzusehen. Ich hauchte ein leises „Dankeschön". Die kleinen Bartstoppeln machten ihn in seinem weißen T-Shirt und der ausgeblichenen Jeans noch attraktiver. Er sah aus wie ein richtiger Bad-Boy, auch wenn er sicherlich alles war außer das.
Mit neuen Drinks setzten wir uns in eine Sitzecke. Ben war ein wirklich guter Gesprächsführer. Er schien immer zu wissen, was er in welchem Grade fragen durfte, wann er lieber nicht weiter nachhakte und zu einer anderen Frage überging, wann er lachte und wann er nur zuhörte. Zu meiner Geschichte von Freiheit und Unabhängigkeit, die mich nach L.A. getrieben hatten, sagte er nichts weiter, sondern erzählte nur, dass er schon immer hier wohnte und auch nicht vorhatte wegzugehen. Ben hatte auch keine Freundin. Seine letzte Freundin lernte er in der Highschool kennen und trennte kurz vor ihrem Abschluss auch wieder. Danach ging er zur Polizei und arbeitete seit dem dort. Zu seiner Familie schien er ein gutes Verhältnis zu haben, zumindest erzählte er mit einem strahlenden Lächeln von seinen Eltern und seiner kleinen Schwester, die vor kurzem ihre letzte Chemotherapie hatte.
Nach zwei Stunden hatte ich den Überblick über die Anzahl meiner Drinks verloren, doch mein leicht schwirrender Kopf sagte mir, dass ich genug hatte - zumindest vorerst. Die anderen waren vor einer Stunde gekommen, hatten mich aber nicht gesehen. Sie saßen an der Bar und schienen eine Menge Spaß zu haben. Doch als sich einige von Bens Arbeitskollegen zu uns setzen, achtete ich irgendwann gar nicht mehr auf die anderen.
Die Namen von den drei Jungs hatte ich schnell wieder vergessen. Einer hieß, glaube ich, Michael oder Mike. So in der Art. Den einzigen Namen, der in meinem Gedächtnis blieb, war der von der rothaarigen Frau. Chelsea. Sie war Bens Streifenkollegin, so wie ich es mitbekam. Mit ihren Sommersprossen und der herzlichen Art erinnerte sie mich ein wenig an Ginny aus den Harry Potter - Büchern. Dass Bens Hand auf meinem Bein landete, bemerkte ich auch nur nebenbei, doch es fühlte sich vertraut an. Nicht aufdringlich oder zwingend, sondern beiläufig und leicht.
„Ich muss mich mal kurz frisch machen", flüsterte ich in sein Ohr und quetschte mich aus der Sitzbank. Die diskutierten gerade über einen gestrigen Einsatz und da ich mich daran nicht beteiligen konnte, war das die perfekte Gelegenheit, um meine zehn Drinks wieder loszuwerden.
Ein beklemmendes Gefühl beschlich mich, als ich mich durch die Menschenmengen drängelte. Ich wusste, wie unwahrscheinlich es war, auf jemanden zu stoßen, der mich kannte, aber meine Angst war vorhanden. Ich spürte sie, wie sie meine Wirbelsäule hochkroch und mich kalt am Nacken packte. Doch hier kannte mich niemand. Außer den Kollegen vielleicht.
Früher in Detroit war das anders. Wenn ich ausging, was sehr selten vorkam, kannte mich jeder. Ich war die Frau von Brent und damit keine eigenständige Persönlichkeit. Aber ich musste zugeben, dass ich es mochte, dass mich jeder kannte. So ließen sich zumindest viel leichter Gespräche anfangen. Doch Brent gefiel es gar nicht, wenn ich in Bars oder Clubs ging, also ließ es ich. Bis ich nur noch in unserem Haus hockte und die vier Wände lediglich zum Einkaufen und Arbeiten verließ. Ich hatte alles für ihn aufgegebenen. Meine Freunde, meine Familie, meine Hobbys, alles, was mir Spaß machte. Ich hatte mich selbst aufgegeben. Ich wollte seine Geduld unter keinen Umständen ausreizen, denn das hatte ich immer teuer bezahlt. Also tat ich alles, was er wollte und wie er es wollte, bis ich nur noch eine funktionierende Maschine war.
„Wenn du das Wasser weiter laufen lässt, gibt es hier bald eine Überschwemmung." Ich blinzelte perplex. Wie lange hatte ich vor mich hin geträumt? Schnell drehte ich den Wasserhahn zu. Dass Chris hinter mir aus der Kabine kam, gab mir Déjà-Vu von unserer letzten Clubnacht. Meine Lippen begannen zu prickeln, als ich daran dachte, wie sie mir meinen Lippenstift aufgetragen hatte.
„Du solltest aufpassen", meinte sie, als sie sich ihre Hände wusch. Sie trug ihre kinnlangen, schwarzen Haare heute mal offen, was ihr ziemlich gut stand. Dazu ein einfaches schwarzes Shirt, mit einer Jeans und weißen Chucks. „Beziehungen zwischen Cops enden nie gut. Zumindest für die Frau nicht."
Ich beäugte sie mit zusammengekniffenen Augen im Spiegel. „Das ist keine Beziehung."
„Sah aber nicht danach aus", erwiderte sie tonlos. Ich schürzte die Lippen. Es war zwecklos, mit ihr zu diskutieren. Sie würde sowieso denken, was sie wollte. Doch ich wollte das nicht. Gut, Ben und ich waren uns vielleicht näher, als es einfache Kollegen waren, aber das war keine Beziehung. Ich wusste nicht, wie Chris darauf kam. „Ben ist mir nicht geheuer", redete sie weiter und löste nicht mal für einen Augenblick ihren Blick von mir. Mein Magen überschlug sich mehrmals. „Du kennst ihn nicht", fauchte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Du doch auch nicht", schoss sie zurück und wendete den Blick von meinem Spiegelbild ab, nur um mir direkte in die Augen zu sehen. „Chris, du musst dich nicht in meine Angelegenheiten einmischen. Da ist nichts zwischen mir und Ben. Wir sind nur miteinander ausgegangen."
Chris machte einen Schritt auf mich zu. Dann noch einen und noch einen, bis sie nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt stand. Ich mochte es mir nur einbilden, doch ich spürte ihren Atem, der mein Gesicht streifte und mir eine Gänsehaut bescherte. „Was ist?", wisperte ich nach einigen Momenten, die wir einfach dastanden und uns anstarrten. Es machte mich verrückt, dass sie so nahe stand und ich sie nicht berühren konnte, denn das wollte ich. Gott, und wie ich das wollte.
„Du stehst vor dem Händetrockner", murmelte sie.

everything i ever wantedOù les histoires vivent. Découvrez maintenant