Wir probieren nicht zu lügen

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Sammy und ich erreichten den Bogensschießstand. Es waren schon ein paar Leute da, die Sammy freudig begrüßten.

"Das sind übrigens meine Geschwister. Oder eher Halbgeschwister.", flüsterte mir Sammy zu. Das waren also alles Apollos Kinder? Es war schwer sich vorzustellen. Noch schwerer war sich vorzustellen, dass jeder von ihnen eine andere Mutter hatte.

Bevor mir erlaubt wurde, einen Pfeil zu schießen, musste ich ein paar Trockenübungen machen. Als meine Haltung endlich als akzeptabel, nicht gut, eingestuft wurde, durfte ich endlich schießen. Der erste Pfeil pflanzte sich ein wenig vor mir in den Boden ein. Der zweite verschwand am Horizont. Auch alle weiteren die ich abschoss, fanden alles nur nicht das Ziel. Sammy der mich anfangs noch motiviert hatte, dass es nur eine Sache der Übung war, hatte damit aufgehört und empfahl mir doch etwas anderes zu versuchen. "Noch hast du keinen verletzt.", waren Teil seiner letzten Worte gewesen, um mich davon abzubringen. Fast schon aus Trotz probierte ich es noch einmal. Ich sah nicht wo er landete. Hinter mir konnte ich aber ein bekanntes Lachen hören. Ich drehte mich um und sah meinen Bruder, wie er sich am Boden vor Lachen wälzte. Neben ihm stand ein leicht genervter Zentaur, in dessen Schweif ein Pfeil steckte. War das nicht schon mal passiert? Ich war mir ziemlich sicher, dass es schon einmal passiert war.

"Ich wollte ihnen nur Bescheid geben, dass eine Eule parat im großen Haus steht. Wenn sie dann ihre Eltern informieren möchten."

Rot anlaufend lief ich zu Chiron murmelte ein "Entschuldigung" und pflückte den Pfeil aus seinen Schweif. Mein nicht gerade hilfreicher Bruder rappelte sich wieder vom Boden auf und auch Sammy gesellte sich zu uns. Dann folgten wir Chiron zum Haupthaus.

Dort angekommen fingen wir an ernsthaft zu diskutieren, was wir am besten schreiben sollten.
"Okay", fing ich an. "Was wollen wir schreiben?"
"Hi Dad, mach dir keine Sorgen..." An dieser Stelle unterbrach ich meinen Bruder: " Da wird er sich erst recht Sorgen machen!" "Wie würdest du dann anfangen?", fragte er genervt.
"Hi Dad, ..." Weiter wusste ich nicht. Egal wie ich es drehte und wendete, es war alles kein guter Anfang. Ich stockte und blieb still. "Siehste? Hast auch keinen besseren Anfang."
Leise meldete sich Sammy von der Seite: "Ähm, wie wäre es, wenn ihr damit anfangt, dass ihr auf Bekannte von mir gestoßen seid? Ich mein euer Vater kennt mich und wenn ihr dann sagt, dass meine Bekannten euch zu meiner Schule gebracht haben, wäre es keine Lüge, würde aber auch das ganze Verrückte aussparen oder?"
Wir schauten ihn beide mit großen Augen an. "Genau das ist es!", rief ich. Das war eine super gute Idee! Ich meine klar, wir verlegten nur, wann wir unserer Familie über alles Bescheid geben mussten aber alles in einem Brief zu erklären war einfach unmöglich! Wir würden schneller ins Mungos eingeliefert werden, als dass wir einen Zauber sprechen könnten!

Wir fingen an zu schreiben. Trotz der groben Idee, flogen extrem viele Papiere mit durchgestrichenen Sätzen in den Papierkorb. Als wir endlich halbwegs zufrieden waren mit dem, was wir geschrieben hatten, versicherte sich mein Bruder nochmal: " Und du bist dir sicher, dass wir dich als Vorwand benutzen dürfen, um es unseren Eltern langsam aber sicher näher zu bringen?"
"Ja.", antwortete er mit fester Stimme, verzog dann aber sein Gesicht. "Auch wenn ich ein wenig Angst vor eurem Vater habe.", fügte er hinzu. Ich verstand ihn. Mein Papa war toll aber man wollte nicht auf seine falsche Seite kommen.

Wir falteten den Brief, steckten ihn in den Umschlag, beschrifteten ihn und übergaben ihn der Eule. "Wir sind uns sicher, dass die Eule es über den Atlantik schafft?", fiel es mir heiß über Kopf wieder ein. Zwei verdutzte Gesichter schauten in meins. "Äh, Sammy?", fragte mein Bruder. Anstatt einer Antwort kam von ihm: "Ich frage Chiron." Mit den Worten stand er auf und lief aus dem Raum.

Es dauerte nicht lange bis Sammy wieder da war. "Also nach Chiron wäre es normalerweise nicht möglich aber mit einem Segen von Hermes, dem Götterboten, wäre es möglich." "Na toll! Und wie bekommen wir den?", beschwerte ich mich. Auch mein Bruder schaute genervt. "Wenn ihr vorher schon Bescheid gegeben hättet, dass es ein Atlantikflug wird, hätte Chiron sich schon darum gekümmert. Hattet ihr ihm nicht erzählt, dass ihr aus England seid?". fuhr Sammy in einem leicht anschuldigen Ton fort. "Wir dachten wir wären noch in England.", grummelte ich leise vor mich hin. Sammy stutzte, fing dann aber an zu lachen. "Stimmt, da war ja was. Ich frag mich immer noch, wie ihr das nicht bemerken konntet." Er kam aus dem Lachen gar nicht mehr raus und ich spürte, wie ich rot anlief. Aber wer hätte das schon bemerkt? Klar, es war besseres Wetter, wir waren an ein paar Palmen vorbeigelaufen und sie alle hatten einen amerikanischen Akzent, selbst Sammy hatte inzwischen einen leichten aber das ganze hier war magisch. Da kann so etwas auch mal untergehen.

Die Luft vor uns begann zu flimmern, genauso wie in der Erinnerung. Es waren immer mehr Farben zu erkennen, wie bei einem Regenbogen bis das Ganze zu einem Bild wurde. In dieser Irisbotschaft war ein Typ mit sandfarbenem Haar zu erkennen und eine weitere Irisbotschaft, in der ich Chiron erkennen konnte. Er schaute mich an und drehte sich dann immer wieder von mir zu Chiron um. "Der sieht ja wirklich so aus!", sagte er in Chirons Richtung. Dieser schien genervt zu sein und peitschte mit seinem Schweif hin und her, war aber andererseits ruhig. "Wie ich bereits gesagt hatte, Hermes. Wären Sie nun bereit die Eule zu segnen." "Bei so einer Kuriosität natürlich! Und wer verschickt seine Post mit einer Eule? Kurioser und kurioser.", er grinste schief, als würde er sich heimlich ins Fäustchen lachen. Aus der Richtung der Eule kam ein goldenes Leuchten, das sofort wieder aufhörte. "So das wäre dann erledigt. Bin gespannt, was meine Familie mit dir machen wird, kleine Percy-Kopie." Er lachte freudig. Die Irisbotschaft verschwand abrupt.

Von diesem Gespräch lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich fühlte mich als wäre ich die Lieblingsfigur in der Soap Opera von dem Typen und er freute sich darauf zu sehen, was mit mir geschieht. Oder wie als James mich damals zu Hauptfigur seines Streiches gemacht hatte.

"Was war das gerade? Weiß jemand von euch was da gerade passiert ist?" Mein Bruder war also genauso ratlos wie ich. Wir schauten zu Sammy, der seufzte: "Das war Hermes, Gott der Wanderer, Reisenden und Diebe, sowie der Götterbote. So wie es aussieht, hat er die Eule gesegnet." Also derjenige, der am schnellsten Tratsch und Klatsch verbreitet, dachte ich mir im Stillen und er wusste jetzt zumindest über mein Aussehen Bescheid. Das konnte heiter werden. "Wenigstens können wir jetzt den Brief abschicken.", sagte ich laut.

Harrys Sohn (Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt