#57 Fortschritte

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Austin

Drei Wochen waren vergangen. Jeden Tag war ich bei Dylan im Krankenhaus, aber durch die Schule, die vor einer Wochen angefangen hatte, wurden die Zeiten immer kürzer. Er machte mittlerweile auch schon Fortschritte und durfte kurze Strecken mit Krücken laufen.

Die Schritte durch die Gänge, des Krankenhauses, waren schon wie eingebrannt in meinem Kopf. Sachte klopfte ich an der, des Krankenzimmers, bevor ich es betrat. Dylan saß grinsend auf seinem Bett.

„Ich werde noch Fett", beschwerte Dylan sich, als er die Tüte in meiner Hand erblickte. „Das bezweifle ich", entgegnete ich ihm.

Alle paar Tage brachte ich ihm Süßigkeiten oder andere Knabbereien mit, da er sich darüber beschwert hatte, dass er bei seinem Trash TV nichts zum knabbern hat. Schmunzelnd setzte ich mich bei ihm auf die Bettkannte, wobei ich die Tüte neben dem Bett abstellte.

„Wie geht es dir?", fragte ich. „Super. Ich habe es heute geschafft den Gang komplett entlang zu gehen", erzählte Dylan mir freudig.

Man konnte wahrscheinlich gar nicht glauben, wie stolz ich auf ihn war. Die ersten Tage hatte er mit seinem Arzt diskutiert, dass das alles viel schneller funktionieren würde und er sich seine Therapien sonst wohin schieben könnte. Kurz hatte ich Angst, dass die Dylan einfach nach Hause schicken würde, aber er hatte sich schließlich zusammengerissen.

„Möchtest du heute etwas machen?", wollte ich wissen. „Frische Luft würde sich gut anhören", meinte Dylan. „Da bist du eindeutig zu wenig", schmunzelte ich.

Mit einer Handbewegung machte er mir klar, dass ich aufstehen sollte. Sofort wollte ich ihm helfen, aber Dylan schaute mich mit einem mahnenden Blick an. Das einzige, was ich durfte, war ihm seine Hose zu reichen. Mein Blick lag die ganze Zeit auf ihm, wie er es schaffte sich die Hose alleine anzuziehen und sich dann in den Rollstuhl fallen zu lassen. Jedes Mal war ich bereit dazu ihn im Notfall aufzufangen.

„Wo möchte die Majestät denn hier?", erkundigte ich mich, als ich von hinten mein Kinn auf seine Schulter ablegte. „Ins Königreich", lachte Dylan. „Also welcher Imbiss?", wollte ich wissen.

Aufgrund des so schlechtem Essen im Krankenhaus wollte Dylan fast jedes Mal zu einem Imbiss. Ich konnte ihn vollkommen verstehen. Kurz drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange, um ihn im nächsten Moment zu schieben.

„Ich bin froh, wenn ich wieder vernünftig laufen kann", seufzte Dylan, als wir draußen ankamen. „Was ist denn das erste, was du dann machen möchtest?", fragte ich. „Mir schwebt da etwas vor, aber ich verrate es dir nicht", drehte er seinen Kopf grinsend zu mir um. „Idiot", schnippte ich gegen seinen Nacken.

Seufzend schob ich den Rollstuhl weiter, bis wir bei einem chinesischen Imbiss ankamen. In den letzten Wochen hatte ich gemerkt, dass er gebratene Nudeln vergöttert. Wahrscheinlich würde er dafür sein erstgeborenes hergeben, wenn er eins hätte. Oder seinen Bruder gegen eine Portion eintauschen.

„Das übliche?", fragte der ältere Mann hinter der Theke. „Wir sind zu häufig hier", flüsterte ich Dylan ins Ohr, während er die Frage, des Mannes, bejahte.

Der Herr nickte die Bestellung ab, während ich einen Tisch ansteuerte. Die letzten Male hatten wir den gleichen Tisch in der Ecke genommen, da dieser mit dem Rollstuhl am besten erreichbar war.

Obwohl es bereits Mittag war, war nicht sonderlich viel los in dem kleinem Imbiss. Nur ein Paar lehnte sich an einen Tisch, während sie auf ihr Essen warteten. Der Duft, der gebratenen Nudeln, füllte den ganzen Imbiss.

„Die ganze Woche erzähle ich dir von meinen Fortschritten, aber du hast mir noch gar nicht erzählt, wie die erste Woche in der Schule lief", fiel Dylan auf. „Alles super. Schule halt. War nur sehr verwundert, dass jetzt schon Plakate für einen Halloween Ball ausgehangen sind", meinte ich. „Jedes Jahr das gleiche", schnaubte er belustigt.

In zweieinhalb Monaten sollte dieser komische Ball stattfinden. Ich war noch nie der Mensch für so etwas, aber dieses Mal hatte ich das Bedürfnis dorthin zu gehen. Mit Dylan.

Die Teller wurden zwischen uns auf den Tisch gestellt. Wie ein Raubtier fiel Dylan über seinen, wodurch ich kurz schmunzeln musste. In dem Moment bezweifelte ich, dass mein Süßkram ihn dick machen würde.

„Ich würde für dieses Essen sterben", meinte Dylan mit vollem Mund. „Reicht einmal fast sterben nicht?", zog ich meine Augenbrauen hoch. „Bei diesem Essen? Nein", schnaubte er belustigt.

Grinsend schüttelte ich meinen Kopf, während ich die nächsten Nudeln aufpickte. Dylan hatte seinen Teller schon fast leer, wodurch ich ihm etwas von meinem gab. Als er fertig war, lehnte er sich seufzend zurück, wobei er sich über den Bauch streichelte.

Kurz schaute er nach hinten, bevor er die Bremsen, des Rollstuhls löste. Sofort sprang ich auf, da ich keine Ahnung hatte, was sein Plan war. Mit einem mahnenden Blick schaute er mich an, als er nach seinen Krücken griff.

„Was hast du vor?", wollte ich wissen. „Für verletzte Menschen", flüsterte Dylan mir ins Ohr, was ich mit einem Augen verdrehen quittierte.

Während Dylan kurz weg war, bezahlte ich schonmal unser Essen. Es dauerte ein wenig, aber dann kam er auch endlich wieder. Kurz hatte ich mir Sorgen gemacht, aber ich merkte immer wieder, dass diese unbegründet waren.

„Das war anstrengend", seufzte Dylan, als er sich in den Rollstuhl fallen ließ. „Du wolltest keine Hilfe", erinnerte ich ihn. „Das sollte ich wohl noch selber hinbekommen", meinte er nur.

Während wir den Imbiss verließen, bedankte Dyan sich nochmal bei dem älteren Mann für das Essen. Es war zwar sein Job, aber das Essen war wirklich genial. Mit Liebe zubereitet.

„Bleibst du gleich noch ein wenig", schaute Dylan mich mit einem Hundeblick an, als er sich zu mir umdrehte. „Wenn du keine Therapien mehr hast, spricht da nichts gegen", meinte ich. „Nein, außer du bezeichnest Trash TV als Therapie. Wenn ja, ist es eine Therapie zum verblöden", witzelte er.

Da ich gegen keinen Baum oder ähnlichem rennen wollte, blieb ich kurz stehen, da ich mich vor Lachen nicht halten konnte. Dylan betrachte mich kurz zweifelnd, aber lachte dann auch. Es war so dumm, dass es schon wieder witzig war.

Das Gefühl so unbeschwert zu Lachen tat gut. Besonders ohne einen wirklichen Grund. Allein schon die Zeit mit Dylan tat gut. Es fühlte sich jedes Mal, wie Urlaub an, wenn er in meiner Nähe war.

„Schau Mal", forderte Dylan mich auf einmal auf, wobei er in Richtung eines Eis Wagen zeigte. „Möchtest du?", wollte ich wissen, obwohl ich mir die Antwort denken konnte.

Dylan nickte hastig. Es grenzte für mich schon an ein Wunder, dass er sich nicht einfach seine Krücken geschnappt hatte. Auf der anderen Seite war ich froh drum, denn er hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit hingelegt. Witzige Vorstellungen, aber nicht förderlich für die Heilung.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt