Mirror Gaze-Wenn das letzte Licht erlischt

6. Schweigen ist manchmal der lauteste Schrei

Yuna spürte nichts mehr. Die Taubheit lähmte ihre Glieder und ihre Wahrnehmung.
Hier draußen war sie allein.

Sie war gerannt, gekrochen, gefallen.
Nur weg von ihm.
Adrian.

Über ihre Wangen zogen sich zwei silberne Spuren. Yuna merkte nicht, dass sie weinte, seit Stunden schon. Alles schmerzte, ihre Seele, ihr Körper.
Sie stand in der Dunkelheit auf der gigantischen Autobahnbrücke und ignorierte die Autofahrer.

Keuchend lehnte sie am Geländer und ließ ihre Tränen in die Tiefe rieseln. Alles in ihr war fixiert darauf, den finalen Schritt zu tun.

In Gedanken nahm sie Abschied, doch ihr war bewusst, das es ohnehin niemanden geben würde, der um sie trauern würde-warum auch? Sie war nur eine Last.
Ein makabres Kichern entwand sich ihrer Kehle, als sie daran dachte, dass ihre Lehrerin sich nicht mehr um ihre Fehltage sorgen müsste. Jetzt war sie lebenslang krankgeschrieben.

Autos rauschten vorbei, vereinzelt wurde gehupt.

Nasser Asphalt unter ihren Füßen, graue Wolken über ihrem Kopf.

Yunas Atem ging flach. Sie streckte ihre Hand aus, die verletzte Hand. Die Schmerzen waren lange vergessen.
Regentropfen hatten sie bereits komplett durchnässt, die nassen Haarsträhnen klebten in ihrem Gesicht.

Alles verschwamm zu einer grauen undefinierbaren Masse. Grau, wie sie. Grau, wie ihr Leben. Grau- das war Yuna.

Vorsichtig kletterte sie auf das Geländer, setzte sich darauf und ließ ihre Beine baumeln. Den Stau neben sich bemerkte sie gar nicht.
Leute schrien, jemandes Bremsen quitschten scharf. Jemand telefonierte.

Yuna blendete alles aus.
Sie wagte einen Blick nach unten. Tödliche Ruhe flutete ihre Adern. War sie noch die alte Yuna?
Nein, lange nicht mehr.

Auf Wiedersehen, dachte sie. Noch einmal ließ sie die Hand über das nasse Geländer gleiten. Wie zum Abschied sah sie letztmals in die grauen Wolken.

Gibt es einen Gott?

Yuna holte tief Luft. Sie zitterte.

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Sorry für das kurze Update, der Rest kommt bald:)