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Lieber Autor, liebe Autorin,

die Idee, eine Geschichte über den Krieg beziehungsweise über den Zeitraum bis kurz vor der Schlacht zu schreiben, mag zwar nicht neu sein, denn sie zieht sich durch eine lange Literatur- und Filmgeschichte, und ich musste spontan an Filme wie „Dunkirk” oder „Im Westen nichts neues” denken. Aber ich erwarte auch gar nicht, dass du das Rad neu erfindest oder einem Erich Maria Remarque nacheiferst. Mich interessiert viel mehr die Umsetzung. Und da muss ich sagen, dass es gerade die anfangs eher nüchterne, reservierte Erzählweise der 15jährigen Hauptperson war, die mich bei deiner Geschichte angesprochen hat.

Beim Lesen bekam ich den Eindruck,  dass ihn die Gräuel des Soldatenlebens derart traumatisiert haben, dass er seine Geschichte so erzählt, weil er das Erlebte nicht anders verarbeiten kann; es ist, als wäre die gewählte Erzählform wie ein Panzer, der jedoch zum Ende hin Risse bekommt, und zwar durch die Gefühle, die den Jungen bei seinen Erinnerungen an glücklichere Zeiten überkommen. Gefühle, die leider nicht immer auch bei mir aufkommen wollen, obwohl ich deinen Schreibstil mag.

Dass ein Fünfzehnjähriger nicht über den Wortschatz eines Erwachsenen verfügt, war mir von Anfang an klar. Allerdings musste ich bei Ausdrücken wie Gedankenkarussell oder Horror, die ich im Rahmen einer historischen Erzählung als nicht so ganz passend empfunden habe, die Stirn runzeln. Ähnlich sieht es bei Wörtern aus, die vom Sinn her nicht passen, wie zum Beispiel „stetig” statt „stets” oder „Tod” statt „tot”.

Hinzu kommt die eine oder andere Wortwiederholung wie hier:  „Ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken und keiner außer dem Major wusste, wie weit wir noch vom Schlachtfeld entfernt waren.” Oder hier: „… ich wäre nun ein richtiger Mann, schaffte ich es nicht, mit einer Frau ordentlich zu sprechen (…) und nachdem mein Vater starb, hatte ich nicht mehr die Chance gehabt zu fragen, wie ich es wieder schaffen könnte, ordentlich mit Frauen zu sprechen.” Sie zu vermeiden, wäre dem Lesefluss dienlicher.

Feilen könntest du außerdem noch an der richtigen Anwendung von Doppel-S oder ß bzw. „das” und „dass”. Beispiel: „Ich lies mich etwas nach hinten fallen” und „Nachdem ich fertig angezogen war, verlies ich leise das Zelt” (hier wäre „ließ” bzw. „verließ” richtig, den beides ist die Vergangenheitsform von „lassen”, während es sich bei „lies” um den Imperativ von „lesen” handelt. Mit einem Verlies ist hingegen ein Kerker gemeint).

Auch bei Zusammen- und Getrenntschreibung ist noch Luft nach oben: also nicht „Grippe ähnlich”, sondern „grippeähnlich”, nicht „Augen zwinkernd”, sondern „augenzwinkernd” oder „mit einem Augenzwinkern” – und auch Fehler wie „zuhause”, wo es „zu Hause” heißen sollte, habe ich in deinem Text öfters entdecken können. Und wenn du von freigelassenen Wegen innerhalb des Heeres schreibst, kommen mir Bilder von entlassenen Gefangenen in den Sinn, bevor ich verstehe, dass du frei gelassene Wege (im Sinne von offen gelassen) gemeint hast.

Und auch Sätze wie der folgende ließen sich flüssiger schreiben: „Das Heer hatte sich drei Plätze zum Lager aufschlagen gesucht und unser Lager war das nächst gelegene zum Schlachtfeld”. Vielleicht versuchst du es mal mit „Das Heer hatte sich drei Plätze zum Aufschlagen des Lagers gesucht und unseres lag dem Schlachtfeld am nächsten.”

Im Großen und Ganzen hatte ich an dem Text jedoch nur wenig auszusetzen.

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Ideenzauber 2023 - KritikbüchleinWhere stories live. Discover now