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Ella PoV.:

"Frau Kaiser?" mein Projektleiter holt mich aus meinem Gedankensumpf zurück in die Wirklichkeit. "Entschuldigung, ich war etwas zu vertieft in die Notizen." peinlich berührt streiche ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und versuche mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. "Ich wollte gerne von Ihnen wissen, wie sich das Projekt Brandt gerade so verhält - in Zahlen meine ich." fügt er dann noch an, selbst wenn, hätte ich ihnen ja kaum auftischen können, dass Julian mich hinterhältig erpresst und mir, wo es geht, das Leben zur Hölle macht. "Tatsächlich-" fange ich an und rufe auf meinem Laptop die letzten Statistik-Kennzahlen auf, die direkt für alle Teilnehmer des Meetings an der gegenüberliegenden Wand projiziert werden. "Tatsächlich steigen die Zugriffszahlen auf diese Beiträge seit dem letzten Monat enorm. Diese Beiträge weisen auch deutlich mehr Zugriffe auf als Beiträge über Spieltage oder dergleichen.Wenn man sich auch mit den Kommentaren befasst, würde ich sagen, dass das Interesse definitiv gestiegen ist und die Resonanz auch deutlich positiver ausfällt als noch zu Anfang des Projekts." erläutere ich kurz die Zahlen auf der Leinwand, die aber auch ohne Erklärung eine deutliche Sprache sprechen.

Der fürsorgliche und sozial engagierte Julian geht gerade enorm durch die Decke und ich könnte bei jedem Like und Kommentar nur noch drauflos kotzen. Aber das ist das, für das ich hier bezahlt werde und in das alle hier Anwesenden ihre ganze Hoffnung gelegt haben. Was allerdings nicht Julians Verhalten lösen wird, denn auch wenn er wieder spielen darf, wird er sich auf Dauer kaum so zusammenreißen können. "Sehr gut. Ich habe heute Nachmittag noch ein Gespräch mit Kehl und Terzic, sie werden sicher ebenso erfreut sein. Aber Statistik ist das Eine. Haben Sie denn den Eindruck, dass er sich dadurch gebessert hat?" Ich weiß, dass er mich das fragt, weil sie ihn das heute Nachmittag mit Sicherheit auch fragen werden und er sich von mir die passende Antwort darauf erhofft. Schließlich habe ich ja zur Zeit am Meisten mit ihm zu tun.

Gefühlt wandern alle Augen direkt zu mir, und starren mich abwartend an, sodass ich mich am Liebsten direkt in Luft auflösen würde. Was soll ich dazu jetzt sagen? Dass er ein verdammtes Arschloch ist, der alles nur spielt, um so schnell wie möglich wieder in den Kader zu kommen? Und für dieses Ziel wahrscheinlich auch über Leichen gehen würde?

"Ich finde er macht sich sehr gut, und ich glaube er hat mittlerweile auch begriffen, dass es keine Strafe für ihn ist und dass es da draußen viele Menschen gibt, die nicht so privilegiert sind, und diese Hilfe auch brauchen. Ich denke, das hat ihm sehr gut getan." Ich unterstreiche dieses Schmierentheater noch mit einem aufgesetzten Lächeln à la Julian. Scheiße Ella, lügen konntest du schon immer gut.

Aber alle Anwesenden scheinen mit der Antwort sehr zufrieden zu sein, allen voran mein Chef, der zufrieden nickt und ebenfalls lächelt. "Ich habe mir von Ihnen wirklich nicht zu viel versprochen, vielen Dank, Frau Kaiser."

Damit bin ich nun auch aus dem Meeting entlassen und ergreife dann auch so schnell wie möglich die Flucht aus dem Raum.

Schon seit Tagen überlege ich fieberhaft, wie ich am besten aus der Sache rauskommen kann und ob ich nicht einfach selbst mit Kehl oder Terzic reden kann, dass sie ihm wieder ne Chance geben sollen. Aber was soll ich kleine Medientante bei zwei solchen Größen schon ausrichten?

Seufzend lege ich meine Sachen auf meinem Schreibtisch ab und reaktiviere meinen Computer. Direkt erscheint mein Hintergrundbild von Maxim und mir, auf dem wir beide in die Kamera strahlen. Das waren definitiv bessere Zeiten, auch wenn es da auch nicht gerade einfach war. Neben dem ganzen Stress mit Julian kommt in mir immer mehr das Gefühl auf, dass ich durch die viele Arbeit nicht ausreichend für Maxim da sein kann und das nagt noch viel mehr an mir. Dazu kommt, dass in mir immer noch die Angst besteht, dass Chris ihn in irgendeiner Weise aufspürt und ich nicht dabei sein kann, um ihn zu beschützen. All das lauert gerade wie eine schwarze Wolke über meinem Kopf. Ich beschließe, heute mal früher zu gehen und mit ihm das schöne Herbstwetter, das gerade ein Comeback gibt, noch auszunutzen.

U N B R E A K A B L E - Julian BrandtWhere stories live. Discover now