44. Kapitel

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Statt Samuel saß Magnus ́ Frau auf dem Fahrersitz des Mercedes.

„Hallo Liv, Samuel ist verhindert und ich dachte, ich könnte dich auch mal besser kennenlernen. Also kommt, steig ein, ich fahre heute.
  
Das war doch wohl nicht wahr, oder? Ich hatte eine Million Fragen und er war verhindert?

„Du kannst auch mit, Kleines. Ich bin übrigens Amanda, Magnus ́ Bernetts Frau", sagte sie zu Amelie, die auf dem Rücksitz Platz nahm, während ich vor einstieg.

„Holt Samuel Liv heute Mittag wieder von der Schule ab?" Amelie blubberte los wie immer, während Amanda auf die Straße ins Zentrum einbog. „Das muss er", ergänzte sie. „Liv muss ihn noch fragen, ob er sie heute Abend zu Evelyns Geburtstagsparty begleitet."

„Amelie, das ist egal", sagte ich und Amanda warf mir einen mitleidigen Blick zu. Dann sah sie Amelie durch den Rückspiegel an.

„Schätzchen, es tut mir leid, Samuel ist heute den ganzen Tag nicht in der Gegend. Ich denke, ihr habt auch allein euren Spaß. Ich kann euch gern zu der Party fahren, wenn ihr wollt." Sie lächelte und es erinnerte mich an Patricias Lächeln, wenn sie es gut mit uns meinte.

„Kein Problem", sagte Amelie. „Mein Freund Yanis fährt uns." Amelie platzte fast vor Stolz, als sie „mein Freund" aussprach und ich freute mich für sie.
  
Wir hatten die Schule erreicht und Amanda, die langsamer fuhr als Samuel, bremste den Mercedes ab.

„Liv, kann ich dich einen Moment alleine sprechen?"
  
Amelie verabschiedete sich und Amanda sah ihr kurz nach, bevor sie mich ansah.

„Wie geht's dir heute, Liv?"

Das Lächeln war aus Amandas Gesicht verschwunden und mir war klar, dass sie eine ernsthafte Antwort erwartete.

„Es geht wieder. Alles gut", sagte ich und hoffte, sie würde sich damit zufriedengeben.

„Liv, sei bitte ehrlich, ich weiß, dass das, was gestern passiert ist, dich vor allem auch seelisch verletzt hat. Du wirst sicher lang brauchen, um damit klarzukommen.

„Ich bin ehrlich", protestierte ich, obwohl noch ein Schatten auf meinem Herzen lag, genauso wie ich ihn am Morgen nach einem besonders schlimmen Traum fühlte.

„Das ist unmöglich, Liv. Aber gut, wenn du nicht mit mir darüber reden willst, verstehe ich das. Du darfst es aber keinem erzählen, das ist dir doch klar, oder? Es wird dir niemand glauben und besser wird es davon auch nicht."
  
Das war es also, weshalb sie mit mir sprechen wollte. Sie hatte Angst, dass ich Probleme machen würde. Vermutlich hatte sie das gleiche Gespräch mit der Lacour geführt.

„Ich hatte nicht vor, es jemandem zu erzählen. Genauso wenig wie alles andere. Aber ich will mit Samuel sprechen."

Amanda presste die Lippen aufeinander.

„Du willst mit ihm sprechen, obwohl du weißt, er daran Schuld ist, dass du dich so fühlst? Hast du denn wirklich keine Angst, nachdem was passiert ist?"
  
Ich schüttelte den Kopf. „Angst ist eine Illusion. Sie findet nur im Kopf statt. Und ja, damit ich weiß, dass ich nicht verrückt bin, muss ich mit ihm sprechen. Bitte sagen Sie ihm das."
  
Sie taxierte mich, als wäre ich geisteskrank. „Er hat Recht, du hast einen ganz schönen Dickkopf, Liv. Aber es tut mir leid. Er sagt, du weißt, was zu tun ist. Außerdem soll ich dich daran erinnern, dass du keinesfalls alleine das Haus verlässt. Wenn du auf die Party gehst, dann bleib bei dem Duval-Mädchen, am besten in einer Gruppe. Am Sonntag erwarten wir Magnus und Lennart zurück. Sobald sie da sind, werden wir dir Bescheid geben, ob noch Gefahr besteht. Es ist besser, wenn Samuel sich von dir fernhält, auch deine Lehrerin wird sich sicher freuen zu hören, dass das zwischen
euch vorbei ist, oder?"
  
Da war sie wieder, meine Wut. Und ich war kurz davor, die Mauern meiner Beherrschung niederzureißen. Ich zwang meine Hände in meine Jackentaschen, um nichts Dummes zu tun.

„Wie kann etwas vorbei sein, was nie existierte?"

Offensichtlich konnte er mich auch zur Weißglut treiben, ohne dabei anwesend zu sein. Es war so frustrierend.

„Danke fürs Fahren", sagte ich und stieg aus.
  
Bevor ich die Tür schloss, sah ich nochmals zurück.

Amanda hatte wieder dieses milde Lächeln auf den Lippen.

„Bitte sagen Sie ihm, dass er mir keine Angst macht. Ich frage mich aber, ob er Angst vor mir hat. Für den Fall, dass er kein Feigling ist, weiß er, wo er mich findet."
  
In der Schule speiste ich Amelie damit ab, dass ich ihr später erzählen würde, was Amanda gesagt hatte.

Ich fühlte mich nicht gut. Wie sollte ich nach dem Chaos vom Montag, als alle von Samuel erfahren hatten, am Freitag damit
klarkommen, dass es aus war? Und nachdem diese Beziehung nie existiert hatte, wieso fühlte ich mich, als wäre ich verlassen worden?
  
Amelie schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, und versuchte mich aufzuheitern. Ich tat ihr zu oft Unrecht. Amelie sorgte sich um mich und aus irgendeinem Grund mochte sie mich und das, obwohl ich mein Bestes tat, ihr das schwer zu machen. Ich musste in Zukunft netter zu ihr sein.
  
Als wir am Nachmittag nach Hause kamen, fanden wir Bernard und Patricia in höchster Aufregung. Sie liefen mit Kleidern hektisch hin und her.

„Was ist los?", fragte Amelie.
  
Patricia stoppte mit Schuhen in der Hand vor uns. „Tante Eleonore ist krank." Bernard kam mit Koffern die Treppe herunter. „Tante Eleonore ist Mutters Patentante", ergänzte Amelie.

Nachdem Patricia die Schuhe in einen Koffer gepackt hatte, bat uns Bernard, kurz Platz zu nehmen. Er teilte uns sichtlich beunruhigt mit, dass Patricia und er gleich nach Montpellier zu Tante Eleonore aufbrechen müssten. Offenbar
war diese Tante im Krankenhaus und die Duvals mussten ein Pflegeheim für sie finden.

Bernard schärfte uns ein, dass wir uns verantwortungsvoll verhalten sollten, schließlich wären wir bald volljährig. Er ließ uns Geld da und falls etwas wäre, sollten wir ihn oder Patricia anrufen. Er ging davon aus, dass sie spätestens Montag zurück sein würden und bat um unser Verständnis, weil wir sie nicht begleiten durften.

Ein Blick zu Amelie reichte mir, um zu wissen, dass ihr nichts Besseres hätte passieren können.

Das LOS der EwigkeitWhere stories live. Discover now