Kapitel 3

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♠Phoenix♠

Gut gelaunt wie eigentlich fast jeden Tag, betrete ich das riesige Wahlkampfbüro des Senators, indem ich schon fast ein Jahr arbeite.

Das Influencer-Ding mache ich nur nebenher. Als Yves mich damals fragte, ob ich mitmachen möchte, war ich zunächst nicht sehr begeistert, denn ich kannte Yves Chef schon von diversen Festen und Jubiläen und ich mag ihn nicht wirklich.

Doch die Aussicht, mit meinem Mann zusammenzuarbeiten, machte den Gedanken an seinen schrecklichen Chef wieder wett.

Apropos Yves. Er hatte gestern nicht zu viel versprochen, denn als er nach Hause kam, verwöhnte er mich von oben bis unten. Wahrscheinlich bin ich deswegen heute extramäßig gut gelaunt, auch wenn sich die Polizei wegen des Vorfalls noch nicht gemeldet hat. Ich hoffe das Ganze klärt sich auf und der Laden wird geschlossen. Mir tut immer noch ein wenig der Arm weh, wo der Typ mich gepackt hatte, um mich in seinem Lagerraum einzusperren.

Ich nehme einen Schluck von meinem Latte Macchiato, öffne die Tür zum Großraumbüro und gehe auf meinen Schreibtisch zu.

Was zum Teufel ist mit ihm passiert? Als ich vorgestern gegangen bin, habe ich ihn sauber und aufgeräumt hinterlassen.

Jetzt liegt überall Müll und irgendwas Klebriges wabert zwischen den Tasten meiner Tastatur herum. Wie eklig ist das denn? Da bin ich einen Tag nicht da und auch da schrecken sie nicht davor zurück, mir fiese Dinge anzutun. Das macht mich echt fertig. Ich frage mich die ganze Zeit, wem ich so sehr auf die Füße getreten bin, dass ich sowas verdient habe.

Seufzend nehme ich meinen Mülleimer, der immer unter meinem Schreibtisch steht und schmeiße den Müll hinein, bevor ich die Tastatur abstöpsel und mit ihr in den kleinen Kaffeeraum gehe, wo ich versuche sie mit etwas Spülmittel und einem Lappen notdürftig sauber zu machen.

Schon seit ein paar Wochen passieren solche Dinge. Entweder es fehlt etwas von meinem Schreibtisch oder es klebt Kaugummi zwischen meinen Tasten. Am Schlimmsten waren einmal zerrissene Arbeitsblätter, an denen ich gearbeitet hatte und die ich Yves hätte abgeben müssen. Zum Glück lachte mein Mann und meinte, das sei nicht so schlimm, er würde meinen Kopf ja kennen und ich solle sie einfach noch einmal ausdrucken.

Ja mein Kopf ist manchmal etwas verwirrt und konfus, aber ich habe auf der Arbeit noch keinen einzigen Fehler gemacht und das weiß Yves eigentlich auch.

Davon, dass die Arbeiten eigentlich fertig waren, aber von jemandem zerrissen wurden, habe ich ihm nichts erzählt, genauso wenig wie von den anderen Streichen, die man mir gespielt hat. Und ich werde auch von meinem Schreibtisch nichts erzählen. Ich möchte nicht, dass er sich Sorgen macht, oder es hier im Büro deswegen Ärger gibt. Ich kenne meinen Mann nur zu gut und er würde nichts auf sich beruhen lassen, bis er den Schuldigen findet.

Als ich die Tastatur endlich notdürftig gesäubert habe, setze ich mich an meinen Schreibtisch und starte den Computer. Wer auch immer auf meinem Schreibtisch herum gewütet hat, hat wenigstens mein Geheimversteck nicht gefunden. Ich greife unter den Tisch und hole meinen kleinen Flachmann hervor, den ich mit einem Stück Stahlblech und einem Magneten unter der Tischplatte verstecke. Ich schaue mich um. Als ich niemanden sehe, schütte ich einen Schluck, vielleicht auch einen großen Schluck, in meinen Latte Macchiato. Mittlerweile schaffe ich den Arbeitstag gar nicht mehr ohne ein wenig Alkohol. Eigentlich seit sie angefangen haben mich zu ärgern. Leider weiß ich nicht einmal, wer es ist.

Ich schraube den Flachmann wieder zu und verstecke ihn wieder unter dem Tisch, trinke einen großen Schluck aus meinem Becher, bevor ich mich dann meiner Arbeit widme.

"Moreau!"

Als ich zwanzig Minuten später meinen Namen höre, hebe ich den Kopf um zu sehen, wo die Stimme herkommt, doch wird mir plötzlich schwindelig und mein Kopf fühlt sich an, als wäre er in Watte gepackt. Das Vroom in meinem Kopf dröhnt so laut, dass ich es versuche abzuschütteln, doch funktioniert das nicht, es macht meinen Schwindel nur noch schlimmer. Plötzlich zieht es extrem in meinem Unterbauch und ich merke, dass ich auf die Toilette muss.

Ich entschuldige mich, bei wem auch immer, ich weiß nämlich immer noch nicht wer mich gerufen hat und renne schon fast auf die Toilette. Gerade noch so kann ich mich ausziehen, als es einfach ungehindert aus mir herausläuft.

Was zur Hölle ist mit mir los?

Meine Stimmung schlägt plötzlich um ins Extreme. Ich fange an zu schluchzen und zu verkrampfen.

Ich versuche, zwischen meinem Heulkrampf zu überlegen, was ich heute gegessen und getrunken habe, was das ausgelöst haben könnte, doch bin ich mir sicher, dass ich dasselbe gegessen und getrunken habe wie jeden Tag.

"Moreau! Mach hinne, wir brauchen die Hochrechnungen der Wähler, aber pronto", schreit mein Kollege Al durch die geschlossene Tür. Ich versuche zu antworten, doch ich spüre meinen Mund kaum. Er kribbelt und ich kann ihn nicht öffnen, ich habe nicht die Kraft dazu. Was ist nur mit mir los?

Wieder schreit Al irgendwas, doch ich schnappe nur das Wort Schwuchtel auf. Doch interessiert mich das gerade nicht wirklich.

Zwanzig Minuten sitze ich auf der Toilette und es scheint nichts besser zu werden. Als ich endlich eine Pause habe, ziehe ich mich schnell an und versuche so schnell wie es mir möglich ist, das Klo zu verlassen. Wackelig schaffe ich es zu meinem Schreibtisch, nehme meine Tasche und verlasse die Firma. Yves werde ich nachher eine Nachricht schreiben. Jetzt muss ich erstmal versuchen, unbeschadet nach Hause zu kommen, denn ich merke schon, wie es wieder drückt.

Du meine Güte, bitte bitte, lass es mich schaffen. 

Resort de la Pheya 16 - PhoenixWhere stories live. Discover now