Kapitel 19

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♠Yves♠

Als wir zum Frühstück ins Café kommen sitzt Liam schon wartend an einem Tisch. Wir haben das genauso besprochen, denn ich wusste, dass Phoenix mir nichts abschlagen kann. Wenn man es genau betrachtet, wurde nicht nur er von Liam enttäuscht, sondern auch ich und wenn ich ihm vergeben kann, dann kann Phoenix das auch, da bin ich mir ganz sicher.

Liam sieht uns und steht, mit einem verhaltenen Grinsen auf seinem Gesicht, auf.

"Du hast nicht gesagt, dass er schon wartet und mit uns frühstückt", flüstert Phoenix bekümmert. Beruhigend lege ich meine Hand auf seinen unteren Rücken und schiebe ihn sanft ein wenig nach vorne. Er wirkt, besonders gegenüber seinen Followern, immer so unerschütterlich und stürmisch, aber Konflikten geht er am liebsten aus dem Weg. Kein Wunder, dass das Mobbing eine so verheerende Wirkung auf ihn hatte. Doch es ist Zeit, dass er sich seinen Dämonen stellt, und Liam ist einer davon. Alles, was er braucht, ist ein kleiner Schubs.

"Nicht wir, nur ihr. Ich habe noch ein bisschen was zu erledigen und außerdem solltet ihr nur zu zweit, ohne mich sprechen."

Schockiert dreht er sich zu mir, seine Augen glänzen und er schüttelt leicht mit dem Kopf.

"Du schaffst das mon Papillon. Hör ihm einfach zu und entscheide dann am Ende."

Meine Hände legen sich an seine Wangen und meine Lippen auf seine, dann nickt er, löst sich wieder von mir und zieht die Schultern nach hinten.

"Ich schaff' das."

"Genau das tust du. Bis nachher."

Wieder nickt er, dreht sich um und läuft auf den Tisch zu, an dem Liam immer noch steht und verlegen wartet. Sie nicken sich zu und setzen sich. Mit einem guten Gefühl im Bauch drehe auch ich mich um und verlasse das Café.

♠Phoenix♠

"Hi."

"Hi."

Wir sehen uns an und ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll, oder ob ich überhaupt anfangen soll. Also sage ich das Erstbeste, was mir einfällt.

"Nur damit du Bescheid weißt, ich tu das nicht für dich, sondern für Yves. Er wünscht sich, dass ich mich mit dir ausspreche, also tu ich das auch." Kaum, dass es aus meinem Mund ist, kommt es mir ultra blöd vor und ich schüttel leicht den Kopf.

Liam lächelte dennoch.

"Aber klar doch. Ich kenne dich und wenn du es selbst nicht gewollt hättest, dann würdest du jetzt nicht hier sitzen. So viel Durchsetzungsvermögen hast du."

Leider wahr. Da hat er vollkommen recht. Ganz zu schweigen davon, dass Yves niemals etwas von mir verlangen würde, was ich überhaupt nicht will.

"Oh man. Bevor das Ganze jetzt zu komisch wird, beginne ich mal." Liam seufzt und holt tief Luft. Dann redet er so schnell, dass ich nicht dazwischen kommen würde, selbst wenn ich es wollte.

"Ich habe mir die Jahre über immer ausgemalt, wie es werden würde, wenn ich dich treffe, doch egal wie oft ich das Gespräch geübt habe, ist nichts gegen die Realität. Phoe, ich vermisse dich sehr und es tut mir wahnsinnig leid was passiert ist, aber du musst wissen, dass ich dich damit nie verärgern wollte.

Wir kennen uns schon so lange und du kennst mein Leben und weißt, was ich über mich selbst denke. Du siehst mich.

An dem Tag, an dem wir Yves kennengelernt haben, war ich sofort hin und weg. Sein Aussehen, seine Art, einfach alles an ihm hat mich so sehr in seinen Bann gezogen. Und das Beste war, er hat mich auch gesehen. Der erste Mann - abgesehen von dir - der sich für mich interessiert hat. Doch gab es mir einen sauren Beigeschmack zu sehen, dass er sich auch für dich interessiert. Und wie sollte es auch anders sein? Du hast dich ebenfalls zu ihm hingezogen gefühlt. Dass du dich vielleicht in ihn verlieben könntest, habe ich im Traum nicht gedacht. Bei mir herrschte nur die Angst vor. Davor, dass du ihn schnappen und für deine Zwecke ausnutzen würdest, so wie du es schon mit unzähligen anderen getan hattest. Sei mir nicht böse, aber so einer warst du damals."

Ich nicke, gebe ihm recht, denn das hat er. Ich habe damals nichts anbrennen lassen und irgendwann wurden diese Männer mir eben zu langweilig, um etwas ernsteres einzugehen, also ließ ich sie wieder fallen und suchte mir den nächsten.

Doch seit Yves verspüre ich nicht einmal mehr den Drang dazu. Ich liebe Yves. Und mir wird mit ihm nie langweilig. Doch ich muss zugeben, das wusste Liam damals einfach nicht. Meine Gefühle zu Yves haben mich selbst total überrumpelt.

"Also habe ich das einzige gemacht, was mir in dem Moment eingefallen ist", erzählt er weiter. "Ich habe dir den Mann madig gemacht, indem ich behauptete, vor dir mit ihm geschlafen zu haben. Und es hat funktioniert. Du hast dich zurückgezogen und Yves wusste von der ganzen Sache nichts."

Nach seinem Redeschwall ist es eine Weile sehr ruhig. Er starrt mich in einer Mischung aus Erleichterung, Hoffnung und Sorge an und ich verstehe warum. Er ist besorgt, wie ich das Gesagte aufnehmen werde, aber auch erleichtert, es endlich losgeworden zu sein. Und die Hoffnung beruht vermutlich darauf, dass ich noch immer hier sitze, statt davonzustürmen oder ihn anzuschreien. Ich muss gestehen, es erleichtert auch mich zu hören, dass das alles nicht aus reiner Boshaftigkeit entstanden ist. Dennoch.

"Weißt du, hätte ich gewusst, dass du so in ihn verknallt bist, ich schwöre, ich hätte dir den Vortritt gelassen. Darum hat mich das ganze auch so abgefuckt. Anstatt mir von deinen Gefühlen zu erzählen, hast du einfach zu Lügen gegriffen und unsere langjährige Freundschaft riskiert. Und jetzt sieh was daraus geworden ist. Du hast am Ende nicht nur mich vergrault, sondern auch Yves."

"Yves wäre auch gegangen, ohne von der Lüge zu wissen. Seine Liebe für mich reichte nur für Freundschaft und nicht mehr."

"Ja, stimmt. Aber das konntest du zu dem Zeitpunkt ebensowenig wissen." Ich schüttle den Kopf während er nickt, was uns beide etwas verlegen grinsen lässt.

"Da hast du recht. Trotzdem tut es mir wirklich sehr leid und ich wünschte, wir würden uns wieder vertragen. Ich weiß dass ich Scheiße gebaut habe und hoffe wirklich, du vergibst mir irgendwann." Jetzt schüttelt er über die Erinnerung an diesen Mist den Kopf während ich langsam nicke und unser Grinsen wird etwas breiter.

"Ich denke das ist bestimmt machbar, aber lass es uns langsam angehen, ja? Ich muss das alles erstmal ein wenig auf mich wirken lassen."

Lächelnd schiebe ich meine Hand über den Tisch und greife nach seiner, die er während dem Gespräch zitternd hin und her geschoben hat, um imaginäre Krümel vom Tisch zu fegen. Ich drücke sie vorsichtig und streiche dann mit meinem Daumen über seinen Handrücken.

Plötzlich hält mir irgendwer von hinten mit den Händen die Augen zu.

"Haha, Yves, lass das! Ich weiß dass du das bist." Lachend will ich die Hände mit meiner eigenen wegziehen, da spüre ich viele Ringe an den Fingern.

"Easy!", rufe ich, springe von meinem Stuhl auf und ziehe ihn für eine Umarmung zu mir.

"Ja, hey. Ich dachte, ich schau mal vorbei und mache auch Urlaub, wenn schon alle meine Freunde hier sind."

Liam und Easy haben den Kontakt nie abgebrochen, auch wenn Easy auf meiner Seite stand, hatte er auch immer noch sporadisch Kontakt zu Liam. Fand ich nicht schlimm, aber ich habe auch nie nach Neuigkeiten gefragt, genauso hat mir Easy nie etwas erzählt. Er wusste ja, dass ich es nicht hören wollte.

Wir lösen die Umarmung und setzen uns beide wieder zu Liam an den Tisch, nachdem der ebenfalls, wenn auch nicht ganz so herzlich, von Easy begrüßt wurde. Das ist aber normal, denn die beiden waren noch nie die Hugger.

Sofort quatschen wir los, alle durcheinander, alle aufgeregt, bis wir alle einen Lachanfall bekommen.

Es ist fast wie früher. Aber nur fast. Doch eins weiß ich. Insgeheim habe ich Liam schon verziehen. Ich brauchte nur einen Schubs. 

Resort de la Pheya 16 - PhoenixWhere stories live. Discover now