Kapitel 5

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♠Phoenix♠

"Mister Moreau, hätten sie kurz Zeit, mir bei etwas behilflich zu sein?"

"Aber natürlich", antworte ich meinem Nachbarn und folge ihm in sein Haus.

Fünf Jahre wohnen wir nun schon hier, doch nicht einmal bat unser Nachbar mich um Hilfe. Darum freut es mich sehr, dass er es heute tut. Ich hatte immer den Eindruck, dass das Heteropärchen homophob ist. Sie sieht mich immer total angeekelt an und er würdigt mich normalerweise keines Blickes.

Als wir in seinem Haus ankommen führt er mich in eine Art Abstellraum. Regale stehen an den Wänden, gefüllt mit Konservendosen und Nudelpäckchen. Ich drehe mich zu ihm um und schaue ihn fragend an.

"Wobei kann ich ihnen denn nun helfen?"

Er hebt die Hand und plötzlich bekomme ich einen Schlag auf den Kopf. Als nächstes richte ich mich auf und fahre mir mit meiner Hand über die schmerzende Stelle.

Ich sehe mich um und stelle fest, dass ich zwar noch in dieser Abstellkammer bin, doch etwas weiter hinten. Der Boden ist anders als im vorderen Bereich. Gefliest mit einem Abfluss. Wahrscheinlich war ich durch den Schlag so weggetreten, dass ich nicht merkte wie man mich hierher brachte. Ich betrachte die Wände. An ihnen ist eine Vorrichtung montiert mit vielen Lappen, die aussehen wie in einer Autowaschanlage und ein Blick über mich offenbart mir einen Duschkopf. Plötzlich geht dieser an und Wasser sprüht unaufhörlich auf mich herab und fast zeitgleich beginnen diese Lappen zu rotieren und kommen immer näher.

NEIN, NEIN, was passiert hier?

"Hallo? Hallo, hört mich jemand? Was ist das? Was macht ihr mit mir? Warum macht ihr das? Hilfeee?", schreie ich so laut ich kann, doch scheint mich niemand zu hören und die Lappen bewegen sich unaufhörlich auf mich zu, bis sie mich streifen. Ich möchte aufstehen und wegrennen, doch als ich mich abstützen will, um mich hoch zu hieven, spüre ich Fesseln an meinen Handgelenken, die mit Ketten verbunden und am Ablaufgitter befestigt sind. Ohgottohgott, was passiert hier? Das Wasser ist überall und die Lappen schmerzen auf meiner nackten Haut. Seit wann bin ich nackt? Oh Gott...

"Gereinigt sollst du werden von deiner krankhaften Sünde."

Die Stimme die ich höre, ist verzerrt und bösartig.

"Was habe ich getan? Bitte, bitte hört auf damit, es tut so weh!"

Hustend versuche ich mich irgendwie zu schützen. Presse meinen Kopf zwischen die Knie und lege meine Arme darüber.

Plötzlich wird das Wasser ganz heiß, dann wieder kalt und wieder heiß. Es schmerzt so sehr, ich kann kaum atmen und mir wird schwarz vor Augen.

"Papillon?"

Auf einmal wird es hell, gleißend hell. Meine Augen brennen, als ich sie öffne. Durch den Tränenschleier erkenne ich viele Menschen, die um mich herum stehen. Sie lachen, zeigen auf mich.

"Phoenix!"

Einige schütteln mich, rufen meinen Namen. Es ist zu laut, zu hell, zu durcheinander. Ich schreie. Laut. Weine. Tränen sickern meine Wangen hinab und tränken den Stoff, an dem ich lehne. Meine Finger graben sich tief in etwas Weiches. Ich versuche zu atmen, bekomme keine Luft.

"Armer Schatz. Phoenix, bitte komm zu dir."

Hände streichen über meine Wangen. Weit, weit weg höre ich wieder meinen Namen. Mir ist so schlecht. Ich weiß nicht, wo ich bin, was ich tun soll, was mit mir passiert ist.

Ich gehe zu Boden und übergebe mich, bevor ich mich direkt daneben fallen lasse.

Warme Hände streichen über meinen Kopf. Etwas weiches wischt über meinen Mund. Langsam beginne ich wieder etwas wahrzunehmen. Mein Kopf klärt sich etwas. Meine Augen brennen nicht mehr. Ich öffne sie und sehe direkt in wundervolle babyblaue Augen, die mich besorgt beobachten.

"Mon petit Papillon. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Komm, ich helfe dir."

Mein über alles geliebter Mann legt seine Arme unter meine Schultern und meine Kniekehle und hebt mich nach oben. Dann beugt er sich vor und legt mich in einem Bett ab, aus dem ich scheinbar rausgefallen bin. Erst da wird mir bewusst, dass ich im Krankenhaus bin.

Erschrocken taste ich meinen Kopf und dann meinen Körper ab. Doch da ist weder eine Platzwunde noch Verbrennungen. Auch kann ich keine Spuren von Fesseln an meinen Handgelenken erkennen, dabei müssten dort welche sein, so wie ich an ihnen gezogen habe. Also war es nur ein Alptraum, aber wie echt er war, lässt mich erschauern.

Ich hebe meinen Kopf und sehe Yves an, der sich mit auf das Bett gesetzt hat.

"Geht es dir besser?", fragt er sanft und ruhig, doch wir sind schon lange genug zusammen, so dass ich seinen inneren Aufruhr spüren kann.

Ich versuche mich an einem Lächeln und nicke.

"Was ist passiert?", frage ich müde und erschöpft.

"Ich habe dich in einem panischen Zustand auf dem Badboden gefunden und dich ins Krankenhaus gebracht. Hast du keine Erinnerung daran? Ist heute etwas besonderes vorgefallen, dass du dich so fühlst?"

Angestrengt denke ich nach, denn mein Kopf fühlt sich an, als wäre er eine einzige Matschpfütze. Da ich an meinem Tag aber eigentlich nichts anders gemacht habe als sonst, kann ich mit gutem Gewissen erzählen, was passiert ist. Doch den Flachmann lasse ich aus, denn das muss Yves nicht wissen.

"Also meinst du, dass in deinem Latte Macchiato etwas drin war? Abführmittel?", fragt mein Mann. Ganz der Anwalt versucht er natürlich jetzt, dem Grund auf die Spur zu kommen.

"Nein, in der kann nichts gewesen sein und freiverkäufliche Abführmittel wirken nicht ganz so schnell. Das dauert schon ein paar Stunden", erkläre ich ihm.

"Hmm. Wirklich komisch. Fühlst du dich denn besser?"

"Ja", antworte ich ihm und rutsche näher an ihn heran, wo ich mich dann an ihn anlehne. Mein Fels in der Brandung. Immer ist er für mich da. Was würde ich nur ohne ihn tun?

"Gut. Der Arzt hat dir Blut abgenommen, um vielleicht so herauszufinden, was dir fehlt, oder gefehlt hat."

Seine Hand streichelt meinen Rücken hoch und runter und ich genieße diese Nähe, als plötzlich die Türe aufspringt und ein Mann im weißen Kittel herein kommt.

Er lächelt uns an, streckt mir die Hand hin und stellt sich als Doktor Forbes vor.

"Zuallererst muss ich ihnen eine Frage stellen Mister Moreau. Nehmen sie regelmäßig Drogen zu sich?"

Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucken, so dass es in einem Hustenanfall endet.

"Wie bitte? Nein, ganz und gar nicht. Ich habe nie welche auch nur ausprobiert. Wieso fragen sie mich das?"

Auch Yves schaut erschrocken drein und schüttelt den Kopf.

"Da das Labor ein wenig länger dauert, haben wir einen Drogenschnelltest gemacht. Dieser war positiv. Auf Jabkick. Das ist eine der neuesten Designerdrogen. Eigentlich soll sie einen beflügeln und eine aphrodisierende Wirkung haben, doch bei einer Überdosierung kann man ziemlich schnell das Bewusstsein verlieren. Weitere Nebenwirkungen sind Durchfall, Erbrechen, Wahnvorstellung, Halluzinationen und Alpträume. Zudem ist einem so heiß, dass man das Gefühl hat zu verbrennen.

Yves und ich schauen uns an und ich kann nur mit dem Kopf schütteln.

"Ich hab sowas nicht genommen. Wirklich nicht."

Ich kann gar nicht aufhören mit dem Kopf zu schütteln und Tränen rinnen ungehindert meine Wangen hinunter. Wer tut mir sowas an? Ich meine die Streiche auf der Arbeit, okay, da steh ich drüber, das ist Kindergarten. Aber mir Drogen zu verabreichen, das geht gar nicht. 

Resort de la Pheya 16 - PhoenixWhere stories live. Discover now