i. nephthys

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Unsere Erzählung beginnt im Schnee. Sehr vorhersehbar, wenn man bedenkt, dass sie im Winter spielt, doch solche Ereignisse kann man nicht manipulieren und ich werde euch hier nicht mehr und nicht weniger als der Wahrheit darlegen.

Der Schnee war längst zu einem weißen, kalten Ungeheuer geworden, während ich vor der Bibliothek stand und auf Azriel wartete. Die weißen Flocken bedeckten meine Haare und meine Hände wurden blau. Und als die Sekunden zu Minuten heranwuchsen, beschloss ich, allein die wärmende Halle der Universitätsbibliothek zu betreten.

Ein leichter Schleier legte sich über die Gläser meiner Brille, als ich mich zwischen den Büchern wiederfand, wie so oft zu dieser Zeit des Jahres. Nachdem er sich aufgelöst hatte, mir wieder eine klare Sicht gewährt wurde, entdeckte ich Aletheia.

Ihr beiger Mantel schmiegte sich sanft an ihren Körper, die blonden Haare umrahmten ihr Gesicht wie Engelslocken. In diesem Augenblick schien es fast so, als würde Sonnenlicht auf sie fallen, von Apollo persönlich zu Aletheia gerichtet. Doch vermutlich war es nur meine Schwärmerei für sie, die den Moment einzigartiger erscheinen ließ, als er war.

Ich kannte sie noch nicht lange (und Kennen ist wohl auch das falsche Wort, ich hatte sie bereits einige Male in der Bibliothek gesehen und ihren Namen über das Ausleihverzeichnis eines Buches in Erfahrung gebracht), doch ihre Aura hatte mich seit dem ersten Moment an für sich gewonnen und ich war ihr hilflos verfallen.

bibliotheksfundeWhere stories live. Discover now