12. Kapitel: Dunkler als der Düsterwald

41 3 0
                                    

Die fünf Gefährten der Gemeinschaft des Ringes zogen immer weiter nach Osten. Zwar formierten sie sich jeden Morgen neu, doch im Laufe des Tages löste sich diese Formation auf und lockerte sich. So kam es nun, dass Amina neben Gimli lief. Plötzlich blieb der Zwerg stehen. "Hey, Amina. Deine Augen sind besser als meine. Ist das dahinen eine... Rauchfahne?" Die junge Elbin blinzelte, verharrte und richtete den Blick zum Horizont. Die anderen blieben ebenfalls stehen und sahen sie abwartend an. Tatsächlich. Ihre scharfen Elbenaugen erkannten eine dünne Rauchspur vor hellblauem, leicht bewölktem, Himmel. "Ja.", sie ließ ihren siebten Sinn tasten, der ihr schwelende Glut meldete. "Es hat gebrannt, aber die Flammen sind erloschen." "Gebrannt?", wiederholte Aragorn und seine Miene verdüsterte sich, als er sich auf Aminas andere Seite stellte. "Eindeutig.", bestätigte sie und biss sich auf die Lippen. Feuer. Wie das Feuer, das sie vor einigen Nächten gespürt hatte. Kurz, bevor die Orks gekommen waren, als- Sie beendete ihre Sinnierung nicht. "Es liegt auf unserem Weg, dort vorbeizugehen. Was auch immer dort geschehen sein mag, wir werden es sehen.", sagte nun Boromir. Zischend atmete Amina ein und hob das Kinn, hielt den Blick nach wie vor zum Horizont gerichtet. "Tut es.", bestätigte sie dann ruhig und schob ihr rechtes Bein näher an ihr linkes, so dass Cala in seiner Scheide sachte gegen ihr Bein schlug. "Auch wenn ich schon einen Verdacht habe, wer da etwas niedergebrannt hat.", fuhr sie fort. "Wer denn?", fragte Gimli. Darauf schenkte Amina ihm ein bitteres Lächeln. "Orks." "Herrlich. Aber sie sind nicht mehr dort, oder, Ringträgerin?", hakte Boromir nach und die junge Elbin schüttelte den Kopf. "Nein." "Gut.", Aragorn klang nun entschlossen. "Gehen wir hin und sehen nach, was Saurons Diener getan haben." Mit einem kurzen Nicken folgte Amina ihm. Dabei ignorierte sie die Tatsache, dass Legolas die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte.
Nach einer Weile war die Gemeinschaft des Ringes an ihrem Zielort angekommen. Es war eindeutig einmal ein Dorf gewesen. Doch jetzt standen nur noch abgebrannte Ruinen herum und in der Mitte dessen, was eventuell einmal der Dorfplatz gewesen war, lagen verbrannte Leichen auf einem Berg. "Oh ja!", knurrte Gimli, als sie davor standen. Das waren eindeutig Orks!" Ein trauriges Lächeln verzog Aminas Mundwinkel. "Ja, waren es.", sie seufzte. "Die Seelen der Toten sind unruhig. Sie haben keinen Frieden." Damit wandte sie sich ab und verließ die anderen. Sie spürte die fragenden Blicke in ihrem Rücken, doch niemand hielt sie auf. Geschickt erklomm sie die Überreste eines niedergebrannten Hauses und balancierte auf den, vom Ruß schwarz gefärbten, Randmauern. Sekundenlang stand sie schweigend da. Reglos, ohne einen Muskel zu bewegen. Dann erst sprach sie. Ganz leise.
"Es tut mir leid, dass ihr sterben musstet. Die Orks haben euch niedergeschlagen wie Tiere, nicht wahr? Das", Aminas Stimme brach "habt ihr nicht verdient. Ihr wart frei, freier als ich es je sein werde. Ich bin die Ringträgerin und es ist meine Pflicht... meine Berufung, mein... mein Schicksal den Ring nach Mordor zu bringen. Und ich verspreche euch, dass ich das tun werde.", die junge Elbin schluckte schwer. "Für jene, die noch leben, als auch für jene wie euch, die tot sind. Euer Tod wird nicht umsonst gewesen sein.", langsam verzog ein trauriges Lächeln ihre schönen Züge. "Ihr habt gekämpft, stimmt's?", fuhr sie flüsternd fort. "Es waren nicht nur Tropfen aus rotem Blut auf dem Boden, sondern auch Tropfen aus schwarzem Blut. Natürlich habt ihr gekämpft. Wie auch nicht? Doch ich bewundere euren Mut, dass ihr gekämpft habt, obwohl euch klar war, dass Saurons und Sarumans Krieger euch mit ihren Waffen um Welten überlegen waren. Euer Mut wird meiner sein, eure Entschlossenheit wird meine sein, an dem Tag, an dem ich vor dem Abgrund des Schicksalsberges stehe und den Ring hineinfallen lasse.", ein leises Zittern durchlief ihren Körper. "Und ich gelobe, das zu tun. Ich bin die Ringträgerin des Einen Ringes und ich werde tun, was ich tun muss. Egal, was das Schicksal von mir verlangt."
Einige Sekunden lang schwieg Amina, dann strich ein leiser Wind durch die Luft und bewegte sachte ihr schwarzes Haar. Wieder zuckte ein trauriges Lächeln um ihre Lippen. Wegen der Toten. Wegen dem, was nicht sein durfte, obwohl sie es eigentlich wollte. Dann senkte sie den Blick auf den Ring. Unschuldig glitzernd hing der an der silbernen Kette und hob und senkte sich im Rhythmus ihrer Atemzüge. Amina spürte seine Dunkelheit an den Rändern ihrer Gedanken, aber er ließ sie gerade in Ruhe. "Das hast du schön gesagt.", sagte jemand leise hinter ihr. Erschrocken drehte sie sich um und ein brennender Schmerz rann durch ihr Herz. Legolas. Sie hatte nicht mehr mit ihm allein gesprochen, seit jener Nacht vor vier Wochen. Und jetzt das. So gelassen wie möglich schüttelte sie ihre Haare, die daraufhin ihre brennenden Wangen verdeckten. "Danke.", antwortete sie und beglückwünschte sich im Stillen für die Sicherheit ihrer Antwort. "Es war die Wahrheit.", setzte sie nach kurzem Zögern hinzu. Er lächelte und Amina meinte, eine Spur von Trauer darin zu sehen. "Das war es. Du bist die Ringträgerin und du wirst es beenden. Wir sind deine Gefährten und wir werden mit dir gehen, wohin auch immer dein Weg dich führt." Natürlich hörte die junge Elbin das unausgesprochene: ICH werde mit dir gehen, wohin auch immer dein Weg dich führt. Möglicherweise war es der Schatten des Ringes, der sich in diesem Moment wieder regte, vielleicht auch ihr hoffnungsloses Gefühlsdurcheinander oder der Schmerz, der sie ihre folgenden Worte aussprechen ließ, obwohl sie sie noch im absolut gleichen Augenblick bereute: "Hör einfach auf damit." Der Waldelbenprinz blickte sie an, ein Schatten fiel über seine blaugrauen Augen. "Womit?", fragte er sie. Das flammende Auge in Barad-dûr richtete sich auf den Westen, auf Gondor, auf Minas Tirith und diese plötzliche Bewegung ließ Amina zusammenzuzucken und den Ring erwachen. Seine Finsternis fraß sich durch ihr geschwächtes Schutzschild wie Säure, ihr Schmerz gab ihm noch zusätzliche Kraft. Dunkelheit kam in beinahe sanften Wellen und diese Dunkelheit war es, die Amina ihre nächsten Sätze sagen ließ. Denn eigentlich hätte sie das niemals getan, nicht so, das wusste sie irgendwo. Doch dieser Rest von Vernunft war zu klein und zu schwach, um sich zu wehren. "Tue nicht so, als wärst du etwas besonderes, nur, weil du ein Prinz bist. Tue nicht so, als wäre zwischen uns etwas besonderes. Denn da gibt es nichts. Rein gar nichts. Oder glaubst du wirklich", die junge Elbin hob eine Augenbraue "dass du mir in irgendeinem Maße besonders wichtig bist? Natürlich nicht. Glaubst du wirklich du wärst mir auch nur ansatzweise wichtig? Natürlich nicht.", ihre Stimme wurde sanfter, aber es war eine dunkle Sanftheit. "Diese Mission ist gefährlich, Legolas Grünblatt, Prinz der Waldelben des Düsterwaldes. Geh zurück in deinen Palast zu deinem ach-so-tollen Vater und sieh zu wie die Welt brennt, denn genau das wird sie tun." Lächelnd zog Amina den Ring von seiner Kette. Sie konnte nicht denken. Nicht zögern. Nicht begreifen, was sie da sagte oder tat. "Und weißt du, warum?", sie machte eine Pause und fuhr genüsslich fort: "Weil der Eine Ring mein ist. Er ist mein. Mein Schatz." Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrte Legolas sie an. "Das ist nicht dein Ernst.", sagte er dann und schüttelte energisch den Kopf. "Es ist nicht. Dein. Ernst." "Mein vollkommener Ernst, Thranduils Sohn.", erwiderte Amina ruhig. Aber ein winziger Funke in ihren Gedanken begriff, was sie da gerade sagte, was sie da gerade tat - dass sie im Begriff war, den Ring anzuziehen. Und dieser winzige Funke wehrte sich. Mitten in der Bewegung, den Ring anzuziehen, fror die junge Elbin ein. Die Finsternis des Ringes krallte sich in ihren Gedanken fest wie ein Warg mit seinen Klauen, doch aus dem winzigen silbernen Funken waren Flammen geworden. Dann eine Flut. Irgendwie riss Amina einen Teil ihres Bewusstseins aus dem Griff des Ringes und zog all ihre telepathische Macht zu sich. Du wirst nicht gewinnen!, fauchte sie. Nicht auf Dauer! NIEMALS! Tränen des Zorns brannten in ihren Augen, weil sie sich nun an das erste Mal erinnerte, da der Ring die Kontrolle übernommen hatte. Nein!, dachte sie bitter und biss die Zähne so fest aufeinander, dass es schmerzte. Nein! Ihre telepathische Macht wurde zu einer Welle, die sich über der sich festkrallenden und windenden Dunkelheit auftürmte wie Barad-dûr über Mordor. Lass mich in Ruhe!!, fuhr sie die Finsternis an und ließ ihre telepathisch Macht funken- und lichtspritzend herniederdonnern wie Calas Klinge im Kampf. Die wogende Flut schaffte es. Ganz, ganz langsam drängte sie den Ring - seine Macht - zurück und mit einer letzten Welle schwemmte sie ihn aus ihren Gedanken. Blitzschnell verstärkte die junge Elbin ihren Schutzwall, doch wieder schwächte ihr Schmerz ihn ab, noch während sie ihr Schutzschild verstärkte.
Der Schmerz um das, was nicht sein konnte.
Der Schmerz um das, was sie gesagt hatte.
Zitternd riss sie die Augen auf. Legolas' Blick war ausdruckslos vor Schreck, vor Verletztheit. Na bravo, Amina. Super gemacht!, dachte sie ironisch. Wirklich total TOLL! Innerhalb von Sekundenbruchteilen schwenkten ihre Gedanken von spöttischer Ironie zu blankem Schuldbewusstsein um. Oh Sil'an... Was habe ich nur getan?? Sie biss sich auf die Lippen, so fest, dass sie ihr eigenes Blut schmeckte, aber es war ihr egal. "Verzeih mir.", flüsterte sie tonlos. "Eines Tages." Nun tat sie etwas sehr Unbedachtes, das wusste sie, aber sie konnte nicht anders. Einen Moment lang wog sie den Ring in ihrer Handfläche, dann ließ sie ihn hastig an ihren rechten Ringfinger gleiten und wurde unsichtbar. Zumindest für Legolas. Sauron und die Nazgûl hingegen spürten sie sofort in der Ring-Dimension, noch während Amina sich mit einem Salto von den abgebrannten Grundmauern hinabfallen ließ, sah sie die Geister der Nazgûl warten. Der Hexenkönig von Angmar stand ganz vorne und zog sein Schwert. Die Neun waren nicht wirklich da, nur in dieser Dimension. "Gib ihn uns!", zischte der Anführer der Ringgeister. Zornig funkelte Amina ihn an. In der Ring-Dimension konnte sie deutlich die verzerrten, einst menschlichen Züge der Nazgûl erkennen. "Niemals!", erwiderte sie stolz und der Schmerz um das, was sie gerade unter dem Einfluss des Ringes gesagt hatte, schnürte ihr die Kehle zu. Auf ihre Weigerung hin zogen auch die anderen acht der Ringgeister ihre Mordorklingen. Doch eines hatten die neun und auch Sauron nicht bedacht, wurde Amina klar. Sie war immer noch eine Elbin. Und Elben waren berühmt für ihre Gewandtheit. Anstatt Cala zu zücken warf Amina sich herum, schlug zum zweiten Mal innerhalb von kürzester Zeit aus dem Stand ein Salto und sprang über die Nazgûl hinweg. Diese drehten sich, mitsamt ihrer Mordorklingen, die in der Ring-Dimension weiß leuchteten, zu ihr um. Kurz starrte die junge Elbin sie regungslos an, dann sprang sie hastig hinter eine Mauer und riss sich den Ring von ihrem Finger, fädelte ihn auf die Kette zurück und verschloss sie in ihrem Nacken, so dass der Ring ihr nun wieder gegen die Schlüsselbeine fiel, als sie den Kopf wandte und lauschte. Keine Nazgûl. Auch keine, die kamen. Langsam atmete Amina aus und verharrte, eng an die Mauer gepresst. Die Erinnerung um das, was sie gesagt hatte, traf sie wie eine riesige Welle und sie zuckte schmerzlich zusammen. "Oh Sil'an", hauchte sie erstickt "was... was habe ich nur getan?! Was?!" Nicht einmal ihre Tränen wollten ihr gehorchen, und so lehnte sie ihre Stirn gegen die Mauer und ließ zu, dass ihre stummen, trockenen Schluchzer sie schüttelten.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWhere stories live. Discover now