15. Kapitel: Dunkelste Dunkelheit

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Die Stille umfing Amina mit eisigen Klauen und sie hasste das. Es fühlte sich so an, als wäre Saurons böses Auge an der Spitze von Barad-dûr allein auf sie gerichtet. Wie so oft in der letzten Viertelstunde seufzte die junge Elbin lautlos, bevor sie einen Entschluss fasste. Leise erhob sie sich von ihrem Sitzplatz und ging mehrere Meter von den anderen weg. Erst dann blieb sie wieder stehen und richtete ihren grünblauen Blick auf Sil'an. Ein leichtes Lächeln flog über ihre Lippen, nur die Andeutung davon. Dann, nach kurzem Zögern, erhob sie leise die Stimme und sang. Ganz, ganz leise. Niemand würde sie hören. Außer Sil'an.

"Dreitausend Jahre ist's nun her,
da kam er ganz allein und ohne Heer
Er gelobte uns Macht, er gelobte uns Ruhm
er befahl, was wir zu tun
In unsrer Blindheit sah'n wir nicht
sein wahres, bös' Gesicht
Er ließ uns schmieden neunzehn an der Zahl
und wir gehorchten ihm, welch' törichte Wahl
Denn es war'n kein' neunzehn es war'n zwanzig, heimlich geschmiedet in den Feuern des Dunklen war der Eine
und der Eine ist nur der seine

Der dunkle Fürst versprach uns Macht
doch alles was er uns 'bracht ist die Nacht
mit den Ringen der Macht
Zwanzig sind's an der Zahl
Drei für die Elben, so edel, so rein,
elegant und von Silber fein
Sieben für die Zwerge sollen's sein
in ihren Hallen aus Gold und Stein
Neun für die Menschen, die sterblichen Kinder Erus, schön war'n sie anzusehen, die Neun, hübsch dargebracht,
doch voller dunkler Macht
Denn heimlich, in der Finsternis
erschuf er ein' andern Ring, so dunkel wie er selbst und er gedacht' ihn zu tragen bis
zu dem Tage, da wir alle sind sein
und er kann sagen: 'Jetzt ihr seid alle mein.'

Er sprach zu uns, vor vielen Jahren
'Seht, diese Macht ist euer, gedenkt, sie gut zu wahren.'
Er gab sie uns, geblendet nahm' wir sie,
bis wir spürten sein Joch
Die Kälte seiner Gier, so endlos und tief wie ein Loch, die Stimmen warnten: 'Hört ihn nicht an! Seht ihr nicht sein wahres Gesicht?'
Sie sah'n und hörten nicht
Er nannt' sie die neunzehn Ringe der Macht, die Ringe, die er uns gebracht
doch alles, was er uns mit ihnen hat geschenkt war die endlose Nacht
Wir bannten die drei hinfort,
an einen unbekannten Ort
Die Zwerge war'n zu eigensinnig,
als dass sein Wahn sie hätt' verführen können
Doch die Könige der Menschen, neun an der Zahl,
sie alle verfielen ihm, sie alle fielen in schreckliche Qual
Willenlos und kalt jagen sie umher, suchen und jeder der Neun ehrt,
was das Herz Saurons begehrt
Den Einen, den Meister, den König der Ringe,
gekommen zu brechen die friedvollen Jahre
Wir werden alle fall'n unter sein Joch, an dem Tag,
da das Schicksal Herr und Ring wieder vereinen mag

Der dunkle Fürst versprach uns Macht
doch alles was er uns 'bracht ist die Nacht
mit den Ringen der Macht
Zwanzig sind's an der Zahl
Drei für die Elben, so edel, so rein,
elegant und von Silber fein
Sieben für die Zwerge sollen's sein
in Hallen aus Gold und Stein
Neun für die Menschen, die sterblichen Kinder Erus, schön war'n sie anzusehen, die Neun, hübsch dargebracht,
doch voller dunkler Macht
Denn heimlich, in der Finsternis
erschuf er ein' andern Ring, so dunkel wie er selbst und er gedacht' ihn zu tragen bis
zu dem Tage, da wir alle sind sein
und er kann sagen: "Seht, ihr seid alle mein."
Der dunkle Fürst versprach uns Macht
doch alles was er uns 'bracht ist die Nacht
mit den Ringen der Macht"

Sie schwieg, blickte wieder zu Sil'an und wieder huschte die Andeutung eines Lächelns über ihr Gesicht. "Die Nacht wird sich erhellen.", flüsterte sie.
Ja, meine Wächterin. Aber vor dem Morgen kommt die Mitte der Nacht.
Amina schluckte. Ja, ich... weiß. Warum? Sil'an? Wird... Wird etwas Schlimmes geschehen?, fragte sie, nun telepathisch.
Ein kurzer Moment verging, bevor sich Sil'ans Antwort in Form von Gefühlen manifestierte:
In der Tat. Geh, meine Wächterin. Geh und wecke die anderen. Aber telepathisch. Sonst hört er euch.
Wieder schluckte die junge Elbin. Hastig kehrte sie zu den anderen zurück. Dann verband sie ihre Gedanken mit denen ihrer Gefährten. Ihr müsst SOFORT aufwachen! JETZT!, rief sie. Kollektives Luftschnappen, dann schoss einer nach dem anderen in die Höhe. "W-", begann Boromir, doch Amina schnitt ihm das Wort ab: Still. Kein Laut. Sonst hört er uns. Ihre scharfen Elbenaugen erkannten auch im Dunkeln, wie Aragorn fragend die Augenbrauen hochzog. Ich weiß nicht, WAS es ist. Sil'an hat es mir gesagt., beantwortete sie seine unausgesprochene Frage und stellte nebenbei aus dem Augenwinkel fest, dass Legolas selbst dann unglaublich gut aussah, wenn sie ihn aus dem Tiefschlaf riss. Im nächsten Moment hätte sie sich dafür schlagen können. Großer Manwe, was DENKE ich da nur?, tadelte sie sich selbst und achtete darauf, dass keiner der anderen es hörte. Meldet dir dein siebter Sinn etwas?, fragte der Elbenprinz sie nun. Ich spüre nichts Konkretes nur... Dunkelheit. Nachdem Amina kurz ihr eigenes Gespür tasten ließ, konnte sie ihm nur zustimmen. Keine konkreten Wesen nur... Bösartigkeit und Finsternis. Du hast recht., pflichtete sie ihm darum bei. Die restlichen vier Gefährten der Gemeinschaft des Ringes zogen ihre Waffen und stellten sich neben die junge Elbin. Was auch immer es ist, sagte Legolas und spannte einen dreifach-spitzigen Pfeil auf seinen Bogen es kommt näher. Nervös biss Amina sich auf die Lippen und nickte. Auch ihr siebter Sinn meldete ihr das Annähern einer dunklen, bösen Macht. Ja. Aber es sind keine Nazgûl., erwiderte sie und zückte Cala. Nein. Etwas anderes., der Prinz der Waldelben des Düsterwaldes zögerte kurz. Würde unser siebter Sinn Sauron als Sauron identifizieren können?, fragte er dann. Heißes Entsetzen durchflutete Amina. Was?!, stieß sie hervor, ihr Kopf flog zu ihm herum. Legolas' blaugraue Augen hielten ihrem grünblauen Blick stand. Du hast gesagt, Sauron könnte seine Gestalt wieder bekommen, noch BEVOR er den einen wieder hat., gab er zur Antwort. Vor über 60 Jahren, als der Düsterwald noch nicht der Düsterwald war... Es begann schleichend. Eine namenlose, nicht zu identifizierende Dunkelheit kroch durch die Luft. Wir spürten es, das Grauen, aber wir konnten es nicht benennen. Mehrere Jahre später erschien der Nekromant in der Festung von Dol Guldur. Zunächst ebenfalls ein namenloses Grauen, eine namenlose, nicht genauer zu benennende Finsternis. Aber... Du weißt, wer der Nekromant war?
Natürlich., Aminas Flüstern war so kalt, dass sie sich selbst erschrak. Sauron.
Wortlos, weder lautsprachlich noch telepathisch, nickte Legolas. Also willst du mir jetzt allen Ernstes sagen, fragte die junge Elbin ruhig dass da gerade Sauron kommt? Ein kurzer Augenblick verstrich, in dem Legolas den Blick in die Richtung wandte, aus der das Gefühl der Dunkelheit kam. Amina schnürte die Erkenntnis die Luft ab: Osten. Ich weiß es nicht., erwiderte der Elbenprinz dann. Du bist die Ringträgerin von uns beiden. Was tut der Ring? Eben das war es, was Amina beunruhigte: Nichts. Nichts. Er ist so still... Es ist unheimlich., antwortete sie und atmete ein. Also gut, hör zu. Ich habe nicht vor, Sauron einfach herkommen zu lassen - falls er es wirklich ist. Ich werde herausfinden, OB er es ist.
Du wirst doch nicht etwa-?, Legolas beendete seine Frage nicht. Das musste er auch nicht, denn Amina war auch so klar, was er meinte und sie kannte auch ihre Antwort.
Doch., sagte sie. Genau das werde ich tun. Der Ring ist die Verbindung von Saurons Gedanken zu meinen und wenn ich wissen will, WO der dunkle Fürst gerade ist, muss ich in seine Gedanken sehen. Jetzt schien es dem Waldelbenprinzen wirklich die Sprache verschlagen zu haben. Nein!, stieß er schließlich hervor und drehte sich zu ihr um. Das wirst du NICHT! Das ist... Das ist... Das ist WAHNSINN! Sie lächelte. Der gleiche Wahnsinn wie der, als ich meinen Wall niederriss?, fragte sie sanft. Bevor er antwortete, biss er sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Nein., entgegnete er rau. Schlimmer. Denn wenn Sauron wahrhaftig seine Gestalt wieder hat, ist sein Geist noch stärker als zuvor! Wieder lächelte Amina. Ich weiß. Aber ich habe keine Angst. Ihre Gedankenstimme war gelassen. Die blaugrauen Augen weiteten sich. Wie kannst du nicht?
Früher oder später, gab die junge Elbin zurück werde ich entweder seine Dienerin sein oder tot. Mache dir nichts vor, ich hege keine großen Hoffnungen, dass ich das hier so überstehen werde, wie ich momentan noch bin. Entweder werde ich meines Willens beraubt oder tot sein. Ich fürchte es nicht. Ich fürchte ihn nicht. Ich habe den Tod schon zu oft gesehen, zu früh gesehen. Sauron glaubt, er kann durch Morde den Mut seiner Gegner schwächen und vielleicht gelingt ihm das auch bei einigen. Aber nicht bei mir. Ich fürchte den Tod nicht, ich fürchte nicht den Verlust meines freien Willens. Das einzige, was ich fürchte, ist dein Hass.
Legolas blinzelte. Meinen WAS? Meinen... Meinen Hass? Warum sollte ich dich hassen? Erneut lächelte Amina, es war nicht mehr als ein Zucken ihrer Mundwinkel. Mein Blut ist nicht so unschuldig, wie du glaubst., erwiderte sie, dann durchtrennte sie die Verbindung zwischen ihrer beiden Gedanken und trieb ihre mentale Macht in ihr eigenes Bewusstsein, hin zum Ring. Gerade, als sie ihren eigenen Schutzschild fast durchquert hatte, rief sie jemand.
Warte! Geh nicht allein!
Amina seufzte. Silberne Funken flimmerten durch den Teil des Schutzes, den sie noch nicht durchschnitten hatte. Es reicht schon, wenn er mich in den Wahnsinn treibt, Legolas.
Aber wenn du nicht allein bist, wirst du vielleicht gar nicht wahnsinnig., hielt er sofort dagegen. Nachdenklich schwieg Amina. Denn eigentlich hatte der Prinz da durchaus recht. Als würde er spüren, dass sie nachdachte, setzte er hinzu: Bitte, Amina. Lass mich mitkommen. Ich verspreche dir auch, sofort zu gehen, wenn du es sagst.
Sofort?, hakte sie nach.
Ja. Unverzüglich., bestätigte er und Amina seufzte noch einmal. Also gut., gab sie nach. Dann komm. Aber wage es nicht, das Feld meiner mentalen Macht zu verlassen. Wie zur Antwort spürte sie, wie seine Gedanken sich ihren näherten, bis sie sich quasi in Aminas Bewusstsein aneinander drängten. Die junge Elbin zog jeden silbernen Funken zu sich, den sie fand und hüllte ihre eigenen Gedanken sowie die von Legolas in eine schützende Schicht aus Silber. Wenn du wegen mir stirbst oder Sauron sonst was mit dir tut, bringe ich mich um, nachdem ich Sauron umgebracht habe., versprach sie ihm.
Das wirst du nicht! Du wirst dich nicht umbringen, egal, was Sauron tut!, protestierte er. Das wäre... ICH wäre... Du würdest mir fehlen, Amina. Sehr sogar. Amina war heilfroh, dass sich das alles hier nur in ihrem Bewusstsein abspielte, sonst hätten ihre Wangen jetzt vermutlich geglüht wie eine Fackel. Danke., erwiderte sie kurz, formierte die silbernen Funken zu einer Spitze und durchquerte den letzten Rest ihres Schutzschildes, Legolas' Gedanken folgten ihr. Sofort zuckten die Tentakeln des Ringes zu ihr. Er spürte bestimmt, dass das Bewusstsein seiner Trägerin sich aus ihrem geschützten Areal entfernt hatte. Statt zurückzuweichen schwächte Amina die Funken ab, zog sie ganz eng an sich heran und ließ sie in die Finsternis fallen, gemeinsam mit ihrem Bewusstsein. Wie immer war die Dunkelheit des Ringes wie ein aufgepeitschtes Meer, doch dann wurde die Finsternis glatt. Seidenglatt. Blitzschnell stieß Amina ihre Funken wieder von sich und schlang sie schützend um ihre eigenen und Legolas' Gedanken - wenn auch vor allem um seine. Ringträgerin., empfing sie Sauron. Heute nicht alleine, wie ich sehe. Nachdem sein Geist diese Worte gesprochen hatte, flammte sein Auge in der Finsternis auf. Sauron., erwiderte sie kalt und ihre telepathische Macht umwallte sie mit silbernen Wellen. Ich habe dich erwartet, Ringträgerin., fuhr der dunkle Fürst fort und in der geschlitzten Pupille seines flammenden Auges war wieder die schwarze Gestalt zu erkennen. Ach?, Amina gab sich desinteressiert, sie spürte, wie Legolas' Bewusstsein sich an ihres drängte, es war eine beruhigenden Geste, und sie war dankbar dafür, denn eigentlich war die junge Elbin hochgradig nervös. Warum das?
Sauron lachte. Nun, erklärte er du glaubst doch nicht wirklich, dass ich zulasse, dass du meine Geduld strapazierst? Ich brauche den Einen und ich werde ihn bekommen. Darauf schwieg Amina kurz. Dann sagte sie: Soso. Und wie willst du das machen, mh? Du hast keinen Körper, du bist nichts weiter als ein blasser Schatten. Ich fürchte dich nicht.
Orangene Blitze zuckten durch die flammende Iris. Woher willst du wissen, was ich habe oder nicht habe?, zischte er, die finsteren Bänder seiner Gedanken wanden sich zornig hin und her. Ich habe einen Zauber auf dich gelegt, weil du mein bist! Jetzt lachte Amina. Das Lachen, das der Ring ihr 'geschenkt' hatte. Kalt, zitternd und mit einer Spur von Wahnsinn. Ich bin niemandem außer mir selbst!, entgegnete sie frostig, dann riss sie sich aus der Schwärze, zog sich blitzartig hinter ihren Schutz zurück und entließ ihre silbernen Funken. Anschließend konzentrierte sie ihre Gedanken auf Legolas' und sagte: Er HAT wieder eine Gestalt.
Dann blinzelte sie und sah den Prinz der Waldelben an. Der hatte Pfeil und Bogen sinken lassen und zog sie nun so abrupt in eine heftige Umarmung, dass sie nach Luft schnappte. "Gut", japste sie "wofür ist das jetzt?" "Ich bringe ihn um!", flüsterzischte Legolas, seine blaugrauen Augen waren so dunkel wie die Wolken bei Sturm. "Ich verspreche es dir, Amina, ich bringe ihn um! Er hat nicht das Recht, zu sagen, dass du... dass du... sein bist! Außerdem... Der Ring! Sieh dir an, was er mit dir macht, er... er... er zerstört dich, er tötet deine Seele, ich habe... Ich habe es gespürt.", er schluckte. "Ich habe es gespürt." Verzweiflung mischte sich mit Abscheu, während er sprach - auf Elbisch, wie eigentlich immer, wenn er mit ihr sprach. "Natürlich tötet er mich im Inneren.", antwortete sie sanft. "Er tötet meine Seele, er bricht sie, er zerstört meinen Willen, er zerstört meine Seele. Und jetzt wissen wir auch, was da kommt. Es ist Sauron. Vielleicht hat er noch keine Gestalt in dem Sinne, aber in jedem Fall ist er stark genug, sich zumindest außerhalb Barad-dûrs zu manifestieren." Legolas verzog das Gesicht als hätte er Schmerzen. Dann lehnte er behutsam seine Stirn gegen ihre. "Er wird dir nicht wehtun.", flüsterte er heiser. "Vorher muss er mich umbringen." "Wenn er das tut, bringe ich ihn um.", gab Amina zurück und wieder kribbelten ihre Wangen. Abrupt zog sie sich zurück, wechselte in die Gemeinsprache und sagte: "Sauron kommt. Entweder wirklich, in der selben Gestalt wie vor über 3 000 Jahren oder zumindest wieder so stark, dass er als Wirbel der Dunkelheit und flammendes Auge auftreten kann, wo es ihm beliebt."
Boromir ließ sein Schwert fallen, Gimli stieß einen Fluch auf Zwergisch aus und Aragorn blinzelte, öffnete den Mund, nur um dann doch zu schweigen. "Das... heißt?", fragte Boromir langsam und hob ebenso langsam sein Schwert wieder auf. "Das heißt, dass er kommt.", antwortete Amina trocken und stieß die Dunkelheit des Ringes von ihrem Schild zurück, bevor sie den Ring selbst an seiner Kette unter ihrer Kleidung hervorzog. "Wegen ihm.", sie verengte die Augen. "Solange er den Einen noch nicht hat, wird er sich, vor allem wenn er seine letzte Gestalt doch noch nicht hat, aber ansonsten auch, schätze ich, eher auf ein mentales Duell mit mir einlassen." Gimli räusperte sich. "Ein... mentales Duell?"
"Ja", Amina nickte. "Bewusstsein gegen Bewusstsein, Wille gegen Wille. Realistisch gesehen werde ich ihn nicht besiegen können. Darum, wenn ich irgendwelche Anstalten machen sollte, ihm den Ring zu geben... Mir egal, wie ihr das macht, aber hindert mich daran. Und wenn ihr mir die Hand abhacken müsst, dann tut das. Wenn ich den Ring aus diesem oder einem anderen Grund, fallen lasse, dann nimmt entweder Aragorn oder Gimli den Ring." "Was? Wieso das?", widersprach Boromir. Doch Amina, deren siebter Sinn ihr das beständige Näherkommen Saurons meldete, hatte damit gerechnet. "Zwerge sind bekanntlich sehr stur. Darum wird der Ring Gimli nicht so schnell verführen, wie gewisse andere hier. Menschen sind nun wirklich nicht für ihre Immunität gegenüber dem Ring bekannt, aber mein siebter Sinn sagt mir, dass Aragorn dem standhält." Boromir funkelte sie an, doch da war auch eine Spur von Verstehen, dann nickte er kurz. Als Legolas' Finger ihre streiften, fuhr sie fast unmerklich zusammen und sah ihn an. Du musst mir nicht sagen, warum ich es nicht tun soll., sagte er, nun wieder telepathisch. Ich tue es trotzdem: Ich will dich diesem Risiko nicht aussetzen. Ich könnte es nicht ertragen., antwortete sie. Seine blaugrauen Augen waren todernst, als er ihren Blick erwiderte. Pass auf dich auf, ja? Wie gesagt: Wenn Sauron dir etwas tut, dann bringe ich ihn um. Darauf lächelte Amina kurz. Ich werde vorsichtig sein. Aber Krieg ist Krieg, egal ob telepathisch oder nicht. Lautsprachlich fuhr sie fort: "Ihr könnt eure Waffen wegpacken. Kein Schwert kann diesen Kampf gewinnen." Sie selbst schob Cala wieder in seine Hülle zurück und ergänzte stumm: Nun gut, um genau zu sein auch kein Wille. NICHTS kann diesen Kampf gewinnen. Doch obwohl es hoffnungslos war, hob sie den Kopf, richtete ihre grünblauen Augen nach Osten und zog jeden silbernen Funken zu sich, den sie hatte. Sil'an? Wirst du mir beistehen können?
Einige Atemzüge verstrichen, dann riss die Wolkendecke auf und Sil'ans silber-bläuliches Licht fing sich in ihrem schwarzen Haar und der silbernen Sternensträhne, bevor die Reihe von Gefühlen zu Worten wurden: So gut ich kann, werde ich an deiner Seite sein. Wieder flog ein winziges Lächeln über Aminas Gesicht und sie neigte das Kinn. Das ist alles, was ich brauche., versicherte sie ihrem Stern. Dann streckte sie ihren siebten Sinn aus. Dieser meldete ihr auf der Stelle, dass die Dunkelheit fast da war. Die junge Elbin schluckte heftig und ließ den Einen Ring, der immer noch verdächtig brav war, wieder unter ihrem Oberteil verschwinden.
Das erste, was sie sah, waren schwarze Schlieren. Ein Zittern durchlief sie und sie biss die Zähne zusammen. Es kam zwar keine riesige Gestalt mit eiserner Krone, doch die nun volle Anwesenheit der Dunklheit griff Aminas feine Elbensinne an und sie blinzelte schmerzerfüllt, bevor sie ihr Gespür hinter ihr Schutzschild zurückzog. Die schwarzen Bänder, die sich vor ihr durch die Luft wanden, ähnelten denen, die auch Saurons Gedanken ausmachten. Glatt, dick, glänzend. Ein kurzer Moment verging, in dem die Macht der Finsternis fast erdrückend war, doch Amina weigerte sich, zurückzuweichen oder gar den Kopf zu senken. Jetzt flammte das rote Auge in der Luft auf und Aragorn schnappte entsetzt nach Atem. "Sauron!", ächzte Boromir. Der dunkle Fürst würdigte ihn keiner Antwort und keines Blickes, die geschlitzte Pupille war starr auf Amina gerichtet. Sie schluckte noch einmal, hielt der puren Bösartigkeit aber stand. Nun sprach Sauron, in der Schwarzen Sprache von Mordor, seine Stimme war so allumfassend, so tief, dass der Boden vibrierte: "Gib ihn mir." Stolz warf Amina das Kinn hoch und antwortete in der reinsten aller Sprachen. Quenya, der älteren der beiden Elbensprachen, auch wenn sie mit Legolas zumeist Sindarin sprach. "Niemals." "Doch.", die dunklen Bänder wanden sich um ihr Bewusstsein. "Du wirst." Zischend atmete die junge Elbin aus, vereinte ihre silbernen Funken zu einer Flut und beschloss dann, etwas Unsägliches zu tun. Sie wechselte von Quenya in die Schwarze Sprache. "Nein. Niemals, Sauron, Maiar, der du auf finsteren Pfaden wandelst!" Legolas sog scharf die Luft ein, Gimli gab ein seltsames Geräusch von sich, das klang, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Saurons telepathische Bänder schlangen sich noch fester um ihren Schutz, Risse entstanden. Aber Amina war keineswegs bereit, aufzugeben. Sil'ans silberne Strahlen erhellten ihre Gedanken, das Licht des Sterns des Nordens kämpfte sich durch die Wolkendecke und in dem Moment, da sein Licht in Aminas Gedanken drang und auf Saurons dunkle telepathischen Bänder fiel, zuckten diese zurück. Die junge Elbin lächelte ein dunkles, frostiges Lächeln. "Vergiss nie, wer ich bin.", sagte sie leise. Die geschlitzte Pupille zog sich noch mehr zusammen, dann tauchten neun Schatten in der flammenden, roten Iris auf. Neun Schatten, die alle die linke Hand hoben. An den neun Ringfingern glänzten neun Ringe. Dann zog der vorderste der Nazgûl, der Hexenkönig von Angmar, sein Schwert. Der Schatten des Ringes bäumte sich auf wie ein wild gewordener Drache und gegen die Macht von Saurons Gedankenbändern und der Finsternis des Ringes war Amina machtlos, genauso wie Sil'an. Kurz bevor die Dunkelheit ihren Schutz zerschmetterte, wandte sie den Kopf zu den anderen und stieß, nun wieder in der Gemeinsprache, hervor: "Lasst nicht zu, dass ich ihn ihm gebe!" Weiße Splitter flogen umher, Silber verschwand in schwarzen Wellen, unter die sich flammendes Orange-rot mischte, als Sauron und sein Ring Aminas telepathische Schutzmauer zerbrachen.
Atemlose Stille herrschte für mehrere Augenblicke, die sich qualvoll in die Länge zogen. Dann hob Amina den Kopf und sah in das flammende Auge. Der Hexenkönig von Angmar steckte seine Mordorklinge weg und streckte die Hand aus, jene ohne Ring. Saurons Stimme war ein tiefes Knurren in der Schwarzen Sprache: "Was meinen Dienern ist, ist mein. Gib ihn mir." Langsam zog Amina die Kette des Ringes nach oben, öffnete sie und ließ den Einen Ring leise klirrend in ihre Handfläche fallen. Das war der Moment, in dem die restlichen vier Gefährten der Gemeinschaft des Ringes sich aus ihrer Schockstarre lösten. "Oh nein!", rief Gimli, Boromir zog sein Schwert, Legolas bespannte seinen Bogen. Doch Aragorn zog die Augenbrauen zusammen. Denn Amina hielt Saurons flammendem Blick stand, machte aber keine Anstalten, seinem Befehl Folge zu leisten. Zwar nicht, weil die silbernen Funken ihrer telepathischen Macht wieder stark genug waren, oder weil Sil'ans Licht in der Lage war, die tiefen Schatten der Finsternis zu erhellen. "Nein.", sie schüttelte den Kopf und lächelte dunkel. "Der Ring ist mein. Mein Schatz." Aragorn seufzte leise und zog ebenfalls sein Schwert. Nun war es jedoch Gimli, der seine, bereits zum Kampf erhobene Axt, wieder sinken ließ. "Das ist er nicht!", protestierte er. "Amina, der Ring ist Sauron!" Die junge Elbin wandte den Kopf. Ihre grünblauen Augen waren dunkel. "Schweig.", zischte sie. "Bevor du Bekanntschaft mit Calas Klinge machen musst." Der Zwerg blinzelte und senkte dann resigniert den Kopf. Wieder verzog ein düsteres Lächeln Aminas Lippen. Dann blickte sie wieder zu Sauron. "Nein. Der Ring ist mein, dunkler Fürst." Sauron ließ einen Laut hören, der einem belustigten Auflachen ähnelte. Allem Anschein nach genoss er das Schauspiel vor ihm und sah offensichtlich keinen Grund, irgendetwas zu beschleunigen.

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