2 | An Board der Wavedancer

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»Jetzt lass mal nicht den Klüver hängen! Wir finden schon eine Lösung!« Diyanne hatte sofort gespürt, dass Hannah mit ihrem Vorhaben, eine Einigung zu erzielen, gescheitert war. Sie war mit schweren Schritten und leeren Händen in die Kabine zurückgekehrt und hatte ihrem Frust freien Lauf gelassen.

»Arrgh«, schimpfte sie nun, »dieser Taugenichts und seine Leute sitzen grölend in der Taverna und stürzen Grog und Bier, statt sich auf die anstehende Fahrt vorzubereiten.«

»Lass ihnen doch das bisschen Spaß vor der langen Reise«, meinte Diyanne nun besänftigend und legte eine Hand auf die Schulter der Kapitänin. »Morgen versuchen wir es erneut. Vielleicht rede ich mal mit Ronan. Er hat einen guten Einfluss auf Darrel«, schlug sie vor. Doch in Hannahs Augen sah die Rothaarige es bereits aufblitzen, wie immer, wenn sie einen neuen Gedanken hatte.

»Ich habe eine Idee!«, flüsterte sie sogleich. »Während Darrel und seine Meute sich einen hinter die Augenklappe kippen, gehst du los und versuchst herauszufinden, wo die Karte ist und was sie zeigt!«

Diyanne seufzte. »Ist das nicht schummeln, wenn ich die beiden hintergehe? Immerhin wollten wir das doch eigentlich zusammen...«
»Eben«, unterbrach Hannah. »Eigentlich! Nun hab dich nicht so! Für dich ist es doch ein Leichtes, in der Nacht in das Wirtshaus oder auf das Schiff zu kommen.«

»Und wenn er die Karte bei sich trägt?« Hannah wurde langsam ungeduldig. Wenn es nach ihr ginge, würde sie lieber heute als morgen in See stechen.

»Wir müssen es wenigstens versuchen!«, argumentierte sie hartnäckig. Diyanne wollte gerade etwas erwidern, als etwas anderes plötzlich ihre Aufmerksamkeit erregte.

»Was will der denn hier?« Hannah stöhnte, während Diyanne ihre Chance auf Spionage nun doch gekommen sah.
»Wenn Darrel auf dem Weg hierher ist, kann ich mich vielleicht doch mal auf seinem Schiff umsehen«, überlegte sie laut.

»Dann aber jetzt im Schweinsgalopp«, lachte Hannah und öffnete das zur Meerseite gelegene Fenster. »Guten Flug, meine Liebe«, grinste sie und beobachtete wie immer fasziniert, wie ihre Freundin sich leicht verbeugte, ihre Arme um den Körper legte und sich dann auf dem Boden zusammenkrümmte. Ihre rote, unbändige Mähne legte sich über ihren Körper und verwandelte sich vor Hannahs Augen in ein prächtiges Federkleid.

Als das Geschöpf aufsah und die großen Flügel ausbreitete, nickte Hannah und der Vogel erhob sich erst auf den Sims und stürzte sich dann in den Abgrund. Sekunden später breitete die Wandlerin majestätisch ihre Flügel aus und erhob sich gegen die untergehende Sonne in den Himmel. Zufrieden schloss Hannah das Fenster und machte sich auf den Weg an Deck, um ihren Besuch angemessen zu begrüßen.

Darrel hätte lieber noch eine Weile im Wirtshaus gesessen und mit seinen Kameraden die kleine Auszeit genossen, doch die Idee, die ihm beim Anblick des kleinen Wirbelsturms gekommen war, duldete keinen Aufschub

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Darrel hätte lieber noch eine Weile im Wirtshaus gesessen und mit seinen Kameraden die kleine Auszeit genossen, doch die Idee, die ihm beim Anblick des kleinen Wirbelsturms gekommen war, duldete keinen Aufschub. Also hatte er sich zusammengerauft, seine Zeche mit ein paar Kupfermünzen bezahlt und sich auf den Weg zum Hafen gemacht. Die Sonne stand bereits am Horizont und malte ein Farbenspiel aus Rot, Orange und Blautönen an den Himmel, als er das Tor der Stadt durchschritt und seine Stiefel auf den staubigen Sandweg zum nächsten Fischerdorf setzte.

Das gekaperte Herz (ONC 2024)Where stories live. Discover now