𝟬𝟲 • 𝗦𝗠𝗜𝗟𝗘 𝗙𝗢𝗥 𝗧𝗛𝗘 𝗣𝗜𝗖𝗧𝗨𝗥𝗘, 𝗦𝗨𝗡𝗡𝗬 𝗕𝗢𝗬

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March 2019
Autumnvale, England

E L I V O N

IN EINEM WEINROTEN Rucksack, der achtlos auf ein paar Steinen im Sand lag, klingelte ein Handy, während der Refrain von this is the life zu spielen begann

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IN EINEM WEINROTEN Rucksack, der achtlos auf ein paar Steinen im Sand lag, klingelte ein Handy, während der Refrain von this is the life zu spielen begann.

Ein Junge mit blondem, gelocktem und feuchtem Haar lief in diesem Moment über den Strand und trat zu dem Platz, wo er seine Sachen liegengelassen hatte.

Der Wind strich sanft über sein vom Regen genässtes Haar, als der Junge sich in den Sand kniete, um sein Handy hervorzuholen. Das Display zeigte den Namen seiner Mutter und hätte jemand den Jungen beobachtet, hätte man sehen können, dass ein Schatten über sein sorglos fröhliches Gesicht fiel. Doch dieser verschwand wieder und stattdessen breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus.

»Hey, Mum.« Elivon seufzte, als die Frau am anderen Ende der Leiter begann, hektisch mit ihm zu sprechen. »Ja, alles ist gut. Ich bin am Meer... Nein, ich war nicht surfen, wir haben März... Ich habe nur die Wellen beobachtet. Keine Sorge. Ich passe auf mich auf.«

Kaum hatte das Telefonat begonnen, hatte der Junge auch wieder aufgelegt. Elivon seufzte unmerklich und hielt für einen Moment inne, bevor er schließlich eine hellblaue Mütze aufsetzte. Kurz darauf kramte er aus seinem Rucksack eine Wasserflasche und eine Packung mit Tabletten, wovon er eine nahm.

Während des Anrufs hatte seine Mutter ihn erinnert, vorsichtig zu sein, und seine Medikamente zu nehmen. Und natürlich hatte sie panisch reagiert, als sie mitbekam, dass Elivon am Strand war. Aber selbst wenn er hier wäre, um zu surfen, hatte sein Arzt mehrfach versichert, dass Sport kein Problem für ihn war, trotz seines Herzfehlers. Deshalb bestand keinerlei Grund zur Sorge.

Elivon lebte einen völlig normalen Alltag, wenn man mal von den Tabletten absah, die er jeden Tag einnehmen musste. Trotzdem war seine Mutter unglaublich ängstlich und das war einer der Gründe, wieso Elivon mittlerweile in dem alten Bungalow seines Vaters lebte und nicht mehr in seinem Elternhaus. Schließlich war er vor zwei Monaten neunzehn geworden. Er brauchte es einfach, selbstständiger und mehr alleine zu sein, als er es früher sein konnte.

Trotz der Angst seiner Mutter war Elivon nicht ganz so eingeschränkt, wie es vielleicht schien. Ja, es gab das Risiko, dass er einen Herzinfakt hatte oder sein Herzschlag unregelmäßig war, aber seine Medikamente unterstützten ihn und er lebte ein völlig normales Leben. Elivon wollte einfach leben und frei sein, halbwegs ohne Einschränkungen - und das hieß manchmal, dass er nicht so unfassbar vorsichtig sein konnte, wie er eigentlich sollte. Er hoffte, dass seine Mutter dies irgendwann verstehen würde.

• • •

Elivon trat über den kleinen Weg, der durch den gepflegten Garten seiner Eltern - seiner Mutter - führte, und ging zur Haustür, um in das Haus hineinzugelangen. Drinnen umpfing ihn der Geruch von Duftkerzen, mit denen seine Mutter seit er denken konnte eine Obsession hatte, und eine heimatliche Wärme. Elivon musterte die Bilder, die im Flur an den Wänden hängen, und spürte das traurige Lächeln auf seinen Lippen, als er ein Bild von seinem Vater und ihm selbst als Kind betrachtete. Jetzt, wo er deutlich älter war, wurde mehr und mehr die Ähnlichkeit zu Egon deutlich.

Der Junge mit den blonden Locken trat, nachdem er seine Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, durch den Flur ins Wohnzimmer und lächelte seiner Mutter entgegen, welche direkt vor ihm stand. Scheinbar hatte sie ihn längst gehört. Elivon versuchte die Sorge auf ihrem Gesicht zu ignorieren. Es schnitt ihm jedoch trotzdem ins Herz. Er wusste, wieso seine Mutter solch große Angst hatte, dass Elivon etwas passieren könnte - denn sein Vater hatte sein Leben lang den selben Herzfehler gehabt.

»Hey, Mum.« Elivon lächelte sanft und schloss seine Mutter in eine Umarmung. Er wollte ihr einfach nur ihre Angst nehmen. Doch solange diese Krankheit da war, konnte er nichts versprechen. Für andere Menschen war das Glas entweder halb leer oder halb voll; für Elivon war es einem Sturm ausgesetzt und könnte jeden Moment umfallen.

»Schatz, geht es dir gut?«, fragte Daja leise und setzte ein halbherziges Lächeln auf, das die Angst in ihren Augen verdecken sollte.

Elivon löste sich langsam aus ihrer Umarmung. »Mum. Mir geht es gut. Bitte mach dir nicht immer so große Sorgen. Ich passe auf mich auf, ich nehme meine Tabletten und schaue, dass ich beim kleinsten Problem ins Krankenhaus gehe.«

»Du weißt, dein Vater...« seine Mutter zögerte und sprach nicht weiter, doch Elivon verstand und biss die Zähne zusammen. Daja hatte seinen Vater nicht losgelassen, und Elivon wusste, dass sie es auch niemals tun würde - genauso wenig wie er.

Elivon nickte wortlos, umarmte sie noch einmal sanft und trat dann zurück. »Ich fahre jetzt wieder zum Bungalow.«

• • •

Die recht verlassene Straße führte am Fluss vorbei, vorbei an heruntergekommenen Café's und Läden und bald würde Elivon auch zu dem kleinen, eher unbekannten Strand kommen, in dessen Nähe das alte Bungalow stand.

Gerade führte der Weg in Richtung des Café's Cathy's - und plötzlich erblickte Elivon ein Mädchen, welches an dem Geländer lehnte und ihm sehr bekannt vorkam. Sie hatte lockiges, dunkelbraunes Haar und trug einen Rucksack auf den Schultern. Irgendetwas an Savanna wirkte verloren und vielleicht war das der Grund, wieso Elivon langsamer fuhr und neben dem Mädchen anhielt.

»Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit oder so?«, fragte der blonde Junge, als er die Fensterscheibe herunterließ, und lächelte schief.

Er kannte Savanna nicht nur aus der Schule, sondern auch aus seiner Kindheit, denn sein Vater war mit ihrem befreundet gewesen. Elivon und Sav hatten sich früher deshalb oft gesehen und waren eng befreundet, bis ihr Kontakt plötzlich abbrach und nur Tage später sein Vater starb - wobei Elivon nie wirklich den Grund wusste, wieso Sav ihre Freundschaft beendet hatte. Jedoch kannte er Sav aber noch halbwegs gut genug, um sie ansprechen zu können. Denn Elivon hatte die mit Mascara vermischten Tränenspuren auf Savs Wangen bemerkt und irgendwo sorgte er sich noch immer um sie.

Savanna zögerte, betrachtete das alte Auto für ein paar Sekunden und stand dann auf. »Wohin fährst du denn?«

»Zum alten Bungalow meines Vaters.«

Ohne noch etwas zu erwidern, lief Sav um das Auto herum und öffnete dann die Beifahrertür, um in Elivons Auto zu steigen. Sie lehnte sich in den Sitz und atmete hörbar durch. »Danke... Du kannst mich einfach irgendwo absetzen. Man könnte es so sagen: ich will gerade nicht wirklich nachhause.«

Irritiert betrachtete Elivon seine ehemalige beste Freundin, beschloss aber, sie nicht darüber auszufragen und schaltete das Radio an. »Das Bungalow ist groß genug, falls du einen Platz zum bleiben brauchst.«

Er spürte Savs überraschten Seitenblick, reagierte aber nicht darauf und blick bei seiner Aussage. Sie hatten sich zwar seit Jahren nicht wirklich unterhalten, aber irgendwo bedeutete Sav ihm noch immer etwas. Und wenn sie Hilfe brauchte, würde er sie nicht einfach auf der Straße sitzen lassen. Selbst wenn er den Grund nicht kannte und auch nicht wusste, wieso ihre Freundschaft damals zerbrochen war.

 Selbst wenn er den Grund nicht kannte und auch nicht wusste, wieso ihre Freundschaft damals zerbrochen war

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