[10] Moth

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𝕾eit drei Stunden hatte Izaiah kein Wort mit ihm gesprochen

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𝕾eit drei Stunden hatte Izaiah kein Wort mit ihm gesprochen.

Seit einer halben war Moth schon überzeugt, dass er das keine Sekunde länger aushalten könnte. Immer wieder warf er einen verstohlenen Blick zu ihm, hoffte jedes Mal, dass ihre Blicke sich trafen und Izaiah ihm wieder das übliche, schiefe kleine Lächeln zuwerfen würde.

"Das ist wirklich interessant," sagte Doctor Everett zum fünften oder vielleicht sechsten Mal, und beugte sich wieder über sein Mikroskop, schob die Probe ein wenig umher und schüttelte fasziniert den Kopf. Seine Praktikantin bereitete daneben weitere Objektträger vor, beschriftete und protokollierte alles sorgfältig, und Junis tippte unaufhaltsam auf deren Laptop. Währenddessen hatte Vivien den Kopf auf dem Schreibtisch abgelegt und schlief offenbar.

Er scharrte mit den Füßen, kreuzte und entkreuzte die Arme, hoffte wenigstens, er würde aus dem Augenwinkel auf die Bewegung aufmerksam werden.

Izaiah würdigte ihn keines Blickes. Die Miene in Stein gemeißelt und die Arme vor der Brust verschränkt, die linke Hand schützend über dem blutigen Verband um seinen Bizeps gelegt, sah er starr Everett zu.

Er war wütend auf ihn. Natürlich war er wütend auf ihn.

Moth hatte Joanne in dieses Haus stürmen lassen, hatte sie nicht aufhalten können. Er hatte zu lang gezögert. Schließlich hatte er sie gar nicht wirklich aufhalten wollen.

Warum auch? Cam hatte allein und sicher verletzt in diesem Apartment festgesessen, umgeben von denen, die offenbar hinter den Attacken steckten. Was Moth betraf, er hatte keinen Grund gesehen, warum sie es nicht verdienten, Joannes Wut ausgeliefert zu sein.

Aber damit hatte er sich direkten Anweisungen widersetzt. Er hatte bewiesen, dass er kein Teammitglied war, auf das man sich bedingungslos verlassen konnte. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie alle realisierten, dass so ein Agent dem Team nichts nützte.

Moth schluckte. Das FBI oder die Polizei würden ihn mit seiner Akte nicht annehmen, dessen war er sich schon immer schmerzlich bewusst gewesen, und überhaupt wollte er dieses Team doch gar nicht verlieren. Aber in diesen wenigen Sekunden des Zögerns hatte er seinen Teil der Entscheidung getroffen, der Rest lag wohl oder übel in Camille und Viviens Händen.

Egal, was er auch tat, am Ende würde er wohl irgendwann immer feststellen, dass er doch immer noch der gleiche, unbelehrbare kleine Junge war, der es aus irgendeinem Grund nicht schaffte, ein gutes Kind, ein guter Bruder, ein guter Agent und Kollege zu sein. Warum konnte er nicht einfach gehorchen, warum fand er einfach immer irgendeinen Weg, die Leute um ihn herum wütend zu machen? Andere konnten ihm ihre Lektionen einprügeln, er konnte sich selbst noch viel härter bestrafen als irgendein anderer, doch er würde es wohl nie lernen.

Mit einem Mal fiel ihm auf, dass er seit Monaten nicht mehr auch nur an die schmale Rasierklinge gedacht hatte, die in seiner Handyhülle versteckt war, und der letzte Schnitt auf seinem Oberschenkel war schon Jahre verheilt. Doch mit jedem weiteren Gedanken wand sich der Knoten in seinen Eingeweiden enger, schrie danach, locker geschnitten zu werden.

Restless | ONC 2024 ✓Where stories live. Discover now